Das Presseecho in den Schweizer Medien zum Urteil des Schweizer Bundesgerichtes vom 20. Mai (siehe News vom 2. Juni) ist gewaltig und lässt erahnen, dass Poker bei unseren Nachbarn bereits einen viel größeren Stellenwert in der Gesellschaft hat als zum Beispiel in Deutschland – oder hatte? Seit zwei Tagen ist die Schweiz eine pokerfreie Zone, zumindest außerhalb staatlicher Casinos.
Die Frustration ist weiterhin groß, doch während am Mittwoch in der Presse noch Überschriften wie „Es ist aus, fertig, vorbei“ (20 minuten Online) zu lesen waren, titelt zum Beispiel die Baseler Zeitung am Freitag: „Die Pokerfreunde wehren sich vehement“
Zu den großen Machern in der Pokerclub-Szene gehört auch Rino Mathis, der seit vergangenem Sommer als Profi bei PokerStars unter Vertrag steht und PokerStars.de dadurch auch als Hauptsponsor für die Swiss Poker Masters (SPM) ins Boot holte. Die wohl größte Pokerveranstaltung in der Schweiz außerhalb von Casinos lockte im vergangenen Jahr hunderte von Pokerenthusiasten in die Stage-One Eventhalle in Zürich/Oerlikon und war ein überwältigender Erfolg. Die Chancen, dass die SPM (geplant vom 13.-21. August) auch 2010 in Zürich stattfindet, sind laut Mathis aufgrund der Planungsunsicherheit aber geringer als ein 1-Outer. Im Gespräch ist eine mögliche Verlegung nach Österreich und eine Entscheidung soll in der kommenden Woche fallen.
Was die Veranstalter besonders auf die Palme bringt ist die Tatsache, dass der in den vergangenen zweieinhalb Jahren stark gewachsene neue Wirtschaftszweig von heute auf morgen das Todesurteil serviert bekam. 2004 zum Beispiel wurde beim Verbot von Spielautomaten in Schweizer Kneipen eine Übergangsfrist von fünf Jahren gewährt.
Die Auswirkungen sind verheerend. Denis Briel hatte erst vor zwei Wochen seine, aufgrund der wachsenden Gästeanzahl, für einen mittleren fünfstelligen Betrag neugestaltete Pokerlounge wieder eröffnet und klagte im Tagesanzeiger: „Am Mittwoch verloren wir von einem Tag auf den anderen unsere Existenzgrundlage und unsere Geschäftsidee.“ 30 Gäste musste er noch am selben Tag vor die Tür setzen und was noch schlimmer ist, eine Vollzeitstelle und bis zu zehn Teilzeitstellen sind von dem Urteil betroffen. Rino Mathis spricht in seinem Blog bei PokerAction.ch sogar von rund 1.000 Arbeitsstellen, die durch das Urteil innerhalb kürzester Zeit aufgelöst worden sind. Und Denis Briel ist bei weiten nicht der einzige Jungunternehmer, der zig tausende von Franken in die Zukunft investiert hat und nun mit leeren Händen dasteht.
Um das endgültige Aus der Pokerclub-Szene in der Schweiz doch noch abzuwenden ist für Samstag ein Treffen der Veranstalter anberaumt worden, wie Marc Hoisberger (Chef des Züricher Poker Palace) gegenüber der Blick.ch bestätigte. Dabei soll unter anderem über eine Volksinitiative diskutiert werden, um Poker per Verfassungsartikel zu legalisieren. Für diesen Vorgang müssten allerdings innerhalb von 18 Monaten 100.000 Unterschriften von Stimmberechtigten gesammelt werden und bis es dann zu einer Abstimmung im Volk kommt vergehen in der Regel weitere zwei bis drei Jahre.
Eine schnellere Lösung hat vielleicht SVP-Nationalrat Lukas Reimann parat. Reimann hatte bereits 2008 eine Motion für die „Entkriminalisierung des privaten Pokerspiels“ beim Nationalrat eingereicht, der dieser vor gut drei Monaten zustimmte. Laut Blick.ch will Reimann die Motion insoweit abändern, dass das Parlament Pokern zum Geschicklichkeitspiel erklären kann. Zunächst muss im Herbst aber der Ständerat (kleine Kammer des Schweizer Parlaments) der Motion ebenfalls zustimmen, erst dann würde der Entwurf in der Rechtskommission des Nationalrates ankommen. Dort wo auch Reimann sitzt und seine Änderungswünsche einbringen kann.
Es besteht also noch Hoffnung für die Schweizer Pokergemeinde, doch zunächst einmal steht für die Eidgenössische Spielbankenkommission (ESBK), die im Dezember 2007 Poker als Geschicklichkeitspiel deklariert hat und somit den Boom ausgelöst hat, fest: Gegen gewerbsmäßige Pokerturniere außerhalb von Casinos wird künftig genauso vorgegangen wie gegen jede andere Art von illegalem Glücksspiel.
Der große Gewinner ist erst einmal der Schweizer Casino Verband (SCV) und wie wenig denen daran gelegen ist, das für Spielbanken nicht so lukrative Pokerspiel voranzutreiben, darauf gibt die doch etwas flapsige Antwort von SCV-Geschäftsführer Marc Friedrich gegenüber PokerAction.ch einen Vorgeschmack. PokerAction.ch zweifelte in einem Interview mit Friedrich dessen Aussage, dass die Casinos ihr Angebot ausbauen werden um der großen Nachfrage nach Pokerturnieren zu befriedigen, an. Friedrichs Antwort: „Dann kann sich ein Spieler halt vielleicht erst fürs übernächste Turnier anmelden und nicht schon fürs nächste.“