Hier nun der zweite Teil unseres großen Götz Schrage Interviews. Teil 1 findet ihr hier. Viel Vergnügen!
Also, um das zusammenzufassen: Das Beste für Poker wäre, wenn Charlotte Roche Boris Becker im Heads Up beim Main Event besiegen würde.
Auf jeden Fall. Aber ich würde da auch aus der Künstlerecke raus gehen. Ich versuche gerade für die nächste Ausgabe vom Pokerfirma Magazin mit den großen Redaktionen im deutschsprachigen Raum Kontakt aufzunehmen. Vielleicht krieg ich da einige Bekennerschreiben. Ich will so etwas ähnliches machen, wie zuletzt mit den Werbeagenturen. So nach dem Motto: Poker ist kein satanisches Ding, sondern eine saubere, spannende Herausforderung. Gallionsfiguren aus pokerfernen Bereichen – die also durch was anderes als Poker berühmt geworden sind – ist eine großartige Leistung, Lobbyarbeit und Imagewerbung in pokerfernen Medien wäre der nächste Schritt auf den ich hoffe.
Glaubst du, dass Poker so was wie ein Lifestyle sein kann?
Auf jeden Fall. Lifestyle ist eine super Eintrittskarte. Oft ist es so, dass die Akzeptanz einer anderen, neuen Kultur gegenüber zuerst über die Äußerlichkeiten funktioniert. Ich kann mich dran erinnern, als es zum ersten Mal die Basketball Trikots bei uns zu kaufen gab. Damals hätten die meisten Leute Michael Jordan wahrscheinlich nicht einmal erkannt, wenn er ihnen am Schoß gesessen wäre, trotzdem haben die Leute die gekauft und sind damit zu Hobbyturnieren gegangen. Ich sage: Diese ganzen gebrandeten Kleidungsstücke der Pokeranbieter sind fantastisches Marketing. Ich zum Beispiel renne seit Jahren nur in Pokerstars Jacken rum, was dazu geführt hat, dass manche Leute glauben, dass mir Pokerstars gehört. Kein Scherz. Meine Trafikantin hat mir zum Beispiel einmal ganz stolz erzählt, dass sie jetzt auch was bei meiner Firma eingezahlt hat. Ich hab zuerst nicht gewusst was sie meint, aber sie hat Pokerstars gemeint. Das halte ich für eine gute Sache. Außerdem ist der Pokerstyle alterslos, was ja besonders für Männer in meinem Alter wichtig ist. Poker ist eine der wenigen Sachen, wo man mit 40+ die selben Sachen tragen kann, wie mit 21. Mir fällt da sonst keine Sportart ein.
Wo wir gerade beim Alter sind. Was ist deiner Meinung nach die wichtigste Zielgruppe für Poker?
Fürs Geschäft wissen das andere sicher besser als ich. Von der Ferne würde ich sagen, dass diese „Ich habe nur 5 Dollar eingezahlt und spiele jetzt mit Phil Ivey am Tisch“ Geschichte da das Wichtigste ist. Jeder junge Spieler, der in einem Turnier zum ersten Mal AQs nach einem Reraise wegwirft, glaubt, jetzt werd ich Weltmeister, weil das ist ja ein ziemlicher Schritt. Aber die wichtigste Zielgruppe, um die Wahrnehmung von Poker in der Öffentlichkeit zu ändern, sind die älteren Leute. Denn was 21 Jährige machen, kümmert die Politik in der Hinsicht nicht wirklich viel, denn in dem Alter macht man ja viele Dinge, die eigentlich verboten sind. Zu sagen: 500.000 20 Jährige tun das, ist kein großartiges Argument für die Politik.
Politik ist ein gutes Stichwort. Leider greift die Politik ja immer noch durch Restriktionen in die Pokerwelt ein. Was muss geschehen, damit in Deutschland eine Legalisierung kommt?
Es gibt ja da so eine Tendenz, dass es vor großen Durchbrüchen immer große Rückschritte gibt. Das ist so eine Dynamik. Darüber würde ich mir nicht den Kopf zerbrechen Ich bin so romantisch und glaube, dass die Gerechtigkeit siegt. Poker wird definitiv absolut ungerecht behandelt. Es ist bizarr. Ich sehe jeden Tag schwersten Betrug im Nachtprogramm des Kabelfernsehens. Das ist komplett indiskutabel. Was ich da in einer Nacht an Delikten sehe, das bringen alle Cardrooms und Casinos in einem Jahr nicht zusammen… Dass die Politik dies zulässt zeigt ja, dass sie weder einen moralischen Einspruch, noch einen fachlichen Anspruch haben. Poker ist einfach ursprünglich einmal falsch bewertet worden, deswegen erlauben sie das eine und verbieten das andere. Damit das geändert wird, muss es an allen Fronten eine gute Zusammenarbeit geben. Ich glaube, dass die Politik dann einfach auf eine breite gesellschaftliche Akzeptanz reagieren muss.
Glaubst du, dass wir in Deutschland bald eine ähnliche Situation haben, wie in Frankreich, also eine Marktabschottung? Wäre das deiner Meinung nach gut oder schlecht für Poker?
Ich glaube es ist das Einzige, was derzeit unter dem begrenzten Verständnis eines Politikers von diesem für möglich gehalten wird. Entspricht aber überhaupt nicht dem Sprit der EU. Ich weiß es einfach nicht, ob das ein Schritt in die richtige Richtung ist. Vielleicht ja, vielleicht nein.. Was glaubst du?
Buh, also ich glaube, das in absehbarer Zeit so eine Abschottung kommt. Das Problem ist ja, dass die EU sagt: Freier Wirtschaftsraum gut und schön, aber in so sensiblen Bereichen wie Glückspielen darf der Staat regulierend eingreifen, um seine Bürger zu schützen.
Ich bin derzeit 49 und hab somit schon viele Dinge gesehn, die sich geändert haben. Hoffentlich auch das…
Du bist ja vor kurzem bei der Pokerfirma ausgestiegen – mehr oder weniger. Was glaubst du bringt deine Zukunft?
Ich bin nicht mehr Chefredakteur bei der Online Seite, bleibe aber zumindest bis Januar Chefredakteur des Printmagazins. Dem gilt derzeit meine ungeteilte Aufmerksamkeit. Vor Weihnachten kommt da die nächste Ausgabe, über alles was danach kommt, zerbreche ich mir jetzt nicht den Kopf. So schlau bin ich nicht, dass ich so lange in die Zukunft plane…
Na dann, vielen Dank für das Gespräch Götz und alles gute für die Zukunft.
Ich danke für das Interesse.