Betrüger am Kartentisch gab es immer schon. Reich geworden ist kaum einer und plump und dumm waren sie auch schon immer. Irgendetwas scheint da auszusetzen und wie die Lemminge stürzen sie über die Klippen ihrer eigenen Untaten. Poker spielen ist so verdammt unkontrollierbar und wer da ein Stück weit Kontrolle zu erhaschen glaubt, hält sich für Gott und Floorman. Nietzsche irrt sich nun mal nicht. Gott ist tot und Betrüger stolpern über ihren Hauch von Macht und das in der Regel mit großem Donnerwetter.
Was kannte ich Jungs, die quasi auf Tournee gingen von Stadt zu Stadt – und wenn es sein musste von Dorfkneipe zu Dorfkneipe – um dann regelmäßig die gesamte Beute bei denen abzuliefern, die das Spiel auf saubere Art wirklich konnten. In der goldenen alten Zeit als die Welt voller Geld war gab es zum Beispiel einen Albaner, der so lang kämpfte und das tat, was er für Arbeit hielt, bis er seine 20 000.-D-Mark zusammen hatte. Zweimal vögeln im besten Haus am Platz, ein neues Sakko von Hugo Boss und der Rest wurde dann auf im nächsten Card-Casino abgegeben. – Es gehört zu den wahrlich sonderbaren Abstrusitäten der Betrügerseele, dass man sich an das Gewinnen gewöhnt, aber der Grund dafür vergisst. Mit großen Augen und ohne Hilfe wird die Beute dann in kürzester Zeit verzockt und dann gehts wieder los auf neue Tour.
Zu den aktuellen Berichten um Ali T. kann man auf seriöse Art nicht allzu viel berichten. Die Vorwürfe waren in der Szene lange bekannt, nur die Unschuldsvermutung sollte halt doch mehr sein als eine Phrase, die man ungelenk an unpassender Stellen in seinen Text einflicht, um auf der sicheren Seite zu sein. Die Unschuldsvermutung ist ein hohes kulturelles Gut unserer Gesellschaft für das es sich an jeder Stelle lohnt mit aller Wortgewalt ins Felde zu ziehen. An den „Gefällt mir“-Button musste man sich inzwischen gewöhnen, der „Schuldig/Nicht schuldig“-Knopf ist bis jetzt noch nicht erfunden, aber wahrscheinlich wird daran bereits gearbeitet.
Poker hat auf keinen Fall seine Unschuld verloren. Klingt paradox, aber für mich persönlich hat das naive Biotop der Kartenspieler seine Unschuld gerade durch die zurzeit untersuchten Vorfälle bewiesen. Mag eine Krähe einer anderen auch kein Auge aushacken, ein Betrüger erkennt einen Kollegen auf zwanzig Meter gegen den Casinowind. Und wenn es tatsächlich so war wie berichtet, dass ein dicklicher Junge mit kurzen Fingern und billigem Fotoapparat in ebenso plumper billiger Zeichensprache Handstärken der Gegner signalisieren konnte, damit ein minder begabter Komplize ein Turnier gewinnt, dann ist mir um die Rechtschaffenheit der Pokerszene keinesfalls bange. Das geht nur, wenn es sich bei den anderen Spielern am Tisch um vorstrafenfreie Waldorfschulabsolventen handelt und der Sicherheitsbeauftragte wahrscheinlich tatsächlich auf der Universität – und nicht wie früher bei der Fremdenlegion – sein Handwerk – nennen wir es – “gelernt” hat.
Ob Ali T. und seine Kumpanen nun Betrüger waren oder nicht, sollen die behördlichen Ermittlungen und in weiterer Folge die Gerichte klären. Fest steht hingegen eines jetzt schon, „Pokerjournalisten“ waren in diesen vermeintlichen Fall keine involviert. Die Zunft bleibt unschuldig, auch wenn sich ein Hochstapler unter falschen Angaben als Angehörige unserer Standes eingeschmuggelt haben sollte, kann und darf das nicht auf die Freiheit der Berichterstattung Einfluss haben. Wenn sich ein arbeitsloser Eisenbieger mit gefälschter Approbation als Gefäßchirurg in einen Operationssaal schmuggelt, muss man vielleicht den Personalchef der Klinik in Frage stellen, aber nicht den Ärztestand.
Es gibt ein schönes schottisches Sprichwort und natürlich fällt es mir jetzt wo ich es so elegant in meinen Text einbauen könnte, nicht wirklich ein. Sinngemäß heißt es da, wenn du mich einmal betrügst musst du dich schämen. Wenn es dir zweimal gelingt, schäme ich mich. – Der Trubel bei großen Turnieren in den entscheidenden Phasen wird wohl nicht mehr derselbe sein wie bisher. Großes Geld weckt große Begehrlichkeiten und darauf heißt es zu reagieren. Sollten die Anschuldigungen zu einer Verurteilung führen werden die vermeintlichen Täter wohl Schadenswiedergutmachung leisten müssen und eine kleine Strafe – aus pädagogischen Gründen – schadet auch nicht wirklich. Nur niemand ist verletzt worden, niemand ist gestorben. Strenger Kerker und Prügelstrafe sind nicht vorgesehen und wohl nicht angebracht. Poker wird weiter gespielt werden und wohl noch ein Stückchen ehrlicher als bisher. Manchmal ist auch ein deprimierender Zuwachs an Erkenntnis langfristig gut für das große Ganze. Nicht jeder erfolgreiche Pokerspieler mit Sonnenbrille sollte gleich unser Freund sein. Nicht jeder mit einem Fotoapparat ist gleich ein Fotograf und nicht jeder Sicherheitsbeauftragte versteht etwas von seinem Job. Aber die Probleme sind erkannt und werden gelöst . Da mache ich mir keine Sorgen. – In diesem Sinne, shuffle up and deal und weiter geht es. Ein zweites Mal wird das Vermeintlich ganz sicher nicht gelingen, weil dann sollten wir den Schotten glauben und uns in die Casinoecke stellen und schämen. Dass das nicht passieren wird, daran glaube ich zumindest ganz fest.
