Natürlich sind durch die Disqualifikation von Ali Tekintamac einmal ganz abgesehen von den offensichtlichen Fragen, wie so etwas denn überhaupt passieren konnte, auch viele Fragen rein technischer Natur aufgetreten. Viele von euch haben in den Comments danach gefragt, ob es richtig war sein Preisgeld zu spenden und was denn nun z.B mit jenen Spielern passiert, die kurz vor dem Final Table ausgeschieden sind. Wir haben versucht Antworten auf diese Fragen zu finden und haben zu diesem Zweck ein Interview mit Thomas Lamatsch geführt, der zu den bekanntesten und respektiertesten Turnierdirektoren und Fachleuten auf diesem Gebiet zählt.
Hallo Thomas, danke dass du dir Zeit genommen hast. Kommen wir zunächst einmal zu den technischen Fragen: War es richtig Alis Chips nach seiner Disqualifikation aus dem Spiel zu nehmen und sein Preisgeld zu spenden?
Kommen wir zunächst einmal zu Punkt 1: In so einem Fall gibt es gar keine andere Möglichkeit, als die Chips eines disqualifizierten Spielers aus dem Spiel zu nehmen. Das wird meines Wissens nach überall auf der Welt so gehandhabt und ist eigentlich Standard. Bei Punkt 2 sieht die Sache allerdings anders aus. Meiner Meinung nach ist die Lösung, das Preisgeld zu spenden ausgesprochen suboptimal. Eher hätte das Geld auf alle anderen Spieler aufgeteilt werden sollen, oder noch besser: Es hätten einfach alle Spieler eine Stufe in den Preisgeldrängen weiter nach oben rücken sollen, beginnend mit dem Bubble Boy. Man kennt das von der Formel 1 oder der Tour de France: Wird einer disqualifiziert, rücken einfach alle hinter ihm platzierten einen Rang auf. Das Geld hätte in jedem Fall im Prizepool verbleiben sollen, es gehört schließlich nicht den Turnierveranstaltern, sondern den Spielern. Daher können die Veranstalter eigentlich auch nicht frei darüber verfügen und damit verfahren, wie sie es für richtig halten.
Hätten Spieler in diesem Fall einen Rechtsanspruch zu sagen: Ali hat mich aus dem Turnier geworfen und wurde jetzt disqualifiziert, ich will mein Geld zurück?
Nein Regress und Rechtsansprüche sind in diesem Zusammenhang wohl nicht durchzusetzen. Das Spiel ist schließlich vorbei und alle Entscheidungen gefallen. Man kann nicht feststellen, was gewesen wäre, wenn ein Spieler jetzt nicht von Ali vom Tisch genommen worden wäre. Hätte er dann das Turnier gewonnen? Wäre er gleich in der nächsten Hand ausgeschieden? Man kann dies im Nachhinein unmöglich eruieren, sondern würde sich immer nur im Kreis rein hypothetischer Fragen drehen…
Was glaubst du bedeutet dieser Vorfall für die Zukunft von Pokerturnieren?
Einiges. Wie heißt es so schön: Man lernt aus Fehlern. Nach dem Überfall auf die EPT Berlin wurden überall in Europa die Sicherheit bei großen Pokerturnieren erhöht: Es gibt mehr Sicherheitskräfte, die Polizei ist vor Ort, man geht mit dem Geld vorsichtiger um und so weiter und so fort. Ähnlich wird es sich wohl auch hier vor sich gehen. Ich glaube, dass wir in Zukunft viel weniger akkreditiere Presse bei den Events sehen werden und wir Veranstalter um einiges vorsichtiger sein werden, wen wir alles in den Turnierbereich lassen. Ich habe mich in der Vergangenheit auch oft über die Massen an Presseleuten geärgert, die zwischen den Tischen herumlaufen, das wird sich jetzt wohl ändern. Alle werden vorsichtiger werden, auch die Spieler. Bis jetzt waren einige in der Pokercommunity einfach zu nachlässig damit, wem sie vertrauen. In Zukunft werden wohl viele um einiges aufmerksamer und misstrauischer sein, ihre Hole Cards besser schützen und mehr darauf achten, was um sie herum passiert und mit wem sie denn da gerade am Tisch sitzen. Denn es ist nun mal so: Wo Geld im Spiel ist, wird immer jemand versuchen zu betrügen…
Wagst du eine Prognose abzugeben, was denn nun mit Ali und seinen Helfern passiert?
Schwer zu sagen. Frankreich ist in dieser Hinsicht wirklich sehr strikt. Ich rechne mit einer Gefängnisstrafe, auch für die Helfer. Eines ist auf jeden Fall sicher: In einem Casino oder bei einem Pokerturnier werden wir diese Gesichter so bald nicht mehr sehen.
Neben Thomas Lamatsch haben wir auch noch mit Hendrik Vogeling gesprochen, seines Zeichens 10. in Cannes und somit Final Table Bubble Boy.
Wenig überraschend zeigt auch er sich nicht besonders erfreut über die Tatsache, dass das Preisgeld gespendet wurde und vertritt ebenfalls die Ansicht, dass es wohl am besten wäre, wenn einfach alle Spieler eine Preisgeldstufe weiter nach oben rutschen würden. Allerdings glaubt auch er, dass in der Sache wohl schwierig wird, irgendwelche rechtlichen Schritte zu unternehmen.