CCC Wien Paradise Poker Tour – Die geschmeidige Maschine – Der verrückte Ungar

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Gefühlte fünfzig Tische vollbesetzt. Das Turnier brodelt und die Halle sowieso. Hastende Kellner, eilige Chiprunner und an der Anmeldetafel  steht mein Freund der Herr Franz und hat alles im Griff. –  Kaum ist ein Turniertisch aufgelöst  wird in der Sekunde ein neues Cashgame ausgerufen.  „Wir eröffnen Omaha Blind 2 auf Tisch 14 – Herr Ömer, Herr Chu, Herr Chü, Herr Robert, nochmals Herr Chu, Herr  Dragan, Herr Gabor, Herr Reza – bitte Platz nehmen“.

Das Main Event der Paradise Poker Tour habe ich irgendwie verschlafen (oder doch vielleicht absichtlich versäumt?). Diese Deep Stack Dinger entsprechen einfach nicht meinem Temperament. Mehr Chips bedeutet mehr Kopfweh und wenn die anderen schlau und geduldig und ich bestenfalls halbschlau und sicher ungeduldig bin, muss man es turbomäßig krachen lassen, um mein Turnierherz zu gewinnen.

Cashgame ist da doch mehr meines, auch der Status Nummer 23 der Warteliste nicht wirklich für den eiligen Herren geeignet zu sein scheint.   Und liefern muss ich auch. Hochgepokert.de Korrespondent ist mehr als ein Ehrentitel. Da muss man Leistung bringen und Berichte abliefern. Gnadenlos. Wer zu dumm ist, um ein Turnier zu entern muss sonst wo sein Plätzchen finde. An der Bar sitzend Artikel schreibend hat seinen Charme, aber immer nur über den Liebreiz der serbischen Kellnerinnen zu schwärmen nützt sich ab.

„Meine Name ist Herr Chu – ist hier Omaha 2er Blind Platz frei?“. Die Dealerin blickt irritiert und ich versuche so chinesisch wie möglich dreinzuschauen. Drei Outs quasi – einer der Chus und Chüs muss seinen Aufruf versäumen und ich bin mitten drinnen satt nur dabei. Der Tisch füllt sich, wir drei Chinesen bleiben unter uns und in den Finger beißt mich auch niemand. Neben mir ein verrückter Ungar mit riesigen Kopfhörern. Wobei „verrückter Ungar“ geht als Paradebeispiel für einen Pleonasmus durch – besser als „kleiner Zwerg“ und „nasser Regen“ allemal.   – Das Schlüsselwort fällt mir nicht ein. Da gibt es doch diesen einen Fachausdruck, der all das Leiden der nächsten Stunden so schön in einen Begriff zwängt.

Selbstwahrnehmungsdefizit! Das ist das gesuchte Wort und darunter leiden die eine Million Casinoungarn mit denen ich schon meine Nächte verbringen musste. Alles ist ein wenig zu laut, zu aufgeregt, die Bewegungen sind zu wild und der Ellbogen ist definitiv zu nah bei meiner Nase.  „Look at this! Look at this“ Two Pair in the Flop. – I had you. I had two Pair. I know you had nothing. Nothing you know!“ Was dann folgt sind ungarische Flüche, deren Leitmotiv man mit der Aufforderung zum Fellatio trefflich umschreiben könnte. Mein ungarischer Nachbar hat zwei Buttonpairs am Flop und sein Buy-in verloren. Mein rechter Nachbar bekommt den POt und ich den ungarischen  Ellbogen wieder gefährlich nah vor unter die Nase gerieben.

„ I once lost two Pair in Omaha. It happend to me as well. Must be twelve years ago. In the summer in Linz“ sage ich um einen Streit anzufangen. Erfolglos selbstverständlich. Ich ernte einen ungarischen zärtlichen Blick und werde Nase an Nase mit doppelten Dezibel angeschrieben” Two pair – I hat two Pair in Flop. You know!” – Aus den silbernen Kopfhörern schallt Boeny M auf ungarisch und ich beschließe mich zu betrinken. Ein kühnes Unterfangen gewöhnlicherweise im CCC. Insbesondere wo in jeder Küche mein Steckbrief hängt. Wahrscheinlich mit Bild und Bounty. “Diesen Mann niemals bedienen und wenn es sich nicht vermeiden lässt keinesfalls das bestellte Getränk servieren!”

Mein Kellner ist klein, kräftig und kampfbereit. Bestellung abgeben und aufgeben ist eine Sache. Irgendwie ist die deutsche Sprache gar nicht so unschlau. “Look at this!” mein neuer ungarische Freund präsentiert mir seine Baustelle und zupft neue Scheine aus der Hemdtasche. Mein linker Nachbar sagt gar nichts und wir mir immer sympathischer. Ein aufgeregter chinesischer Gast steht lautstark gestikulierend beim immer höflichen Herrn Franz und zeigt gefährlich in meine Richtung. Der stille Herr von Platz Vier fragt mich: “Muss ich dich kennen?” “Um Gottes Willen  – Nein!” antworte ich aus der berühmten Pistole geschossen (die ich doch besser hätte einstecken sollen). “Bist du nicht der Schräge von Pokerfirma?” – Wo ist mein ungarischer Freund, wenn ich mal brauche könnte? Rein gesprächstechnisch und so.

“Nein sage ich  – ich bin der Götz Schrage von hochgepokert.de!” und ärgere mich, dass mein versprochenen Visitenkarten immer noch nicht fertig sind. Der Chinese bei der Tafel wird lauter. Ich räume das Feld. Ein letzter Blick durch die Halle. Die Rotation schnurrt. Die Maschine CCC bewältigt alles und das mit Bravour. Ich geben dem Manager Christian die Hand und dem James-Bond Daniel gleich auch. Die Brücke hat alles im Griff! “Respekt!” sage ich und gleich nochmals “Respekt”, weil mir nichts besseres einfällt und weil wir früher Kollegen waren und in gewisser Weise jetzt auch wieder sind und ich weiß was die Jungs leisten.

Bei der Security gebe ich Trinkgeld, weil sich das so gehört und man nie weiß, wann man sich freut wenn sie schnell da sind. Ein Kellner winkt mir aufgeregt hinterher. In der Hand das Getränk und nicht irgendein Getränk –  so unfassbar unwahrscheinlich es sich auch anhören mag. Es wäre genau das gewesen, was ich bestellt hätte. Rasch und ohne Beschwerde. Ich zahle und bin beeindruckt.  – Draußen ist es kalt. Im Hintergrund hört man das Brummen der Südosttangente. Im meinem Kopf klingt ein Lied: “Rivers of Babylon” mit ungarischem Akzent. Ich geh zum Auto und fühle mich irgendwie sonderbar gelassen und ruhig. So auf die asiatische Weise gelassen. Ich werde mich vielleicht in Zukunft “Götz Chu” nennen. Das kann im Casino nur Vorteile bringen. – Hoffentlich hat Kang die Visitenkarten noch nicht bestellt.

Habt ihr schon unser tolles Gewinnspiel mitbekommen?

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