Heute hat Hochgepokert.de eine schlechte News in eigener Sache und die bleibt wenig verwunderlich vaterlos. Kein junger eifriger Redakteur will seinen guten Namen mit bösen Neuigkeiten verknüpfen. Kein alter Routinier klopft seine Signatur freiwillig in die Tasten. Wenn es darum geht, die hoch geschätzte Leserschaft auch nur möglicherweise zu vergraulen, ist alles auf der Flucht, was schreiben kann und die gute alte „Redaktion“ muss zeichnen, was zu zeichnen ist.
Das Turnier zur Hochgepokert.de Schnitzeljagd ist überbucht. Zweiunddreißig verdiente User mit Hang zur Perfektion und dem Gespür für die richtigen Buchstaben müssen draußen bleiben. Der Client qualmt und bei fünfzig Turnierteilnehmern ist nun mal Schluss und Feierabend. Irgendwer muss das den Lesern vermitteln. Ich habe ein Alibi. Ich war wie es sich am Sonntag gehört im Casino und melde mich eben erst zurück zum Dienst.
Erfolg hat ja bekanntlich viele Väter. Obwohl wir das aus dem Biologiebuch besser wissen müssten. Geht organisch schwer und wurde scheinbar evolutionär ausgeschlossen. Jedenfalls, wenn irgendwo irgendwas gelingt, zeigt gerne jeder auf und stellt sich seiner wohlwollenden Verantwortung: „Da ist was Großartiges passiert und ich bin schuld daran“. Für Erfolgsmeldungen finden sich immer viele Boten und Überbringer guter Nachrichten sind im Dutzend bekanntlich billiger.
Mir fällt da eine Richard-Tauber-Anekdote aus dem unfreiwilligen Londoner Exil ein. Ein Beweis dafür, dass wir Journalisten von Schauspielern und Opernsängern in puncto Eitelkeit zweifelsfrei und deutlich übertroffen werden. Es war zu Zeiten der deutschen Bombardements. Die Aufführungen in den Theatern und Opernhäusern wurden immer wieder unterbrochen. Fliegeralarm wurde ausgerufen und die Zuseher wurden aufgefordert, die Luftschutzkeller aufzusuchen. Meist musste ein niederrangiges Ensemble-Mitglied die schlechte Nachricht verkünden.
Wenn dann alles vorbei war, das gesamte Publikum nach der Entwarnung versammelt und im besten Fall wohlbehalten zurück im Opernsaal saß, gab es tosenden Applaus für denjenigen, der die Fortsetzung der Aufführung verkünden durfte. Und da Applaus ja mindestens so süchtig macht, wie die Kommentare der Hochgepokert.de Leserschaft, riss man sich unter den Stars in der Royale Opera darum vor den Vorhang treten zu dürfen. Legendär und rührend die Ansage von Richard Tauber: „And now back to real life.“, weil in seiner Welt nun mal die Oper so viel mehr „real“ war als der Krieg da draußen.
Ich bin mal neugierig, wer bei uns auserkoren wird für die wirklich guten Nachrichten. Wenn es uns zum Beispiel gelingen sollte, einen Hochgepokert-Leser gleich fix auf den Finaltisch des WSOP Main Events zu setzen, oder man auf Lebenszeit alle Sunday Millions gratis mitspielen darf. Bin mir ganz sicher, für die News finden sich zehn Redakteure – und wenn sie aus den Flitterwochen oder dem Krankenstand anreisen müssen. Wobei ich glaube, da habe wir alle keine Chance. Die besten aller guten News werden dann wohl Chefsache. Und unser Richard Tauber heißt Ben Kang, und solange er nicht anfängt zu singen, soll mir das recht sein. (Foto: music.tonnel.ru)
G. Schrage