Hochgepokert sprach im ersten Teil des Interviews mit Jörg Wacker, Direktor bwin-Deutschland, über die Scheinheiligkeit bei der Debatte über Spielsuchtprävention und die Bedeutung des Spielerschutzes im Internet. Im zweiten Teil erläuterte Jörg Wacker wie Spielsucht beim Online-Gaming entdeckt werden kann, welche Gegenmaßnahmen ergriffen werden und wie der Spielerschutz bei bwin aufgebaut ist und funktioniert.
Hochgepokert: Welche Methoden nutzt bwin, um eine mögliche Spielsucht zu identifizieren? Wie funktioniert das im Internet? Geht das überhaupt?
Jörg Wacker: Das Internet ist dem stationären Geschäft bei den Themen Spielsucht- und Betrugsprävention weit überlegen, weil hier eine komplette Transparenz aller Einsätze der Spieler vorliegt. Um Probleme frühzeitig zu erkennen und eine Schädigung des Spielers so gut wie möglich zu verhindern, gibt es aktuell zwei Ansatzpunkte. Zum einen kann das Spielverhalten, zum Beispiel die Veränderungen der Einsatzhöhe, auf Anhaltspunkte einer problematischen Entwicklung untersucht werden.
Dies ist zurzeit überhaupt nur im Internet möglich, da nur dort exakte Aufzeichnungen über die Entwicklung des Spielverhaltens eines Spielers vorliegen, die analysiert werden können. Eine verantwortungsvolle Spielbank hat zwar Aufzeichnungen, wie häufig ein Gast zu Besuch ist, wie er aber während dieser Besuche spielt, ist völlig unbekannt. Die Identifikation von spielbezogenen Indikatoren zur Früherkennung von Problemen ist einer der Schwerpunkte der Forschung der Division on Addictions. Bis dato wurden zwei Studien zu diesem Thema in internationalen Wissenschaftszeitschriften veröffentlicht.
Hochgepokert: Und der zweite Ansatz?
Jörg Wacker: Weiterhin kann das Sozial- und Kommunikationsverhalten wie beispielsweise die Tonalität von Beschwerden der Spieler auf Indikatoren untersucht werden. Bisher wurde stets angenommen, in diesem Bereich seien Spielbanken dem Online-Glücksspiel weit überlegen, weil im Internet der direkte Kontakt zum Spieler fehlt. Eine Studie der Hochschule Luzern hat unlängst gezeigt, dass dies nicht der Fall ist.
Auch beim Online-Glücksspiel liegt eine große Menge an elektronischer Kommunikation unter anderem per E-Mail vor, die systematisch auf Indikatoren analysiert werden kann. Dadurch ist man in der Lage, einen großen Teil der Problemspieler korrekt zu identifizieren. Insbesondere eine ausgeprägte Ungeduld und häufige E-Mails in einer sehr ungehaltenen Tonalität sind gute Indikatoren für eine problematische Entwicklung. Nur im Internet sind beide Ansätze der Früherkennung, im Gegensatz zu terrestrischen Spielangeboten, in einer standardisierten und objektiven Art und Weise und damit ein Spielschutz auf hohem Niveau möglich.
Hochgepokert: Welchen personellen und materiellen Aufwand betreibt das Unternehmen bwin zum Schutz der Spieler?
Jörg Wacker: bwin arbeitet zurzeit mit mehreren Forschungseinrichtungen weltweit zusammen und unterstützt eine Vielzahl von Hilfseinrichtungen, sodass ein Beratungsangebot in mehr als 20 Sprachen sichergestellt ist. Es ist uns sehr wichtig, dass Spieler, die sich sperren oder gesperrt werden müssen, professionelle Hilfe bekommen, weil sonst das Risiko rückfällig zu werden viel höher ist.
Hochgepokert: Wie viele Mitarbeiter sind in diesem Bereich aktiv?
Jörg Wacker: Bei der bwin befassen sich zwei Teams mit etwa zehn Mitarbeitern ausschließlich mit dem Thema Spielerschutz. Hinzu kommen mehrere Compliance Teams, die sicherzustellen haben, dass regulatorische Auflagen eingehalten werden.
Hochgepokert: Was wird an Geld in die Prävention investiert?
Jörg Wacker: Insgesamt hat bwin in diesem Thema schon etliche Millionen Euro ausgegeben, von denen wir glauben, dass sie sehr gut investiert sind.
Hochgepokert: In wie vielen Fällen wird durschnittlich im Jahr eine Sperren gegen einen Kunden ausgesprochen?
Jörg Wacker: Bevor wir eine Sperre aussprechen, nehmen wir mit dem Spieler Kontakt auf, um mit ihm eine Sperre auszuarbeiten. Würden wir die Sperre einfach aufzwingen, wäre das Risiko groß, dass der Spieler keine professionelle Hilfe aufsucht und stattdessen einfach in den Schwarzmarkt ausweicht, wo sich keiner darum kümmert, ob er geschützt wird. Ist ein Spieler allerdings uneinsichtig, sperren wir ihn natürlich auch gegen seinen Willen.
In der von Harvard durchgeführten Evaluierung der Spielsperre bei bwin haben sich Kunden im Bereich von deutlich unter einem Prozent einvernehmlich vom Spiel ausgeschlossen. Zusätzlich haben wir zu ihrem eigenen Schutz rund 0.01 Prozent der monatlich aktiven Spieler wegen dem Risiko von glücksspielbezogenen Problemen gesperrt.
Hochgepokert: Wie lange bleibt diese Sperre aufrecht?
Jörg Wacker: Alle von uns auferlegten Sperren bleiben unbegrenzt aufrecht. Bei freiwilligen Sperren kann ein Spieler beantragen, wieder zugelassen zu werden. Dies ist aber frühestens nach 6 Monaten möglich und dabei wird geprüft, inwieweit Hinweise darauf vorliegen, dass sich die Situation des Spielers geändert hat. Sollte der Spieler wieder zugelassen werden, wird ihm ein sehr niedriges monatliches Einzahlungslimit auferlegt und sein Spielverhalten, während einer sechsmonatigen Monitoring Phase genauestens überwacht.
Hochgepokert: Wie viele Kunden gelten als auffällig? Wie viele sind das in Prozent bezogen auf alle Kunden von bwin?
Jörg Wacker: Wenn ein Kunde durch problematisches Verhalten auffällig wird, lassen wir ihn nicht einfach weiterspielen, sondern handeln unverzüglich. Zum Beispiel indem wir mit ihm eine Selbstsperre einrichten und ihn über Hilfsangebote beraten. Allerdings gibt es Risikogruppen, die ihr Spiel zwar unter Kontrolle haben, für die allerdings ein erhöhtes Risiko besteht, diese Kontrolle zu verlieren. Nach Untersuchungen der Division on Addictions umfasst diese Gruppe rund ein Prozent der Nutzer von Sportwetten.
Hochgepokert: Wie wird man künftig mit der Problematik nach innen und außen umgehen, insbesondere unter dem Eindruck einer bevorstehenden Liberalisierung des deutschen Glücksspielmarktes?
Jörg Wacker: bwin setzt sich nachdrücklich für eine regulierte Öffnung des deutschen Glücksspielmarktes ein. Nur so ist es möglich, den Markt, in dem rund 90 Prozent der Umsätze bei Schwarz- und Graumarktanbietern gesetzt werden, einer staatlichen Kontrolle zu unterwerfen und Standards für Betrugs- und Spielsuchprävention zu etablieren.
Wir sprechen dabei immerhin von einem Markt, in dem alleine im Bereich der Sportwette 2009 in Deutschland insgesamt rund 7,8 Milliarden Euro umgesetzt wurden. Eine regulierte Marktöffnung ist die erste Voraussetzung dafür, dass überhaupt eine Regulierung mit Marktrelevanz im Bereich Spielerschutz greifen kann.
Im Übrigen ist bwin derzeit das einzige Unternehmen, das über ein Spielerschutzkonzept mit durch die Division on Addictions der Harvard Medical School wissenschaftlich geprüfter Wirksamkeit verfügt. Hier werden wir natürlich ansetzen und diesen Vorsprung noch weiter ausbauen. Denn für Konsumenten sind besonders im Internet Sicherheit und Vertrauenswürdigkeit zentrale Argumente.
Zudem zeigen wir in unseren Gesprächen mit der Politik auf, dass keine andere Angebotsform so gute Voraussetzungen für einen effizienten Spielerschutz bietet, wie das Internet, da man nicht unterschiedlichste Spieler über einen Kamm scheren muss, sondern tatsächlich jedem einzelnen Spieler genau das Schutzniveau geben kann, das er benötigt, um sicher spielen zu können. Diese Möglichkeiten wollen wir auch zukünftig umfänglich nutzen, um Spielern die sicherste mögliche Unterhaltungsplattform bieten zu können. Eine Liberalisierung des deutschen Glücksspielmarktes würde uns zudem die Möglichkeit geben, enger mit deutschen Forschungs- und Hilfseinrichtungen zusammenzuarbeiten.
Hochgepokert: Wie werden Sie ihre Strategien zur Spielsuchtprävention in der Öffentlichkeit kommunizieren?
Jörg Wacker: bwin zeigt bezüglich der Spielsuchtproblematik schon heute eine große Transparenz. Eine umfassende Responsible Gaming Website direkt auf unserem Spielportal bietet eine Vielzahl von wichtigen Informationen für die Spieler. Auch in unserer Forschungstätigkeit ist Transparenz der Schlüssel: Alle Ergebnisse werden der Öffentlichkeit in wissenschaftlichen Journalen mit Peer-Review zugänglich gemacht. Die Rohdaten auf denen sie beruhen, werden im Transparency Project (Link zur Homepage) zur kritischen Prüfung offengelegt.
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Hochgepokert: Gibt es konkrete Kampagnen, die man starten wird?
Eigentlich wären Aufklärungskampagnen ein Teil der Verantwortung des Gesetzgebers, gleichzeitig muss man sich eingestehen, dass die Spielsuchtprävention in Deutschland zurzeit nicht sehr engagiert betrieben wird. Dadurch gewinnen selbstregulatorische Eigeninitiativen zwangsläufig an Bedeutung. So arbeitet bwin seit Anfang 2010 zusammen mit anderen Stakeholdern aus Glücksspielindustrie, Regulierung, Wissenschaft und dem Hilfssektor im Rahmen eines Workshops des Europäischen Komitee für Normung (Link zur Homepage) an der Entwicklung von einheitlichen Spielerschutzrichtlinien im Internet. Diese werden voraussichtlich noch im Januar auch vom Deutschen Institut für Normung (DIN) auf dessen Website publiziert werden.
Dabei ist auch die Zusammenarbeit mit Sportverbänden von großer Bedeutung. In Zusammenarbeit mit dem Dachverband „EU Athletes“ wurde ein Code of Conduct für Sportler (Link zur Homepage) mitentwickelt, der diese über Risiken aufklären und glücksspielbezogene Probleme verhindern soll. Wir sind sicher, dass sich ähnliche Initiativen auch mit anderen Sportverbänden umsetzen lassen. Die aktuellen Vorkommnisse zeigen, wie dringend notwendig solche Initiativen sind.
Hochgepoker: Vielen Dank für dieses Gespräch.
Lesen Sie hier den ersten Teil des Interviews mit Jörg Wacker …
Lesen Sie hier den Kommentar von Götz Schrage …
Zur Person: Jörg Wacker studierte nach dem Abitur an der Universität Karlsruhe Literaturwissenschaften und Sport. Als freier Journalist arbeitete er Ende der 1990er Jahre für den Sport-Informations-Dienst. Wacker war in Berlin von 2001 bis 2003 als Programmdirektor für Bild T-Online tätig, ging 2004 als Geschäftsführer zur Sport1 GmbH und übernahm schließlich 2006 die Position des Direktors bwin-Deutschland. Der 43-Jährige ist bei dem Sportwettenanbieter verantwortlich für die Kommunikation am deutschen Markt und für die Lobbyarbeit auf politischer und gesellschaftlicher Ebene.