„Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat sieht in jedem Problem einen Nagel“ – Paul Watzlawick
Mir gruselt. Gut, dass mich das Leben nicht nach Utrecht verschlagen hat. Das Schicksal hatte schon so manche brutale Überraschung für mich bereit, aber der Turnierdirektor bei den „Dom Classics“ blieb mir dann doch erspart.
Ali T. in the house. Spieler rotten sich zusammen und drohen mit Streik und das Casino gibt nach. Eine peinliche Vorstellung. Fassen wir doch nochmals zusammen um was es da geht. Ali T. hat sich durch ein paar unglückliche Indizien in ein sonderbares Licht gerückt. Da darf er sich nicht beklagen, dass man dem eventuell nachgeht und die Vorfälle bei der WPT Barcelona und der Partouche Poker Tour näher beleuchtet.
Behörden ermitteln, wenn sie die Verdachtslage für ausreichend halten. Staatsanwälte klagen an und Gerichte sprechen Urteile. So strukturiert und normal läuft das ab. Und die Unschuldsvermutung gilt selbstverständlich und ist von dermaßen hoher gesellschaftlicher Relevanz, dass es sich dafür an jeder Stelle zu kämpfen lohnt.
Was ist nun in Utrecht passiert. Ali T. ist unverkleidet und ungetarnt dort aufgeschlagen, an seiner Seite sein Freund Kadir Karabulut. Ali T. hat das Turnier nicht gespielt, Kadir Karabulut sehr wohl und erfolgreich auch noch, bis zu dem Zeitpunkt als es – laut den Berichten der Pokermedien – zu einer Art Spielerrevolte kam und Kadir vom Turnier ausgeschlossen wurde. Angeblich wurde sogar mit Spielerstreik gedroht.
Schwache Leistung der Turnierleitung und eine Peinlichkeit sondergleichen des widerlich aufgeregten Pokermobs. Dass einem eine Freundschaft zum Verhängnis werden kann gehört zum Leben dazu. Auch wenn Ali T. bis jetzt in der Sache weder verurteilt, noch meines Wissens als Beschuldigter geführt wird, riskiert man als Spieler mit Ali T.- Nähe einiges an Reputation. Kadir Karabulut hat sich offen zu dieser Freundschaft bekannt und die Rechnung wurde ihm vom geifernden Mob gleich präsentiert. Traurige Sache. Dabei hätte es durchaus einen Anlass für Aufstand und Streik gegeben, immerhin wurde ein Teilnehmer des Bewerbes ohne Beweise ausgeschlossen, aber solange es ein Türke war wird es schon den richtigen treffen. So lautet wohl die Moral der unmoralisch Entrüsteten.
Bleibt da noch der unbekannte Fotograf, der wahrscheinlich keiner war, aber auch irgendwie sehr türkisch aussah. – Soweit pervertiert sich gewachsenes Recht wenn es nach der Meinung der Flamer und Hater im Internet geht. Zukünftig muss Nichtbekanntschaft und Nichtkennen bewiesen werden. Schwarzes Haar zu schwarzes Haar und man hat es ja schon immer gewusst. Beweisen sie bitte, dass sie diesen Mann nicht kennen, bevor Pokertunten wie Pieter de Korver zum Aufstand blasen.
Noch ein paar Worte zur Peinlichkeit der limitierten Journaillie. Erst die Sache verschlafen und dann die Quote entdecken. Eigentlich habe ich mich ja der internen Kollegenschelte verschrieben hier bei Hochgepokert. Meine Exkollegin von Pokerfirma will ich erst gar nicht durch Erwähnung adeln. Man ist ja auch Mensch und man hat vier Jahre zusammengearbeitet und überhaupt. Aber eine Bitte von der Ferne, nicht den Scheiterhaufen aufbauen, dem Leser die Zündhölzer in die Hand drücken und dann Entrüstung über die Kommentare zeigen. Das ist schmutzig, verlogen und ekeliger als jede Dschungelprüfung.
Ali T. hat in Utrecht einen Punktesieg eingefahren. Wie mit ihm und seinem Freund Kadir Karabulut umgegangen wurde wird von den wachen Geistern in der Szene nicht akzeptiert werden. Auch die schlimmsten Feinde von Ali T. schildern ihn als schlau (manche fügen dann noch das negativ besetzte „schlau und verschlagen“ hinzu). Wie auch immer, undenkbar, dass jemand der auch nur irgendwie „schlau“ ist, so ein Ding in Utrecht startet, wenn es gleichzeitig doch noch massiven Klärungsbedarf zur WPT und zur Partouche Poker Tour gibt. Was soll jemand treiben, der um großes Geld und Reputation kämpft, bei einem vergleichsweise kleinen Event überhaupt nur das geringste Risiko zu nehmen. Utrecht ist der Beweis dafür, dass es längst zu einer gefährlichen Hexenjagd geworden ist was mit Ali T. passiert. Ob die „Hexe“ in allen Belangen unschuldig ist, müssen die Behörden klären und die werden sich einen Dreck um die Bubis da draußen im Netz mit den schnellen Finger an der „Schuldig“-Tastatur kümmern und das ist gut so.
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Links: Der Utrecht Skandal – Interview mit Ali Tekintamgac und Kadir Karabulut