Als bekennender Fan der ersten Stunde tue ich mir schwer. Feinsinnige Differenzierungen waren nie meine Stärke und wer gelesen werden will, muss entweder Gescheites, oder Unterhaltsames in die Tasten klopfen. Für beides kann ich in dem Fall nicht garantieren. Die eben zu Ende gegangene Staffel German High Rollers hat sich sicher keine bösen Worte verdient, begeistern konnte ich mich allerdings an nur ganzen wenigen Stellen. Allerdings kann das auch an mir und meiner abgestumpften Wahrnehmung liegen. Vielleicht waren die ausgestrahlten Episoden grandios unterhaltend und spannend und ich habe es einfach nicht bemerkt. – Möglich wäre das immerhin.
Auch versprochene Rezension müssen erst geschrieben werden
Woche für Woche hatte ich mich im redaktionsinternen Chat freiwillig gemeldet. Als beste und spannendste deutsche Pokerseite können wir dieses populäre Format nicht einfach ignorieren. Noch dazu wo Ben Kang den Co-Moderator gab. Auch deutsche Koreaner haben Gefühle und wer will schon seinen Chef kränken in harten Zeiten wie diesen. Leider kam dann aber nichts von mir. Von Woche zu Woche gab es nichts als Vertröstungen und Ausreden. „Ich warte mal besser bis der Pascha kommt.“ „ich schreibe erst wenn sie Omaha spielen.“ „Das nächste Mal ganz sicher, das spielt mit Christoph Haller einer meiner besten Freunde mit. Da schreibt der Text sich quasi von alleine.“ – Texte schreiben sich niemals von alleine. Das war ein Bluff und ich wurde – im Wortsinn – bezahlt und muss jetzt die journalistischen Hosen runterlassen und das werde ich auch tun. Unter Protest selbstverständlich.
Höfliche Männer und die raren Momente der diebischen Freude
Acht höfliche Männer mit dicken Brieftaschen sitzen um einen gar nicht runden Pokertisch und spielen Karten. Mit Jetons und echtem Geld und wir dürfen zuschauen. Das Ganze appetitlich aufbereitet von Sport1, begleitet von einem fachkundigen und sympathischen Michael Körner. Soweit so nett, aber ohne Hermann Pascha nutzt das alles gar nichts. Wenn sich alle gut benehmen und man irgendwie jeden Proponenten gleich gut leiden kann, dann bleibt wenig Platz für Emphatie. Die kostbaren Momente des Mitfieberns beschränken sich auf die raren Situationen, in denen eine wirklich starke Hand von einem Trash-Call spätestens am Turn ernsthaft in Gefahr gerät. Das kennt man, das hat man gefühlte tausendmal erlebt und so kann man sich einerseits gefahrlos mit dem Favoriten identifizieren, um dann doch diebische Freude zu empfinden, wenn das passiert was die Unken am Tisch ohnedies schon vorher geahnt hatten. Soweit der therapeutisch wohltuende Teil der Sendung.
Der gute Eindruck zählt und seitdem Hermann Pascha alle Initiationsriten mit Bravour gemeistert hat, gehört er zum inneren Kreis. Aus dem unberechenbaren Raubtier mit dem Hang zum Beuteverlust wurde einer der respektierten Figuren im großen Pokertheater. Das ist irgendwie schön und irgendwie schade. Es fehlt der Feind in der Dramaturgie und ohne Feind gibt es keine Helden und ohne Helden plätschert alles so dahin. Wobei Hermann Pascha ist sich seiner Verantwortung bewusst. Es kommen immer noch salopp daher – nur das Augenzwinkern ist quasi hörbar und signalisiert unser aller Pokerpascha ist gar kein wirklich böser Mensch. Er tut nur ein klein wenig so als ob. Und in der kernkompetenten Paradedisziplin der frauenfeindliche Witze kann Hermann Pascha zwar weiterhin glänzen, alleine es fehlt die attraktive – und hoffentlich wehrhafte – Zielperson. So gesehen ist Pascha ohne Naujoks wie Sonny ohne Cher oder Hazelwood ohne Nancy Sinatra. – Irgendwie halbiert. Eine Katja Thater wäre auch großartige für eine der nächsten Staffeln. Ein böser Blick und so mancher würde doch glatt unter der Solariumbräune erblassen.
Mitten im Leben – Von RTL lernen
Interessant auch mit welcher Konsequenz die German High Roller gegen die zeitüblichen Gesetze des Privatfernsehens antreten. All diese Formate aus dem Bereich der „Reality Soaps“ verdanken ihr plattes Leben der Überhöhung. Die Tochter arbeitet als Messehostess, der Sohn zieht mal gerne eine Tüte und die Mutter hat irgendwann vor zwanzig Jahren im Vereinsheim an einem Bauchtanzabend teilgenommen. Mehr braucht es gar nicht für die findigen RTL2-Regisseure. Aus dem Kiffer wird ein Crackraucher, aus der Messehostess eine Edelprostituierte und die Mutter packt den Bauch aus und tanzt sobald die Kamera auch nur in der Nähe ist. – Nichts ist wirklich wahr und nichts ist wirklich völlig erfunden. Es wird alles maximal überhöht und macht es so erst irgendwie erträglich und irgendwie auch spannend zum ansehen.
Die freie wilde Wildbahn
Das Absurde an den German High Rollers ist die dramaturgische Reduktion. In der Realität ist Poker um großes Geld viel, viel spannender und blutvoller – selten im Wortsinn wohlgemerkt. Es wird geflucht, gedroht und laut gelacht. Es werden hunderte Zigaretten geraucht und dutzende schlüpfrige Geschichten erzählt. Weder Leitkultur noch Leitsprache am Tisch ist in der Regel deutsch und wenn nicht jede Stunde ein zerstörtes Deck den Tisch verlässt, ist Friedenstag im Casino. Ob das jetzt ein Markus Lehman ist, ein Christoph Haller, ein Michael Keiner oder gar ein Markus Golser. Jeder von denen besteht in solchen Partien getragen von jener natürlichen Autorität, die man nicht im Gambler Store bestellen kann. Und – ohne ihn persönlich zu kennen – auch um einen Sascha Biorac mache ich mir mal keine Sorgen, der hat dieses grenzgeniale missmutige Pokerface, mit dem man weder rechts noch links vom Balkan groß aneckt in der Regel.
Nichts scheint nach Cash Kings wie früher
Natürlich stehe ich jetzt schnell im Verdacht, die German High Rollers runterzuschreiben, um dann quasi unser hauseigenes Format das „Cash Kings“ hochzuloben. Weit gefehlt und ganz sicher nicht meine Absicht. Was bei uns auf Hochgepokert.com demnächst wieder läuft ist einfach höchst unterhaltsames Poker und nichts bekommt mich dann vom Monitor weg bis die letzte Karte gedealt ist. Aber wir sind nur im Netz – also ein Format für pokeraffine Liebhaber. Die German High Rollers haben da einen ganz anderen Stellenwert. Die Sendung läuft immerhin auf Sport1. Einem Sender, der sonst über all die anderen seriösen und gesellschaftlich akzeptierten Sportarten berichtet. Wenn Poker jetzt also zwischen Ski Langlauf und Bundesliga Nachberichterstattung läuft, dann kann es nicht so satanisch und böse sein, wie es uns das Ordnungsamt glauben machen möchte. Damit haben die „German High Roller“ neben der „TV Total Pokerstars.de Nacht“ enorme Verdienste, wenn es darum geht, den Stellenwert von Poker in Deutschland zu verbessern. Da verzichte ich als Zuseher und auch als erlebnishungriger Rezensent auf die eine oder andere Pointe. – Im Stillen wünsche ich mir natürlich mehr Esprit für die nächste Staffel, oder zumindest einen ebenbürtigen (weiblichen?) Gegner für unseren Herrn Pascha. Markus Lehmann sagte in einer der letzten Hände: „Denk an deine Fans, Hermann!“ und Hermann Pascha hat dann brav bezahlt und ungerechterweise nicht gekauft – wenn mich meine Erinnerung jetzt nicht trügt. Egal eigentlich, auf was ich hinaus will. Betrachten wir die letzte Staffel als gelungene Lobbyarbeit für Poker in Deutschland und schließen wir uns Markus Lehmann an und richtigen unseren Appell an die Sendungsverantwortlichen: „Denkt an eure Fans!“ und macht die German High Rollers wieder ein wenig spannender und ein klein wenig schmutziger. Dankeschön.
G.Schrage
Wenn ihr wissen wollt, worüber Götz hier schreibt: Die neueste Folge der German High Roller könnt ihr euch hier ansehen.