CCC Vienna Spring Open Short Handed Event – den anderen geht es um Geld. Ich habe eine Mission zu erfüllen. Geld ist uninteressant, das kann man sich immer noch ausleihen. Es geht um die Ehre und es geht um Hendon Mob. So viel sei vorab verraten. Ich habe meine Mission ein klein wenig erfüllt, aber kein Grund wirklich stolz zu sein. Nur halb stolz und das bin dann auch in der gegebenen Bescheidenheit.
Jeder kennt ihn. Kaum einer mag ihn. Er versteckt sich hinter Namen wie SchallundRauch, OpaAufPoka, sur oder Mark Rößler. Sogar meiner Frau sind seine diversen Alias-Namen geläufig und das ist für die weitere Geschichte noch wichtig und für mich sowieso. Mark Rößler habe ich seit meinem ersten Text an der Backe. Jahrelang hat er mich mit Tiraden von Kommentaren gequält. Als erkenntnisresistenter Dauerquereler wurde ich verfolgt und gepiesackt. Nur inzwischen haben wir uns quasi facebookmäßig angefreundet. Eine liebliche Variation des Stockholm Syndroms. Verbrüderung im Geiste von Täter und Opfer und ich bin ungern Opfer und habe da wenig Routine. Kürzlich knallte mir Schallrundrauch aka Mark Rößler im Chat etwas Ungeheuerliches um die Ohren. Irgendein verpisstes Turnier in Hannover und Mark am Finaltisch. Macht 1248 Euro (die ich ihm gönne) und einen zweiten Eintrag bei Hendon Mob (für den ich ihn eben hasse).
Short Handed Event. 79 Spieler am Start. Nicht viel für diese traditionelle Turnierwoche im Wiener CCC, aber gut für mich. Gerade mal fünf Turniere in zwanzig Jahren werde ich gespielt haben aus der Güteklasse der gelisteten Hendon Mob Events. Ich war nie ein Turnierspieler, aber ich war immer stolz auf meinen einen Eintrag aus dem Jahre 1998.
Damit ist mein Name für alle Zeiten eingebrannt in die pokerhistorischen Annalen und vielleicht bringe es noch zur 10.000.000-Euro-Frage im Jahre 2150. Dann fragt der Urenkel von Günter Jauch nach dem 17. Platz des Vienna Spring Opens von 1998 und die richtige Antwort ist dann „Gotz“ Schrage, weil Hendon verweigert die fliegenden Pünktchen über den Vokalen. Martin Kläser und Jens Vörtmann wissen das auch.
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Man lässt mir die Wahl. Raucher oder Nichtraucher. Mir ist alles recht, will in mein Schicksal nicht eingreifen und werde deshalb von selbigen böse bestraft. Mein Glück wünsche ich meinem schlimmsten Feind nicht. Ich sitze direkt in der Einzugsschneise der gesamten Casinogastronomie. Ob von rechts nach links oder von vorne nach hinten. Drei Fluglotsen könnten den Verkehr nicht regeln. Alle sind freundlich, alle bringen mir alles, was ich bestelle, schnell und höflich, aber alle stoßen an meine Lehne oder streifen meinen Rücken oder stolpern über meine Stuhlbeine. Es ist zum verzweifeln. Mir gegenüber an der Wand hängt ein Plakat definitiv schräg. Ich hätte eine kleine Wasserwaage dabei (ich habe immer eine Wasserwaage dabei), aber ich will nicht auffallen und leide still und heftig.
Bei mir am Tisch sitzt Kai Kassebaum, der Sieger vom 500 Euro NLH Event. Ein netter Junge, dem wahrscheinlich die Freundin die Haare schneidet. Er hat ein schwarzes Electric Wizard T-Shirt an. Unter dem Schriftzug dieser zu Recht vergessenen Metall-Band ist ein Sarg und genau da hätte ich ihn auch beinahe hingelegt. Für immer selbstverständlich und aus gutem Grund ebenso selbstverständlich. Immer wenn Kai dran ist und setzen möchte – und bei einem Short Handed Turnier ist man oft dran und Kai möchte oft setzen – steigt mein Blutdruck in gefährliche Höhen.
Variante 1: Kai nimmt mit der linken Hand drei bis sechs Jetons, übergibt sie der rechten Führungshand und lässt die Jetons dann spitz und senkrecht aus circa 60 Zentimeter Höhe in die Tischmitte fallen. Die tun dann was sie tun müssen und springen in alle Richtungen gleichzeitig und der Dealer muss schauen, wie viele er fangen kann.
Variante 2: Kai nimmt mit der rechten Hand besagte drei bis sechs Jetons. Wechselt wieder listig diesmal zur linken Hand und lässt sie über die dem Dealer zugewandte Innenhand ohne Vorwarnung in den Pot tröpfeln.
Fünf Stunden schaue ich mir das an. Eine Stunde mehr und ich wäre im Gefängnis gelandet. Kai Kassebaum scheidet durch einen Bad Beat aus und weiß gar nicht, wie viel Glück er damit hatte.
Mich beschleicht das Gefühl der Schwäche. Nur tight ist sicher nicht right. Ich habe keine Ahnung und an dem Abend kein Herz. Hangel mich von Limit zu Limit und esse vor Verzweiflung drei Hauptspeisen. Kellner rufen brauche ich keinen. Jede Minute rempelt einer an mir vorbei und den nettesten halte ich dann kurz fest. Das System funktioniert gut. Mein Tisch wird heimeliger. Immer mehr Ungarn scheiden aus und werden durch Österreicher ersetzt. Wie in der alten Monarchie irgendwie. Man ist freundlich zu mir. Ich lobe eine Lokalrunde aus für den Fall, dass ich ins Geld komme, und kündige an sämtliche Zechen der Anwesenden zu bezahlen. Noch sind wir 30 Spieler und keiner glaubt an mich. Als wir bei fünfzehn Spielern angelangt sind, überlegen die Ersten sich ein Filetsteak zu gönnen. Ich hätte es gerne bezahlt.
Zurück zu meiner Frau und zurück zu meiner Mission. Ich habe ja fantastisch geheiratet vor vier Jahren. Die beste Frau, die mir je passieren konnte und so vernünftig auch noch. Allen Unarten meines früheren Lebens musste ich abschwören. Nicht mehr drohen, möglichst nicht mehr bedroht werden. Meine einzigen Waffen sind mein neurotischer Zwergenhund und die Telefonnummer von Hermann Pascha. Einmal hat meine Frau – noch in alten Pokerfirma-Zeiten – die Kommentare von Mark Rößler aka SchallundRauch gelesen unter einem meiner Artikel. Da hat sich mich auf die Seite genommen und gemeint: „Such den Bastard. Mach ihn platt und vergrabe ihn irgendwo. Ich erlaube es dir und warte auf dich. Zwölf Jahre, wenn es sein muss.“
Nun, wir haben uns ja wie erwähnt irgendwie arrangiert und fast fühle ich mich schon ein wenig geschont und das macht mich auch wieder wütend irgendwie. Das mit seinem zweiten Hendon Mob Eintrag war dann doch wieder ein wenig Benzin ins Feuer. Im CCC habe ich dann meinen Kampfgeist entdeckt und wollte es wirklich schaffen ins Geld und auf den Finaltisch und so. Was soll ich sagen, es hat nicht ganz gereicht fürs kleine oder große Geld.
ABER so unglaublich es klingen mag, auch der 13. Platz scheint zu reichen. Aus Gründen, die ich nicht wirklich verstehe, habe ich es in gewisser Weise geschafft. Meine Platzierung ist auf meinem Hendon-Konto geführt. Dass es kein Geld gab, scheint die Jungs nicht zu interessieren. Am kommenden Wochenende bin ich dabei. Das Vienna Spring Open muss bezwungen werden und ich will auch einen richtigen Eintrag mit Geld und so. Sollte mir das gelingen, gibt es selbstverständlich die ausgelobte Lokalrunde. Auch wenn das Preisgeld nicht reicht. Ich stecke genug ein vorher. Sicherheitshalber.
G. Schrage