Pokerstars sucht das PokerAss – Die fantastische Feinmotorik der Sandra Naujoks – Mein Bartwuchs

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Das Fässchen mit der Salzsäure heute nicht parat? Ist es der Frühling, ist es der Charme der Sandra Naujoks, oder ist es einfach eine abgebrühte Strategie des Überlebens? Unsere Medienwelt spült uns täglich so viel an menschlichem Unrat auf den Bildschirm, da fällt mir die Entrüstung auf Knopfdruck auch als Berufsschreiber schwer. Ein kurzes Fazit für den eiligen Leser in Anlehnung an Godfather Fassbinder: Nicht Pokerstars sucht das PokerAss ist pervers, schlecht und menschenverachtend, sondern die Fernsehwelt, in der wir leben.

Abgesehen davon habe ich mich gut amüsiert und glaube auch tatsächlich, dass Poker in Deutschland wieder einen kleinen Schritt hin zur Akzeptanz gemacht hat gestern Nacht. Wenn Floorman Machiavelli nur ein klein wenig Recht hat, dann heiligt nicht nur der Zweck die Mittel, dann rechtfertigen eben auch sechzig Minuten Fernsehfolter die Legalisierung von Poker in Deutschland. Da sind wir seit der historischen Erstausstrahlung von gestern Nacht wieder einen großen Schritt näher dran, wie ich glaube.

Millionen Fernsehzuseher sind ab jetzt Zeuge: Pokerspieler sind keine verkappten Kriminellen mit Hang zur Selbstzerstörung, sondern genau so harmlos wie der peinlichkeitsbefreite Rest der Menschheit. Gibt es eigentlich Pillen gegen Kulturpessimismus oder heilt sich das von selbst aus? Vielleicht hilft ja die tägliche Dosis RTL und Pro7 … Ich werde es tapfer versuchen.

„PokerStars sucht das PokerAss“ ist professionell aufgezogen. Das muss man den Machern zugestehen. Es gibt einen Haufen Kandidaten mit übersteigertem Ego, die zu allem bereit sind und in jede Kamera, die man ihnen vor die Nase hält, aufgeregte Sätze sagen wie: „Ich will das hier gewinnen.“ Dann gibt es also formattechnische Notwendigkeiten einer Castingshow selbstverständlich: Die Jury. Quasi das oberste Erziehungsorgan. Herr beziehungsweise Herrin über das Wichtigste im Leben. Und überhaupt, darf ich in die nächste Runde kommen oder gehen die Lichter der Bedeutung für immer aus und ich muss zurück zum nächsten Arbeitsamt.

Die Jury hat einen euphemistisch formuliert unbestrittenen Fachmann. Quasi den Quotenbohlen. Der heißt Thomas Lamatsch. Dann strahlt die wunderbare Sandra Naujoks, die mich jedes Mal aufs Neue daran ermahnt mich über den historischen Mauerfall zu freuen. Und schließlich aus der unvermeidlichen Kategorie der „D-Promis“ eine gewisse Sophia Thomalla, die es in sechzig Minuten nicht einmal schafft ihr tätowiertes Unterärmchen auch nur halbwegs natürlich zu koordinieren – Amy Winehouse kann das in jedem Zustand grandios.

Der Medientheoretiker Peter Weibel bemerkte kürzlich so treffend, dass heute kaum ein junger Mensch noch an Bildung als Vehikel zum gesellschaftlichen Aufstieg glaubt und glauben kann. Wörtlich zitiert: „Casting-Shows sind die Universitäten für Aufsteiger.“ Und diese „Aufsteiger“ werden im Privatfernsehen von zynischen Redakteuren begleitet und unterstützt. Da hören wir mit Markus etwa einen der Kandidaten, der als Beruf „Stuntman“ angibt und in einem brennenden Mantel durch einen abgefuckten Hinterhof läuft, den Satz sagen: „Beim Pokern fackle ich nicht lange“. Und man weiß als Journalist jetzt nicht wohin mit dem emotionalen Stau. Soll man weinen, soll man lachen, oder soll man doch ein ganzes Magazin auf den HD-Fernseher verballern, nur um dieses Bild wieder aus dem Kopf zu bekommen.

Ein tadelloses „Burleske-Modell“ zeigt ihren ebenso tadellosen linken Busen – der rechte ist wahrscheinlich auch schön – und natürlich sitzt sie am Ende im Privatjet. Einen angeblichen Lehmann Brother Mitarbeiter, den man wahrscheinlich als neoliberales Quotenarschloch engagiert hat (obwohl jetzt da in der FDP wohl auch wirklich prominente Kaliber bald Zeit hätten), muss so tun, als ob er ohnedies Geld hätte, und hofft wahrscheinlich inständig darauf, dass der Kantinenwagen bald vorfährt.

Bennie ist auch dabei. Er hat schon Erfahrung im Business. Nicht etwas beim Pokern (wozu auch?), sondern als Kandidat bei DSDS – quasi mit großer Bohlenprüfung. Einen gewissen Jens werden wir nächste Woche auch wiedersehen. Kategorie, ich mache alles, was mich ins Fernsehen bringt. Ob Big Brother, Ballermann, und wenn es sein muss, lutsche ich auch an der großen Zehe von Jürgen Drews.

Jens ist übrigens der letzte Kandidat, der in den Privatjet nach L.A. steigen darf. Das übliche Muster, zwei Kandidaten ein Ticket – nur an den Händen halten wollen sie sich noch nicht (kommt wahrscheinlich noch, weil der notwendige Quotenschwule lauert sicher irgendwo). Aber zurück zum Bild. Alex und Jens stehen vor der allmächtigen Jury. Hintergrundmusik, Taschentücher in Bereitschaft und alles Kameramänner halten auf die beiden Gladiatoren. Jens gewinnt, umarmt jeden, der sich nicht rechtzeitig in den Tower retten kann und sagt folgenden Satz: „Ich dachte, ich bin raus. Als Letzter stehe ich vorne. Alex ist superhübsch. Sieht gut aus. Kann gut reden. Bartwuchs! Alles.“

Da habe ich dann abgedreht. Obwohl ich auch gut reden kann, irgendwie superhübsch bin und vor allen Dingen einen erstklassigen „Bartwuchs“ nachweisen kann. Aber ich werde wieder einschalten. Nächste Woche. Versprochen!

Und ich werde mich auf die fantastische Feinmotorik der Sandra Naujoks konzentrieren. Wie sie das Kinn senkt, wie sie den Blick hebt und wie sie die Lippen schürzt. Und ich werde glücklich sein und gespannt.

Und wenn der Herrgott und Pro 7 nur ein einziges Mal auf mich hören wird es eine weitere Staffel geben und da sitzt dann Udo Gartenbach neben Sandra und Ziigmund in der Jury und alles wird gut.

Ich danke, ich gehe jetzt duschen. So heiß ich kann und mit doppelt Seife und dann wird es mir besser gehen und wenn nicht bleibt mir immer noch Richterin Salesch. Das Fernsehleben ist schön.

G. Schrage

Informationen über die Casting-Show finden Sie in den Artikeln „Das PokerStars.de Ass” startet auf ProSieben“ und „Das PokerStars.de Ass: Casting-Show startet mäßig“ sowie in der aktuellen Sendung von PokerToday – Pokerstars sucht das PokerAss!

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