Vielen Dank für die Berichterstattung und das Interview von Hochgepokert.com und die rege Diskussionsbeteiligung der User. Im Folgenden werde ich einige offen gebliebene Fragen zu der Studie „Der Markt für Onlinepoker: Spielerherkunft und Spielerverhalten“ beantworten und sie etwas in den Gesamtkontext von Onlinepoker einbetten.
Der Beitrag gliedert sich dabei in drei Teile. Zunächst erläutere ich unsere Studie zum Markt für Onlinepoker, um aufzuzeigen, was wir analysiert haben und was außerhalb des Fokus stand. Im Anschluss gehe ich auf die Thematik Poker und Sucht ein. Der dritte Teil des Beitrages beschäftigt sich mit der Skill-Chance-Debatte beim Poker.
Die Studie: „Der Markt für Onlinepoker“
Die von meiner Kollegin Ann-Christin Wilcke und mir verfasste Studie „Der Markt für Onlinepoker: Spielerherkunft und Spielerverhalten“ ist der Abschlussbericht des gleichnamigen Forschungsprojektes, das bei uns am Institut für Recht der Wirtschaft, Arbeitsbereich Glücksspiele, der Universität Hamburg durchgeführt wurde. Die Idee zu der Studie ist etwa drei Jahre alt. Ich hegte die These, dass das deutsche Verbot von Onlinepoker nicht durchgesetzt wurde. Doch obwohl der Pokermarkt inzwischen ein Milliardenmarkt geworden war, fehlte es an verlässlichen Daten über die Größe der nationalen Märkte.
Der Bedarf an einer Studie über den Onlinepokermarkt war also gegeben. Eine Studie in dieser Größenordnung ist ohne Auftraggeber jedoch nicht möglich. Und die Stadt Hamburg, die durch den Glücksspielstaatsvertrag dazu verpflichtet ist, Mittel für Glücksspielforschung zur Verfügung zu stellen, hatte reges Interesse an unserem Forschungsprojekt. Die Stadt Hamburg förderte also die Studie. Sie nahm jedoch keinerlei Einfluss auf unsere Vorgehensweise oder die Ergebnisse. Bei Studien im Auftrag der Industrie sieht dies hingegen oft anders aus.
In einer vergangenen Studie zum Einfluss des Geschicks beim Poker (dazu später mehr) hatten wir Hand Histories als Datenbasis verwendet. Leider wird dort jedoch nicht die Nationalität der Spieler aufgeführt. Unsere aktuelle Studie konnten wir daher nicht auf Hand Histories stützen.
Wir haben daher den unabhängigen Marktbeobachter Pokerscout beauftragt, uns eine Software zu programmieren, die in den Lobbys verschiedener Pokeranbieter die Spieler und ihre Nationalität an den einzelnen Tischen aufzeichnet. Dies geschah über sechs Monate im 5 bis 10-Minuten-Takt. Auf diese Weise können wir nicht nur angeben, wo die Spieler herkommen, sondern ebenfalls wie oft und wie lange sie gespielt haben, welche Pokervariante, an wie vielen Tischen gleichzeitig und auf welchen Limits. Nicht aufzeichnen konnten wir jedoch die Hand Histories und daher auch nicht die Geldströme zwischen den einzelnen Spielern.
Kürzlich haben wir den Abschlussbericht des Forschungsprojektes abgeschlossen und ihn als Buch veröffentlicht. Natürlich sind wir an einem regen Interesse der Medien interessiert und haben uns daher entschlossen, über die Uni Hamburg eine Pressemitteilung herauszugeben. Der Weg vom Forschungsergebnis zur Berichterstattung ist jedoch lang und der „Stille-Post-Effekt“ entsprechend groß.
Zunächst werden die Forschungsergebnisse bereits komprimiert in den Bericht eingebracht. Von dort aus schafft es ein Teil der Ergebnisse in Kurzform in den Entwurf einer Pressemitteilung. Diese wird dann noch einmal redaktionell überarbeitet, um den Neigungen der Berichterstatter besser zu entsprechen. Im Anschluss folgte ein Anruf von der dpa (Anm.: Deutsche Presse-Agentur) für ein kurzes Telefoninterview. Dabei wurde der Fokus der Studie verlassen und sie in den größeren Kontext „Onlinepoker“ gesetzt. Aus dem dpa-Interview wurde dann ein verdichteter Text zusammengestellt. Und dieser Text wird von den meisten Berichterstattern als Grundlage für ihre Beiträge verwendet.
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Es gibt also eine Vielzahl an Schritten zwischen Forschungsergebnis und Berichterstattung. Und bei jedem Schritt spielt ein leicht unterschiedliches Interesse mit hinein. Entsprechend bin ich sogar erstaunt, dass die Berichterstattung über die Ergebnisse am Ende nicht vollständig verzerrt war.
Im Endeffekt bestanden lediglich zwei Fehlinterpretationen. Zum einen, wie bereits oben erwähnt, haben wir keine Hand Histories als Datenbasis verwendet, sodass wir auch keinen Geldfluss zwischen den Spielern betrachten konnten (auch wenn das natürlich wünschenswert gewesen wäre). Das größere Missverständnis erfolgte jedoch durch mein Zitat in der dpa Meldung: „Alles deutet darauf hin, dass Onlinepoker zu den Spielen mit dem größten Suchtpotenzial gehört“.
Diese Aussage ist zwar richtig, hat mit der Studie allerdings nichts zu tun. Die Studie hat lediglich das Marktgeschehen untersucht. Die Aussage kam zustande, weil die Studie in den Gesamtkontext „Onlinepoker“ gebracht wurde. Aufgrund der Brisanz dieser Aussage gehe ich auf den Zusammenhang zwischen Sucht und Onlinepoker im 2. Teil des Gastbeitrags näher ein.
Anmerkung der Redaktion: Um eine weitere gezielte Diskussion über den Themenkomplex und die Studie zu ermöglichen, wurde der Gastkommentar von Ingo Fiedler in die drei oben genannten Bereiche Studie, Poker und Sucht sowie Skill-Chance unterteilt.
Der Markt für Onlinepoker: Ingo Fiedler antwortet den Lesern von Hochgepokert.com (Teil 2)
Der Markt für Onlinepoker: Ingo Fiedler antwortet den Lesern von Hochgepokert.com (Teil 3)
Lesen Sie auch: Deutschland zweitgrößter Markt für Onlinepoker! und Der Markt für Onlinepoker – Ingo Fiedler im Exklusiv-Interview!