Eigentlich rege ich mich im Dienst niemals auf. Bad Beats im Leben kann man im Puff erzählen oder dem Therapeuten. Den geschätzten Leser darf man damit nicht behelligen und schlussendlich langweilen. Allerdings, keine Regel ohne Ausnahme. Ein persönlicher Ärger mit der Firma Neteller hat mich dazu gebracht meine innersten Gedanken zum Thema „Globalisierung und warum kann man virtuelle Gegner nicht verprügeln?“ aufzuschreiben. Ich entschuldige mich vorauseilend für meine emotionalen Zeilen.
Ich bin so was von wütend. Keine Zeit für feine Klinge und zarte kleine Spitzen. Heute lasse ich dem Hass freien Lauf und schreibe zur Abwechslung mal ungefiltert die bösesten aller Gedanken. Ich hasse die Globalisierung und all die Gangster, die sich erst die Taschen voll machen, um dann von dämlichen Gesetzen gut geschützt in irgendwelchen Löchern zu verschwinden. Ich hasse diese neoliberalen Arschlöcher, die Moral und Korrektheit für eine charakterliche Schwäche halten und ihre Verbindlichkeiten nur begleichen, wenn es billiger ist, als den Umweg über Konkurse und Auffanggesellschaften zu nehmen. Ich hasse die dümmlichen Gesetzgeber und noch dümmeren Gewerkschaften, die nicht verstehen mit der Zeit zu gehen und den perfiden Strategien der „Global Player“ um Jahrzehnte hinterherhinken. Und ich verachte all die Arbeitnehmer und Konsumenten – und somit auch mich selber – die sich das alles gefallen lassen.
Früher war eine Firma eine Firma. Da gab es eine Adresse und einen oder manchmal mehrere Besitzer. Jedenfalls gab es ein Büro und man konnte mit seinem Anliegen vorstellig werden, oder zumindest beim Portier lautstark seinen Unmut kund tun. Zumindest bis der grimmige Sicherheitsdienst im Schneckentempo seiner Aufgabe nachkam. Danach hatte man sein Ziel erreicht, oder fühlte sich zumindest ein wenig erleichtert. Als Arbeitnehmer durfte man sich auf über Jahrzehnte gewachsene Strukturen verlassen. Hatte ein Unternehmen eine gewisse Größe, dann gab es einen Betriebsrat und manchmal auch einen Stellvertreter. Gesetzlich geregelt und in geordneten Bahnen. Bei meiner letzten größeren Anstellung hätten wir die gesetzlich verpflichtende Mitarbeiterzahl bei weitem überschritten. Es gab zweifelsfrei einen Boss, der das sagen hatte und dem das Unternehmen ebenso zweifelsfrei gehörte. Trotzdem bestand es – der Globalisierung sei Dank – eigentlich aus acht verschiedenen Firmen. Lauter windige Kapitalgesellschaften auf noch windigeren karibischen Standorten mit üblen CEOs und noch übleren Anwälten. Von Kontrolle oder Rechten keine Rede. Jeder Arbeitnehmer, der auf die Idee käme zu klagen, bräuchte trotz rechtlicher Vertretung wahrscheinlich ein Jahr, um den Gerichtsstandort zu klären und bis dahin ist die Firma viermal in den Konkurs geschickt und auf einem anderen Standort neu eröffnet.
Kürzlich bekam ich einen Brief von Neteller. Meine „current balance“ betrage 340,21 und um das Geld nicht zu verlieren, müsse ich mein Konto reaktivieren. Keine leichte Sache und nicht ganz unkompliziert, aber ich habe es in der vorgegebenen Zeit erledigt. Jetzt habe ich zwar das Geld nicht, aber dafür meinen Krieg mit Neteller. Keine Ahnung wo die sich gerade verstecken. Hätte ich in meiner Garage statt einem rostigen Fahrrad einen betriebsfähigen Stealth Helicopter, würde ich mich schon auf den Weg machen. Zumindest ein wenig brüllen und an Türen schütteln muss man doch noch dürfen. Dann hat man zwar sein Problem auch nicht gelöst, fühlt sich aber nach meiner Erfahrung bedeutend besser. Hätten die ein Büro, hätte ich jetzt eine Vorstrafe oder mein Geld. Da gibt es nichts dazwischen. Es geht zwar „nur“ um 340,21 E, aber mir geht es auch ums Prinzip. Auf Mails wird nicht geantwortet. Wenn man beim telefonischen Support anruft, muss man erst seine Account Nummer eingeben, bevor man verbunden wird. Dann kommt in meinem Fall ein Tonband, das mich darauf hinweist, dass mir kein telefonischer Support zusteht. Der Online-Support ist „momentan“ nicht verfügbar und das seit sechs Wochen. Seitdem ich meinen Account reaktiviert habe ist meine „balance“ 0.00.-E. – Vielleicht hätte ich es machen sollen wie Isaac Haxton. Der hat ja angeblich seine $300.000 auf UB/Absolute Poker zu 20 Cent pro Dollar angeboten. Für mein Neteller Guthaben würde ich den Deal auch sofort machen. Bleibt nur die komplizierte Frage zu klären, wie viel sind 20% von Nichts und was kann ich mir dann dafür kaufen?
G.Schrage