Zu meiner Mutter habe ich ein tadelloses Verhältnis. Woody Allen und mein Therapeut haben mir das ausdrücklich bestätigt. Manchmal allerdings ist sie ein wenig überbesorgt. Eine kleine Notiz über den „Black Friday“ in einer seriösen Wirtschaftszeitung und schon läutet mein Handy. Schließlich will sie ja wissen, ob der Sohnemann die Raten der Rechtsschutzversicherung bezahlt hat (habe ich nicht!) und ob sie in mütterliche Sorge damit rechnen müsse, mein Konterfei zeitnah auf den FBI Fahndungsseiten zu sehen. Ich habe dann am Muttertag keines meiner geliebten und gebügelten Pokerstars-Hemden angezogen. Quasi als kleine deeskalierende Maßnahme.
Von meiner Tätigkeit für Hochgepokert.com habe ich ihr erst gar nichts erzählt. Meine Mutter glaubt, ich würde immer noch Drogen vor Mädchenschulen verkaufen und das ist mir auch lieber so. Apropos „Drogen“, was für unkontrolliert vergorene Früchte sind denn beim Veganer Daniel Negreanu am Speiseplan gestanden. Daniel Negreanu, der als rumänisch stämmiger Kanadier im juristischen Drittweltland USA lebt, twittert und mobbt was das Zeug hält. Im Fokus seiner selbstgerechten Erregung diesmal Ali Tegintamgac. Es werden ungefiltert die üblichen Vorwürfe übernommen.
RealKidPoker: „Ali Tekimtamgac who was caught cheating in Partouche is in WPTChamp I called him out, and floor told ME I can’t do that! When will we learn.“
RealKidPoker: „Bellagio/WPT should absolutely not allow this person in the event. He was caught red handed cheating and should be banned. This is absurd.“
RealKidPoker: „The cheater just threatened Scott Siever the floor was alerted and won’t do anything about it. Physical threat, he should call the cops.“
Kaum habe ich mich mit der doch recht forschen Leserschaft dieser wunderbaren Seite so halbwegs versöhnt, geht das Theater jetzt wieder los. Wenn ich mich auch nur ein klein wenig für Ali T. in die Schlacht werfe, riskiere ich aufs Neue meine ohnedies bescheidene Reputation und mobilisiere dutzende Daumen, die böse nach unten zeigen. Aber egal, wo bitte kann man sich den nächsten blutigen Kopf holen? – Das war immer schon mein Motto und im Sperrfeuer der üblen Kommentare kenne ich mich wenigstens aus. Es geht auch gar nicht darum, ob ich Ali T. für schuldig oder unschuldig halte. Es geht darum, dass Ali T. in der vorgeworfenen Causa nach meinem Wissensstand in keinem Land der Welt als Beschuldigter geführt wird. YouTube ersetzt kein Strafverfahren und getwitterte Panikmache ersetzt keine ordentliche Beweisführung. Abgesehen davon, bezweifle ich die von Daniel Negreanu verbreitete „Drohung“. Schon alleine aus Kenntnis um die limitierten Englischkenntnisse von Ali T. – Die „cops“ würde ich in den USA wirklich nur in absoluten Notfällen rufen. Dass das übel ausgehen kann, dazu braucht es keine dünnen Meldungen auf ebenso dünnen Newsseiten.
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Vieles ist möglich und vielleicht war es da ja tatsächlich so bei der Partouche Poker Tour wie viele vermuten. Nur, spielt das keine große Rolle. Wir haben zwar in Europa keineswegs das perfekte Rechtssystem, aber Generationen von Juristen und Volksvertretern haben sich bemüht und diesen Wert gilt es Gottverdammt hochzuhalten und dafür werde ich immer kämpfen und schreiben so Lange man mich lässt. Wenn Ali T. möglicherweise etwas Unrechtes getan hat und man ihn dafür nicht einmal anklagt, dann muss man selbstverständlich trotzdem darauf reagieren und die Sicherheitslücken schließen. Ihn aber jetzt auf reinen Verdacht von einem Event auszuschließen, für dass er sich nun mal qualifiziert hat, wäre nicht möglicherweise unkorrekt, sondern zu 100% Unrecht und das sollte gerade ein Daniel Negreanu respektieren. Über viele prominente Pokerspieler wird in Kollegenkreisen genug gemunkelt und gemutmaßt und das ignoriere ich selbstverständlich ebenso. – Und zurück zu meiner Mutter. Würde ich die fragen, wen ich demnächst zum sonntäglichen Mittagessen mitbringen soll Ali T., von dem manche sagen, dass ihm andere Karten gedeutet haben, oder Daniel Negreanu, der die Firma repräsentiert von der sie in der Zeitung gelesen hat, würde sie sagen: „Es gibt Steaks. Lade bloß nicht den Veganer und sag dem Ali, dass ich kein Kopftuch tragen werde.“
G.Schrage