„Schau mal auf deine Seite. – Ein Wahnsinn!“ Schlaftrunken und dezent verkatert werfe ich pflichtgemäß den Computer an und lese ganz oben unter der Rubrik „Aktuell“ folgende Headline: „Ab Morgen: Pokern mit Natalie Hoff und Jens Knossalla“. Scheiße nochmals, deswegen weckt man mich mitten am Tag auf!. Aus der Küche duftet der Kaffee, Philipp Lahm plaudert auf NTV und mein Blick wandert hinunter in die Untiefen der verflossenen News. „Phil Ivey boykottiert WSOP und verklagt Full Tilt Poker!“ – Die Überschrift hat sich das Rufzeichen allemal verdient. Ich bin hellwach und Lahm muss schweigen. Unfassbar, unglaublich und eigentlich komplett unvorstellbar. Die stinkende Seifenblase platzt und wir sind alle mitten drinnen. Gut, dass ich online so ein gottverdammter schlechter Pokerspieler bin. Meine Beschädigung ist null, nur um meinen Hund tut es mir leid. Dem bin ich noch was schuldig, ich habe sein Full Tilt Doggie-Tank Top verschenkt. Einer jungen Hundedame und das aus unlauteren Motiven und ich muss ein neues besorgen (siehe auch das Bild aus glücklicheren Tagen). 950 Punkte fehlen mir noch und die spiele ich auch noch herunter. Koste es im wahrsten Sinne was es wolle und wenn Full Tilt dann nicht liefert, schließe ich mich der Klage von Phil Ivey an.
Apropos „Klage“. Ich hatte ja selbst mal Anteile bei einem Online-Pokerroom. War da so eine Art Art-Direktor und Cheftexter. Vom ersten Pixel dabei, zehn Monate durchgerackert und kurz nach der Eröffnung wie alle Kreativen aus dem Team praktisch abserviert. „Sie möchten wegen ihrer 5% Anteile klagen.“ Mein Anwalt ist kein netter Mensch und weder besonders charmant, noch besonders attraktiv. „Sie möchten also klagen Herr Schrage und so wie sie mir das erzählen halten sie Anteile an einer zypriotischen Gesellschaft mit Lizenz aus Gibraltar, die von einer Betreibergesellschaft aus Luxemburg übernommen wurde, dessen Geschäftsführer ein Belgier ist, der angeblich in Moldawien lebt.“ Dann hat mein unnetter und uncharmanter Anwalt sein kleines, böses Anwaltslächeln gelächelt: „Herr Schrage, bis ich den Gerichtsstandort geklärt habe kann das ein Jahr dauern und Sie sind bankrott“. Da habe zustimmend genickt und beschlossen nicht zu klagen, obwohl ich 78 Euro in der Brusttasche hatte und mindestens den doppelten Betrag auf dem Bankkonto. – Um auf die Einleitung zurückzukommen („Schau mal auf Deine Seite“). Hochgepokert.com ist nicht meine Seite. Die gehört mir aktuell noch kein bisschen und das wird sich solange nicht ändern, bis sich Ben Kang endlich mal zu einem Heads Up Limit Seven Card Stud stellt. Dann gehört mir hier alles und jeder Leser meiner Kolumne bekommt ein großes Eis und Phil Ivey auch. Rechtsverbindlich hiermit versprochen und wir werden keinen Anwalt brauchen nur eine große Gefriertruhe.
Phil Ivey habe ich mal fotografiert und Tom Dwan auch. Beide an einem Tag. Viele haben mich darauf angesprochen und alle haben sie mir die selbe Frage gestellt. „Sag Götz mal unter uns. Ist Tom Dwan jetzt schwul oder nicht?“. Als ob ich das wüsste. Mir jedenfalls hat er seine Telefonnummer nicht zugesteckt und auch sonst schien er keine Ambitionen haben mich zu „stacken“. Weder finanziell, noch sonst wie. Und merke, ein Mann der mich nicht begehrt, kann nicht wirklich schwul sein. Dafür sehe ich einfach zu gut aus – . Aber zurück zu Phil Ivey. Den hatte ich siebeneinhalb Minuten für mich alleine. Das ist nicht lange, wenn man ein Cover fotografieren will und das bockige Modell steht da wie Betonpfosten. Phil Ivey ist definitiv der weißeste Schwarze, den ich je kennenlernen durfte. Eine Körperspannung wie eine Überlandleitung und eine Wirbelsäule wie eine Stahltraverse. „Mister Ivey, may I touch you? I want to bring you in the best position for the picture.“ „Sure“ sagte Mister Ivey und ich bin dann hin wie Physiotherapeut bei einem widerspenstigen Patienten und habe gebogen und geschraubt, um ihn irgendwie vorteilhaft ins Bild zu bekommen. Hinterher habe mich dann die umstehenden Kollegen gefragt: „Hast du nicht gemerkt, wie unangenehm ihm das war, als du ihn angefasst hast.?“ Ich kenne mich bei den Amerikaner nicht aus. Die sagen bei so Höflichkeitsdingen oft ja und meinen nein. Und überhaupt Phil Ivey. Wahrscheinlich hat er mich einfach geblufft. Selber schuld.
Vielleicht schreibe ich Phil Ivey auch ein Mail. Jetzt wo er mehr Zeit hat. Ich habe da nämlich einen Neurologen, den musste ich mehrfach konsultieren wegen Rücken und Bandscheiben. Ein älterer weißhaarige Jude vor einem viel zu großen Schreibtisch mit passendem weißen Mantel und Goldrandbrille: „Herr Schrage, sie müssen lockerer werden in der Motorik. Sie dürfen nicht so steif sein in der Haltung. Zum Beispiel, wenn Sie spazieren gehen, dann bemühen Sie sich darum, ein wenig alles hängen zu lassen. Der Körper weiß schon wie das gehen geht. Lassen Sie den das machen und greifen Sie nicht ein. Schultern sacken lassen. Und überhaupt, bemühen Sie sich einfach wie ein Schwarzer zu gehen.“ – Dann stieg der weißhaarige Doktor von seinem Sessel (ohne an Höhe zu gewinnen) und marschierte einmal um mich und den Schreibtisch herum wie es Eddie Murphy nicht besser hätte machen können. Respekt Bruder! Ich werde Phil Ivey anschreiben. Vielleicht erinnert er sich und mehr Zeit hat er ja auch. Dann gehen wir gemeinsam zu meinem Neurologen und lernen wie Eddie Murphy gehen. – Abgesehen davon wäre doch schade um all die tollen Full Tilt Points. Phil Ivey hat sicher genug und ich brauche dieses Doggie-Tank Top unbedingt. Mein Hund wird sich freuen und ich auch.
G.Schrage