Bereits schon letzten Monat wurde ein Ring von Bots im Merge Netzwerk entdeckt. Die Small Stakes Heads Up No Limit Hold‘em Spiele waren mit Softwareprogrammen verseucht, welche als menschliche Spieler auftraten. Diese Bots waren besonders auf Freizeitspieler mit einem niedrigeren Niveau angesetzt und waren mit einer Strategie programmiert, die ausreichte, aus diesen unwissenden Spielern genug Profit zu schlagen.
Als die Bots jedoch gegen einen Spieler namens Sam –in den Pokerforen nennt er sich „10khero“– antraten, wurden die Karten neu gemischt. In einem Interview mit Pokerfuse spricht Sam darüber, wie er es ausnutzte, gegen Bots zu spielen und warum er niemanden von seinem Wissen teilhaben ließ.
Egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit, es waren immer dieselben Spieler an den Heads-Up Tischen. Bereits hier merkte Sam, dass da etwas nicht mit rechten Dingen zugehen konnte. Alle Gegner hatten einen ähnlichen Spielstil. „Es war immer dasselbe: Ich reraiste sie fast in jeder Hand preflop, und sie haben nie adjusted“, verrät Sam, der sein Spiel immer wieder variierte, ohne dass die Bots das auch taten.
Die Bots waren alle aus Großbritannien, saßen immer im linken Seat ohne einen Avatar, traten nie gegeneinander an und chatteten auch nicht. Dies traf nicht auf alle Spieler mit diesen Eigenschaften zu, aber nach einer Weile konnte Sam dank seiner Trackingsoftware eine ganze Liste von Spielern mit denselben Statistiken zusammenstellen. Folgende Spieler identifizierte er als Bots:
AndrzejLR
blisterer
chinatownqueen
coldasice22
GHETTOBLASTER
FOVAMEEE
N1xDSD1
RPMPMSRP
Slawomir
CannicaGirl
nalenef1134
WCToiletWC
takeurmonyandrun
RUSSIANFLOWER
Sloty4UrGF
Wenn Sam also von diesen Bots profitieren wollten, dann musste er noch mehr über ihr Spiel lernen. Er musste also auch manchmal in den Showdown gehen, um Informationen über die Codierung der Bots zu erhalten, obwohl es in dieser speziellen Situation ein unprofitabler Move war. Das Wissen, welches er daraus erwarb, sollte später noch außerordentlich wertvoll werden.
Sam entdeckte, dass er profitabel eine sehr weite Range an Händen gegen die Bots dreibetten konnte. Schlussendlich konnte er so ziemlich genau die Preflop Fold- und Call-Muster sowie deren Vierbet-Ranges definieren: „Ich habe geschätzte 90 Prozent meiner Hände gedreibettet, um einen genauen Read zu bekommen. Da sie nie adjusteten, gewann ich bereits viele Pots preflop. Falls sie nicht auf meine Dreibets foldeten, dann konnte ich deren Calling- oder Raising-Range bestimmen. Zum Beispiel vierbetteten die Bots immer mit Zehnern und AK aufwärts und bekamen damit auch ihr Geld rein. Ich hatte also mit Händen wie AQ , Zehnern oder JJ einen recht einfachen Fold, wenn ich mit einer Vierbet konfrontiert wurde (es sei denn, ich hatte das Gefühl, mein Set zu treffen).“
Sam beherrschte das Ausbeuten der Bots so perfekt, dass er seiner Freundin, welche gerade mal die Regeln von Poker kannte, beibrachte, wie auch sie Geld gewinnen konnte. Innerhalb von zwei bis drei Wochen und nach 30.000 gespielten Händen konnte er ca. 13.000 Dollar von den Bot-Accounts gewinnen, während er sich in den Limits von $0.25/$0.50 bis zu $3/$6 bewegte. Sicherlich hätte er noch mehr Geld von den Bots gewinnen können, jedoch verfolgte Sam ein striktes Bankrollmanagement, das ihm vorgab, den Großteil seiner Hände nur in den Lower Stakes zu spielen.
Die Bots waren „schlau genug“ zu merken, wenn sie nach einer Samplesize von 2.000 bis 3.000 Händen nicht profitabel gegen einige Gegner spielten. Da sie sonst eine Menge Geld gegen bessere Spieler verloren hätten, falls ihr Operator das nicht bemerkte, waren sie mit einer so genannten „Verlierstopp“-Funktion ausgestattet. Dies sollte eine weitere Ausbeutung so gering wie möglich halten: „Am Anfang spielten die Bots noch so oft wie möglich mit mir. Aber nach Erreichen eines voreingstellten Verlustlimits spielten sie noch fünf Hände, bevor sie auf „Sit out“ gingen. Zunächst war das ein wenig frustrierend, aber nach der Zeit fand ich einen simplen Trick heraus: Ich wartete einfach 30 Sekunden und setzte mich wieder an ihren Tisch, sodass sie eben noch fünf oder sechs Hände spielten. Das wiederholte ich immer wieder und konnte sehr leicht ein paar Tausend Hände gegen sie spielen.“
Bevor Sam merkte, dass er nach kurzer Zeit an die Tische zurückkehren konnte, dachte er, dass sein Account auf der Blackliste der Bots stehen könnte. Wollte er also das Spiel weiterhin als Räuber gewinnen, musste er noch einen Schritt weitergehen: „Als ich dachte, dass sie gegen mich nun endgültig aussetzten, entschloss ich mich dazu, einen neuen Account zu erstellen.“
Da er seinen original Account bei Carbon Poker hatte, suchte Sam einen weiteren Skin auf demselben Netzwerk, in dem er einen neuen Account eröffnen konnte und gleichzeitig noch immer Zugang zu den Tischen mit den Bots hatte. In einer Email an Lock Poker gab er seinen Carbon Poker Account an und bat darum, einen zusätzlichen Account zu bekommen. Der Customer Support gab grünes Licht und mit seinem neuen Account bei Lock Poker konnte die Ausbeute der Bots weiter voranschreiten.
Sam wusste zwar nicht, wie die ganze Geschichte ausgehen sollte, aber ihm war bewusst, dass sein Glück nicht für ewig hielt. Durch die Omnipräsenz der Bots an den Tischen war es nur eine Frage, bis auch jemand anders die Sache durchschaute. Als ein zweiter Spieler eine Gruppe von Bots identifizierte, beutete er die programmierten Gegner nicht aus, sondern alarmierte sofort die Pokercommunity in den einschlägigen Foren. Innerhalb von 90 Minuten waren die Bots verschwunden. Merge wurde benachrichtigt und die Ermittlungen sollen bald beginnen.
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Die Konten der Botbetreiber waren gefährdet, denn zweifelsohne hatten sie gegen die Vorschriften und Bedingungen des Netzwerkes verstoßen. Aber was ist mit denjenigen Spielern, die Geld von den Bots gewannen? Mussten sie sich um nichts sorgen machen?
Nachdem Sam hörte, dass die Existenz des Bot-Rings öffentlich bekannt wurde, wuchsen seine Bedenken, Merge würde seine Gewinne nicht auszahlen, immer mehr. Aber laut seiner Argumentation müsse Merge die Gewinne aller Spieler, die von den Bots profitierten, einfrieren, wenn sie seine Gewinne nicht auszahlen würden. Am Ende ging es jedoch gut für Sam aus: „Ich konnte all meine Gewinne problemlos transferieren.“
Nachdem er das Geld auf seine frisch aufgeblähte Bankroll übertragen hatte, wollte er selbst helfen, die investigativen Schritte des Netzwerkes voranzutreiben. Er postete in einem Forum die komplette Liste der Bots und sogar verschiedene Videos, die er im Spiel gegen sie aufgenommen hatte. Sogar dem Support bot er seine Hilfe an.
Wie reagierte die Poker-Community darauf, dass Sam zuließ, dass der Bot-Ring für zwei Wochen lang Freizeitspieler ausbeutete, während er sie selbst als persönliche Geldautomaten benutzte?
Bevor Sam mit den Analysen der Bots begann, war er zunächst nicht sicher, was er mit seiner Entdeckung anstellen sollte. Er haderte mit seinem Gewissen: „Mein erster Gedanke war es, Merge davon zu berichten. Aber ich dachte mir, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis dies jemand anders machen würde. Deshalb sah ich es als üblere Bestrafung, die Bots auszubeuten und ihnen soviel Geld wie möglich abzuknöpfen. Wenn man einige Tausend Dollar pro Woche macht, warum sollte man soetwas melden?“
Die Reaktionen der Spieler waren gemischt. Einige waren verärgert über die Person, welche die Bots öffentlich bekannt gab. Dies waren höchstwahrscheinlich Spieler, welche darüber enttäuscht waren, dass sie aus den Bots nicht mehr länger Profit schlagen konnten. Vielleicht kamen diese Beschwerden sogar von den Betreibern der Bots selbst, um die öffentliche Meinung über ihre Aktivitäten in eine bestimmte Richtung zu lenken und sogar andere davon abzubringen, zukünftig nicht mehr solche Aktionen zu verraten. Andere wiederum halten Bots langfristig gesehen für extrem schädlich für das Spiel. Sam bekam von einigen Spielern Applaus, manche beneideten ihn, aber niemand fand einen persönlichen Anstoß an seinem Vergehen.
Quelle: pokerfuse.com