„If the rule you followed brought you to this, of what use was the rule?“
Pius Heinz wird in diesen Stunden und Tagen nur wenig Schlaf vergönnt sein. Mir geht es genauso, nur dafür wird sich kaum wer interessieren. Pius Heinz hat jetzt ein Goldenes Bracelet und einen Scheck über $8.700.00. Ich habe einen verwirrten Hund, ein schmerzendes Knie und bin frisch verliebt. Mein Herz gehört Karo-Vier. Es war zwar keineswegs Liebe auf den ersten Blick. Kein Wunder, wenn Millionen deutsche Pokerfans gleichzeitig den Live-Stream aktualisieren. Bild weg, Ton weg. Ausgerechnet in der Hand der Hände stürzt alles ab, was abstürzen kann. Am Turn ein gefährlicher Junge. Weitere vier Outs für Martin Staszko. Hektisch versuche ich alles, um wieder „live“ dabei zu sein. Unwillkürlich bete ich dabei die zehn bösen Outs herunter: „Keine Zehn, keine Sieben, keine Acht – Keine Zehn, keine Sieben, keine Acht !“. – Das Bild ist wieder da. Der Dealer klopft viermal auf den Tisch, „verbrennt“ eine Karte und da ist der River. In wunderbarer Bedeutungslosigkeit diese zuckersüße Karo-Vier! Pius Heinz ist Mainevent-Gewinner! Pius Heinz ist Weltmeister! Pius Heinz ist der Größte!
Ich springe aus dem Bett. Es ist irgendwie knapp nach Neun, also irgendwie mitten in der Nacht. Meine Frau ist wie alle ordentlichen Frauen schon längst im Büro, aber irgendwo muss ich doch hin mit meiner Freude. Der Boden ist kalt, ich tanze auf einem Bein und singe: „Karo Vier – ich liebe Dir“. Und dann bin ich umgeknickt und jammernd zurück ins Bett gekrochen. Mein Hund war ganz verwirrt und ist es jetzt noch. Kollege Grokenberger titelt: „World Series of Poker – Pius Heinz lässt Deutschland tanzen“. – Danke Kollege Grokenberger. Verarschen kann ich mich immer noch selbst am besten.
Pius Heinz ist ein großartiger Gewinner und sicherlich ein netter Junge. Zurückhaltend, unaufdringlich und unfassbar talentiert. Doch beginnen möchte ich meine Laudatio mit ein paar aufrichtigen und netten Worten zu Martin Stazsko. Eine wirklich coole Socke. Ganz dicken Respekt an meine Freunde in Tschechien. Großartiger Auftritt mit der viel zu großen, meist recht windschief an der Brust montierten stolzen tschechischen Fahne. Ein bescheidenes Hemd, eine Frisur wie von der Mutter verpasst. Alles auf sympathische Art klischeehaft. Zeitweise hätte man glaube können, dass ganze sei ein Hollywood-Film. Netter Tscheche (dargestellt von Robin Williams) fährt mit seinem Lada nach Las Vegas und kommt an den Finaltisch des wichtigsten Pokerturniers der Welt. – Dabei eine zweifelsfrei große Leistung von Martin Staszko. Zuerst wurde der naturstarke Ben Lamb filetiert, dann shampooniert und eliminiert. Brav gemacht und wichtig für Pius Heinz (obwohl der in dieser Nacht jeden im Heads up geschlagen hätte. Garantiert).
Apropos Angst. Der vorentscheidende Pot. Pius am Flop mit AQ und all seinen Chips in der Tischmitte. Nach Prozenten einen Hauch vorne, aber AQ ist definitiv die verfluchteste aller Hände. Aus dem Gedächtnis weiß ich von mindestens zwei WSOP Main Events der letzten Jahre, bei denen AQ übel am River alles verloren hat. Einmal 2000 TJ Cloutier versus Chris Ferguson. Am River die Neun und Chris Ferguson gewinnt. Wäre es anders gekommen, wäre uns Full Tilt vielleicht erspart geblieben. – Dann noch 2007 die beiden Asiaten im Heads up beim Main Event. AQ trifft die Dame am Flop und verliert gegen 88 runner, runner straight. Mir kein Main Event erinnerlich, bei dem diese Todeshand den letzten Showdown gewonnen hätte. – Privat kann ich aus persönlicher Erfahrung anmerken, hätte ich in meinen Profijahren AQ immer entsorgt, würde ich nicht für Hochgepokert.com arbeiten. Mir würde Hochgepokert.com gehören und das halbe Kings Casino auch noch dazu. Mindestens!
Und jetzt zum Star des Abends. Pius Heinz und sein Triumph bei der WSOP 2011. Wohl das Beste, was uns im deutschsprachigen Raum passieren konnte. Es ist vorbei mit der amerikanischen Arroganz. Wer uns jetzt nicht ernst nimmt ist dumm, borniert und ungebildet (in gewisser Weise somit typisch amerikanisch). Der spröde, aber zweifelsfrei vorhandene, Charme von Pius Heinz wird eine Bresche schlagen. Die Köpfe und Herzen der Marketingleute werden sich öffnen und die Brieftaschen hoffentlich auch. Pius Heinz hat alles richtig gemacht im Umgang mit den Medien. Schon fast aufdringlich unaufdringlich hat er sein Ding durchgezogen. Hat er sich die Freiheit und Ruhe genommen, wie er sie eben braucht. Ein „November Niner“ mit 200 Freunden bei Facebook (davon lediglich zwölf gemeinsame in meinem Fall) lässt sich vor keinen Karren spannen und nimmt keine Termine wahr, die er nicht wahrnehmen möchte. Mit Pokerstars ist er definitiv beim richtigen Verein. Zusätzlich zum fetten Preisgeld hat er sich unseren Respekt verdient und ein klein wenig auch unseren Dank.
Götz Schrage
PS: Danke der Nachfrage. Dem Knie geht es wieder gut und der Hund ist inzwischen weniger verwirrt. Allerdings habe ich immer noch diesen imaginären Song im Kopf: „Karo-Vier ich liebe Dir“. Vielleicht findet sich ein Produzent, dann bringe ich den als CD und werde reich. Mindestens so reich wie Pius Heinz.