Tony G. und die Million – Red Bull und der Transvestit – Vier Irrtümer von vielen

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Neulich stand ich in der Schlange am Bankschalter mit zwei extrabösen Zahlscheinen in der Hand. Hinter mir telefonierte ein grobes Männergesicht in braunen Wildlederstiefeln, engem Rock samt passender Bluse, Naddel Abdel Farrag-Perücke und lackierten Fingernägeln. Der Kehlkopf tanzte beim Sprechen und ich bekam es mit der Angst zu tun. Nicht schon wieder, dachte ich mir. Nicht schon wieder so ein Scheißbanküberfall und ich als Witzfigur mitten drinnen. Einmal musste reichen, obwohl ich eigentlich beim Blamieren langsam Routine haben müsste. Situationen falsch einzuschätzen, darin liegt meine wahre  Stärke. Sobald ich mir meiner Sache einmal wirklich sicher bin, kann man eigentlich zum nächsten Wettbüro laufen und dagegen setzen.

Der Red Bull Irrtum: Unfassbar lange ist das her. Wir schreiben so zirka das Jahr 1988. Hinterzimmer einer noblen Wiener Diskothek. „Was sagst Du zu diesem Red Bull? Das macht ein Österreicher und ich glaube, ich nehme das mal auf meine Getränkekarte. Macht wach und so und man muss nicht mal auf´s Klo rennen dafür.“„Bäh“ sagte ich und  blickte angewidert auf das fast blickdichte dunkelbraune Red Bull Fläschchen. „Das Zeug kannst du wegkippen. Das trinkt kein Mensch in einer Diskothek. Vielleicht etwas für die Puppenbühne oder so. Vergiss das Gesöff gleich wieder. Das wird sicher kein Erfolg“.

Der Party Poker Irrtum: Baden Poker EM 2000. Herr L.L., immer einer der Schlauesten aus der Pokerszene will mich sprechen. „Götz, da kommt ein neuer Online-Pokerroom und Du kennst doch so viele Leute. Das wird ganz groß und Du kannst in Österreich gleich mit der Promo beginnen. Zum Start spielen die ein Turnier mit einer Million Dollar Preisgeld und für Dich gibt es dann auch etwas zu verdienen.“„Vielen Dank, dass du an mich denkst.“ habe ich geantwortet: „Aber dieses Online-Poker wird niemanden interessieren auf die Dauer. Das ist doch langweilig und einsam. Eine  typische Kurzzeitmode oder Unart.  – Und das mit der Million, glaubst du doch selber nicht. Oder?“.

Der Tony G Irrtum: Bleiben wir thematisch bei der einen Million Dollar. Diesmal allerdings gleich als Buy in. Die Jungs von der immer tüchtigen Hochgepokert.com Redaktion hatten erst kürzlich darüber berichtet. Zusammenfassend, bei der WSOP 2012 wird es ein wirkliches High Roller Event geben mit einem Buy in von $1.000.000. Fix dabei besagter Tony G und das wiederum erinnert mich wieder an eine weitere frappante Fehleinschätzung. Gerade mal zehn Jahre ist das her, wir schreiben also das Jahr 2001. Ich war damals stolzer Manager des legendären „Euro Card Casinos“. Tief drinnen im spannenden zehnten Bezirk, wo deutsch maximal als zweite lebende Fremdsprache akzeptiert wird. Im Schlepptau meines Freundes Jeff Lisandro ein junger Australier mit Namen Tony. Immer höflich, immer lustig und immer mehr als broke. War es die Milde meines damaligen Chefs Otto Göschl, oder doch Weitsicht? Jedenfalls nahmen wir den jungen Tony G quasi als Hausspieler auf. Es gab kleines Geld, zwei Kaffe und ein Gratisessen vom nahen Türken. Hätte mir damals jemand prophezeit, dass dieser höfliche junge Australier jemals ein $5000 Event spielen würde, ich hätte ihn ausgelacht. – Allerdings schlau war der Tony damals auch schon. Gesprochen wurde nur englisch, die litauischen Wurzeln und das Talent für slawische Sprache wurden nobel verschwiegen. Nicht wirklich nachteilig in einem Casino, wenn man versteht was so gesprochen wird ohne, dass es die anderen Spieler auch nur ahnen. – Wie auch immer, vor zehn Jahren hätte ich Tony G eine Karriere als Burger King Geschäftsführer in Adelaide prophezeit. Mit etwas Glück vielleicht auch eine eigene Herrenboutique in Perth (selbstverständlich massiv von Jeff L. finanziert). – Wie auch immer und wie gewöhnlich, lag ich mit allem mehr als nur ein wenig daneben. Aber ich gönne es dem Tony. Bei unserem letzten gemeinsamen Essen wollte ich selbstverständlich bezahlen. Fast ein wenig gönnerhaft legte Tony die Hand auf meinen Arm, packte seine Brieftasche aus mit den extra funkelnden Kreditkarten und dann ließ ich es auch gut sein mit dem zahlen.  – Für dieses $1.000.000 Event  2012 drücke ich ihm selbstverständlich von der Ferne die Daumen und sollte er das gewinnen, mache ich es so wie mein literarisches Vorbild Bernhard Brink. Dessen unterschätztes Werk: „Bohlen…mein Fahrer“ schildert ja die Anfänge des jungen Dieter B. und mit „Tony G… mein Hausspieler“ lande ich dann sicher in den Bestseller-Listen (wo ich bei aller Bescheidenheit ohnedies landen werde – nebenbei bemerkt.)

Der Bankirrtum: – Sicher mein peinlichster Auftritt von allen. Das Versagen in der Kernkompetenz schmerzt eben besonders Bis zu jenem Erlebnis dachte ich, ich hätte einen untrüglichen Sinn für Gefahren. Quasi ein sensibles Raubtier der Stadt mit sicheren Instinkten und dem Gefühl für Gewalt und Prekäres. Alles Blödsinn. Ebenfalls zehn Jahre her stand ich ebenfalls beim Schalter einer Bank, wenige Meter neben mir zog der schlanke ganz in Schwarz gekleidete junge Mann eine Waffe und ließ sich das Bargeld einpacken. Alle in der Filiale – wirklich alle inklusive der sehbehinderten Oma – hatten gemerkt was da abging, nur ich wunderte mich über das schleppende Service, tadelte die vor Angst entrückte Schalterbeamtin und schüttelte mein weise geglaubtes Haupt über die versammelte Blödheit dieses Institutes. Irgendwann war der Coup dann gelaufen und der Bankräuber weg, dafür die Polizei da und ich als Zeuge die absolute Nullnummer.

Genau daran musste ich neulich denken in der Schlange am Bankschalter und den extra bösen Zahlscheinen in der Hand. Der Transvestit machte mich nervös, nur statistisch stellen sich Bankräuber sicher äußerst selten so höflich an und auch der Nagellack schien viel zu sorgfältig aufgetragen. Wie auch immer, irgendwann war ich dran, ließ mir stempeln was zu stempeln war und stand dann wieder draußen auf der Straße. Bleiben wir bei tröstlichen Statistiken, mal ganz ehrlich, wie hoch stehen die Wahrscheinlichkeiten, dass ein Spieler zwei $1.000.000 Events spielt im Leben? Diesmal ist halt Tony G dran und in zehn Jahren bin ich dabei. 3650 Tage bleibt mir das Zeit für das Buy in. Das sind gerundet $274 am Tag. Dass müsste zu schaffen sein.  – Locker sogar.

Götz Schrage

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