Manchmal muss man tief in die Provinz fahren, um noch zu noch wesentlich tieferen Erkenntnissen zu gelangen. Bisher dachte ich, Floorleute sind auf der Welt, um möglichst kluge Entscheidungen zu treffen. Situativ richtig und dann noch im Sinne des Spieles. Meist bleiben zwanzig Sekunden. Die Faktenlage ist dünn. Die raunenden Berichte der Dealer ähneln lautmalerischen Fragmenten und die oft ungebetenen und widersprüchlichen Zeugenaussagen der Mitspieler verwirren weiters. – Kürzlich führte mich mein Weg als rasender Hochgepokert.com-Reporter ins wunderschöne Burgenland. Konkret in das Poker Royale Eisenstadt. Wünsche viel Vergnügen mit meinem kleinen Bericht. Für meine zahlreichen Leser, die ebenso wie ich daran glauben, dass man für ein erfülltes Leben einen Baum pflanzen, einen Sohn zeugen und zumindest einen Teil eines Casinos besitzen muss, gibt es auch noch wertvolle Ratschläge. – Das Ganze wie immer kostenfrei und inklusive Lieferservice. Hochgepokert.com macht es möglich.
Die erstickende Dame mit dem nackten Rücken
Eines vorweg. Die Burgenländer sind so verdammt höflich. Ich bin jedes Mal aufs Neue gerührt. Zweimal war ich im Poker Royale Eisenstadt und beide Mal war ich an Tischen mit durchwegs netten und lustigen Spielern. Zu keiner Sekunde und zu keiner Hand wurde ich wie ein Fremder behandelt. Auch die Unart am Spieltisch über unbekannte Anwesende in dritter Person zu reden ist den Burgenländern fremd. Jeder spricht mit jedem über quasi fast alles, das ist zwar immer herzlich, aber manchmal auch ein klein wenig peinlich. – Mir gegenüber eine Dame meiner Generation. Die Themen Gesundheit im Allgemeinen und Nierenschmerzen im besonderen. Ich erfahre, wo es ihren Mann zwickt und wo nicht und ich bin Zeuge bei einem Akt der Selbstmedikation. „Ein kleines Bier, manchmal auch ein zweites und die Nieren tun nicht mehr weh. Funktioniert immer“. – Zwei kleine Bier kann ich bestätigen und das möglich Dritte wird nobel verschwiegen. Irgendwann war der schmerzfreien Dame von gegenüber dann doch ein wenig warm und um dem Abhilfe zu leisten, wollte sie sich das etwas enge Sweatshirt ausziehen. – Irgendwas muss passiert sein während ich mich auf den Flop konzentrierte. Dreimal „check“ und dann ein leichtes Wimmern vom Platz gegenüber. Meine neue Bekannte hoffnungslos gefangen in einem Wulst aus Bluse, Sweatshirt und verklemmter Brille. Kopflos mit durchgestreckten Armen und praktisch bewegungsunfähig. Der letzte Spieler checkt nicht, sondern springt auf und hilft. Die Dealerin gibt ungerührt den Turn. Die Dame ohne Nierenschmerzen findet ihren Kopf wieder und wird aus dem Korsett geschält, der hilfsbereite Spieler setzt sich wieder auf seinen Platz und sagt in aller Unschuld etwas atemlos (und eine Karte zu spät): „Ich check auch“. – Die Dealerin ruft Floorman. Soweit so richtig.
Zwischenbemerkung: Das extrem verbotene Floorman-Wort
Bevor ich auf die spezielle Situation weiter eingehe, erlaube ich mir ein paar grundsätzliche Worte an meine geschätzten Leser. Vielleicht bauen Sie sich einmal Ihr eigenes Casino und müssen dem zur Folge Ihr eigenes Personal rekrutieren. Beim Floorpersonal vereinbaren Sie am besten eine Probewoche und seien Sie am besten immer in der Nähe, wenn es gilt eine Entscheidung zu treffen. Selbstverständlich kann man auch mal daneben liegen und auch die besten Floormänner haben schon den einen oder anderen Bock geschossen – Allerdings einen Rat fürs Leben sollten Sie von einem alten Casinohasen wie mir annehmen. Das verbotene Wörtchen „eigentlich“ darf ein Floorman höchsten daheim im privaten Umfeld milde dosiert verwenden. Draußen an den Tischen ein absolutes „no go“. Ich weigere mich eigentlich überhaupt zuzuhören. Wenn der Floorman mit „eigentlich“ beginnt, kommt dann das unweigerliche „aber“. Was nach dem „aber“ kommt, ist meist regelkonform und richtig, aber vom einleitenden „eigentlich“ in die komplette Wertlosigkeit degradiert.
Das Floorman-Raten – Die ehemals kopflose und immer noch schmerzfreie Dame bekommt wieder Luft.
„Floorman“ ruft inzwischen der halbe Tisch. Die Auswahl ist groß. Ein paar stehen hinter dem Pult, ein einsamer Mann macht sich hinter der Bar zu schaffen, jemand in Dealermontur hat sich quer auf zwei Sitze vor den riesigen Bildschirm gelegt. Mit dem jungen Mann, der dann schließlich kommt hatte ich gar nicht gerechnet. Kurzes Polo-Shirt dick und fett bedruckt mit allerlei Schriften, Jeans zerrissen, aber frisch gewaschen. Immerhin. – Die Dealerin ignorierend beugt sich der Floorman zum Gast auf Platz Acht und lässt sich Bericht erstatten. Fehlerfrei und präzise schildert der die Situation. „Ist das ein spielender Dealer?“ werde ich später fragen und zur Antwort werde ich bekommen: „Nein ein spielender Fleischhauer (Metzger)“. Wie gesagt, die Schilderung präzise: „Der Gast auf Platz Zwei hatte als Letzter noch nicht gecheckt und die Dealerin hat trotzdem den Turn gedealt“. – Die Dame ohne Nierenschmerzen fühlt sich offensichtlich ein wenig schuldig: „Ich habe doch keine Luft mehr bekommen.“ Der nicht checkende Spieler fühlt sich scheinbar ebenfalls zumindest teilschuldig: „Aber ich habe doch nur helfen wollen“. Der Gast auf Platz Acht setzt seine Expertise diesmal flüsternd fort. Die Dealerin möchte auch etwas sagen. Der Floorman macht eine strenge Handbewegung. Die Dealerin verstummt. Der Floorman tritt hinter den Tisch und beginnt seine Entscheidung: „Eigentlich ist der Turn nicht gültig, aber…..“ – Dann habe ich ehrlich gesagt nicht mehr wirklich zugehört. Die Dame gegenüber bestellt etwas zu trinken. Wahrscheinlich die Nieren.
Was es sonst noch zu berichten gibt?
Personal freundlich. Getränke werden rasch serviert. Ein beanstandetes Bitter Lemon (mangelnde Kohlensäure) wurde anstandslos zurück genommen. Die Dealer-Leistung durchwegs gut, wenn es um Mischen, Austeilen und Spielführung geht. Massive Unart bei einem Dealer das ständige Wechseln im Pot. Mehr Wechselmanöver in mancher Hand, als beim gesamten Main Event der WSOP an einem Tag. Einser gegen Fünfer, Wechseln gegen die den Dealern fürs Rake vorbehaltenen Dreier, Fünfer zu Zehner und umgekehrt. Normalerweise ein sehr schlechtes Zeichen und alle Alarmglocken gehen bei mir an. Konkret muss ich aber sagen, es war alles korrekt mit den Pots. Ich habe jede Hand – trotz widrigster Umstände – mitgezählt und es hat alles gepasst. Einfach eine Unart, die hoffentlich schnell abgestellt wird.
Die Kollegin, der der Fehler passiert ist, vielleicht noch ein wenig unsicher, aber immer höflich und bemüht um saubere und transparente Arbeit. Damit hat sie bei mir mal gleich einen Stein im Pokerbrett. Ferner gibt es die größte Leinwand für Fussballübertragungen, die ich jemals in einem Casino gesehen habe. Wunderbar und wirklich einen Umweg wert, wenn einmal ein wichtiges Match ist. Die Toiletten und die ganze Halle sauber. Die Jetons ein wenig gewöhnungsbedürftig. Scheinbar hat das Poker Royal Eisenstadt mit dem früheren Stammhaus in Wiener Neustadt nur noch den Namen gemeinsam. Deswegen das andere Equipment.
Ich werde jedenfalls wieder einmal kommen. Dann aber Privat. Vielleicht bringe ich den Floormännern als Geschenk ein paar Namensschilder samt Berufsbezeichnung mit. Allerdings, jetzt wo ich mich geoutet habe, werde ich diese Wechselei nicht mehr zulassen. Wenn der Dealer ständig im Pot rumfummelt, greife ich auch in sein Chip-Tray. Spätestens dann werde ich auch noch rauskriegen, wer von den vielen Jungs die Security macht. Wahrscheinlich habe ich dann zumindest eine neue Kolumne – oder eine neue Erfahrung. Die Hochgepokert.com Leser werden es selbstverständlich als erste erfahren.
Poker Royale Eisenstadt, Rusterstraße 133 – www.eisenstadt-pokerroyale.at
Götz Schrage