Ein wirklich guter Rat – Eine halbe Kolumne – Der russische Alex und das Reisfleisch

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Eine kleine Warnung vorab. Bevor Sie jetzt weiterlesen möchte ich Sie darauf hinweisen, dass der folgende Text unvollständig ist und auf alle Zeit unvollständig bleiben wird. Keine perfekte Kolumne in Form und Stil, wie man es beim erstklassigen Renommee von Hochgepokert.com eigentlich erwarten dürfte. Einfach ein halbgegarter Gedanke und ein guter Rat. Wobei der gute Rat ist wirklich gut und gibt dem Artikel einen  für meine Verhältnisse ungewöhnlich hohen Nutzwert. Sonst gebe ich ja nie einschlägige Tipps oder Ratschläge. Das überlasse ich den geschätzten Kollegen Donev, Kalhamer und Co.. Bevor ich mich mit pokerstrategischen Theorien aus dem Casinofenster lehne, gewinne ich erstmal ein EPT High Roller-Event. Dann sehen wir weiter und es gibt vielleicht auch ein Buch. – Aber zurück zum versprochenen Nutzwert dieser Kolumne. Kaufen Sie sich im Papiergeschäft Ihres Vertrauens ein kleines Notizbuch. Muss nicht teuer sein – ich als elender Snob bestehe auf Moleskine Notizbüchern. Schon wegen Chatwin, Hemingway und so und dann brauchen Sie noch einen Stift. Fertig. Ob Cashgame oder Turnier, bei spektakulären Showdowns  – egal ob mit oder ohne Ihre Beteiligung – mustern Sie Ihre Gegner streng und machen sich unmittelbar danach hastige Notizen. Das wirkt Wunder, gibt Ihnen analytische Kompetenz und macht die anderen nervös. Besonders wirksam bei weiteren Begegnungen. Sobald Sie bei einer Ihrer nächsten Sitzungen auch nur glauben einen früheren Mitspieler wieder zu erkennen, blättern Sie ein Weile wahllos in Ihren angeblichen Notizen, werfen einen prüfenden Blick auf sein Stack, schreiben ein paar weitere Wörtchen in Ihr Heft und fertig. Genießen Sie die Verwirrungen und Unsicherheit, die sich unwillkürlich und unbarmherzig einstellen wird.

Apropos Verwirrung. Ich notiere ja auch ständig und das von Hand. Alles was ich schreibe hat seinen Sinn. Hauptsächlich Ideen für meine Kolumnen, kleine wirre Gedanken, wichtige erste Sätze zur Einleitung, bemerkenswerte Zitate der Mitspieler, sonderbare Floorman-Entscheidungen und vieles mehr. Das meiste packe ich dann in meine Artikel bei Hochgepokert.com, außerdem arbeite ich seit sechs Jahren an einem Drehbuch für einen Film der garantiert nie gedreht werden wird. Wie auch immer, manche meiner Erlebnisse und Gedanken sind nicht spannend und spektakulär genug, um einen ganzen Text zu tragen. Allerdings bei Durchsicht meiner unverwerteten Notizen aus dem Jahre 2011 entdeckte ich die halbfertige Story vom „russischen Alex“. Einfach zu schade für den Papierkorb und dass die Pokerarchälogen der kommenden Jahrtausende ausgerechnet mein Moleskine-Heftchen finden und  – was deutlich unwahrscheinlich ist – dann auch noch meine Handschrift entziffern können, ja darauf möchte ich mich einfach nicht verlassen.

Der russische Alex und das langweilige Reisfleisch. Omaha 2er Blind, voller Tisch. Mit Pausen spielen wir jetzt seit knapp   zwanzig Jahren gegeneinander. Man kennt sich und wie ich bisher dachte, man respektiert sich. So knapp vor Mitternacht bestellte ich mir besagtes Reisfleisch. Eigentlich ein herrlich geschmackvolles Gericht und je höher die Dichte an jugoslawischen Köchen und Küchenhilfe im Herstellungsprozess, desto größer die Chance auf ein kulinarisches Erlebnis der Sonderklasse. Wie auch immer, mein Essen war gnadenlos langweilig. Marke holländischer Speisewagen oder noch trister und so stocherte ich entsprechend lustlos und demotiviert in meinem Reisfleisch, während ich Pot um Pot gewann. Direkt nach einem erfolgreichen Showdown sprach mich der russische Alex an und fragte nach, wie es mir denn wohl munden würde. „Nun“ antwortet ich: „Der Reis rieselt ungebunden von der Gabel wie Sand. Leicht al dente und geschmacksfrei. Den Köchen hat der Mut zum Majoran und Kümmeln gleichsam gefehlt. Das Fleisch ist faserig und ebenfalls salzfrei. Von Paprika keine Spur und wer diese Zwiebel angeröstet hat kann gar nichts.“ „Und der Salat. Wie schmeckt dir der Salat?“ Der russische Alex wollte es scheinbar genau wissen ich rede gerne übers Essen also antwortete ich: „Eisbergsalat. Nichts als Eisbergsalat! Passt ja gar nicht. Das Dressing schmeckt bestenfalls nach Wasser, dafür hat der Koch einen Esslöffel Zucker über die unschuldigen kalten geschmacklosen Blätter gekippt.“ „Danke“ sagte der russische Alex, zwinkerte mir freundlich zu, winkte sich den nächsten Kellner an den Spieltisch und bestellte Reisfleisch mit Salat! – Ich war fassungslos und gedemütigt obendrein.  – Keinen Pot konnte ich mehr gewinnen und selbstverständlich kein Showdown mehr bestehen gegen den russischen Alex. Beim kalten Krieg kennen sich die Russen bekanntlich bestens aus und sind uns unschuldigen Mitteleuropäern massiv überlegen. Man denke nur an Bobby Fischer- Boris Spassky 1972 in Reykjavik. Obwohl da hat ja Bobby Fischer trotzdem gewonnen. Aber egal, so ein Omahagenie bin ich einfach nicht.  – In welchem Casino mir das passiert ist lasse ich lieber unerwähnt, gerade die Köche im Wiener CCC sind schnell beleidigt und mit der Küche darf man sich niemals anlegen. Schon gar nicht als Vorbestrafter (einen Monat Sperre wegen despektierlichen Benehmen gegenüber dem gastronomischen Personal). Abgesehen davon aß ich letzten Samstag im CCC einen perfekten faschierten Braten mit flaumigem Kartoffelpüree und einem tadellosen Beilagensalat. – Mit dem russischen Alex verstehe ich mich auch wieder bestens. Wir reden über alles, nur kulinarische Themen sind tabu. Ein zweites Mal lasse ich mich ganz sicher nicht so demütigen. So groß ist meine Bankroll einfach nicht.

PS: Es ist mir peinlich. Auf dem linken Blatt steht für meine Verhältnisse recht schön und deutlich geschrieben: „Ich hasse….“ und dann der Name von vier Dealern. Ich bitte um Entschuldigung. Dass muss nach dem Reisfleisch gewesen sein. Ich erinnere mich nicht und ich hasse niemanden. Somit distanziere ich mich ebenfalls von dem letzten Satz auf der linken Seite: „Ich hasse alle!!“ und behaupte das Gegenteil. Ich liebe alle Dealer im CCC und ich hoffe sie legen bei den Köchen ein gutes Wort für mich ein. Danke!

Götz Schrage

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