„You’re pushing your luck, little man.“ – The Soup Nazi
Heute habe ich mir mal wirklich etwas vorgenommen. Eine Kolumne quasi über alles das wichtig ist im Leben und im Pokerleben sowieso. Über die CONCORD MILLION Ende April, über weitere Karrieren ehemaliger Casinokämpfer und über die Gefahren, die von schlecht ernährten Pokerspielern ausgehen. – Quasi alles in einer Kolumne. Das gibt es halt doch nur auf Hochgepokert.com. Beginnen allerdings werde ich mit einem Geständnis, oder vielmehr mit einem „Outing“ – was für ein hässliches neudeutsches Wort für ein hässliches Problem.
Mein Name ist Götz Schrage und ich bin süchtig. Ich habe dagegen angekämpft, ich habe versucht zu substituieren und ich war knapp daran, mir fachärztlichen Rat zu suchen. Irgendwann habe ich dann aufgegeben und mich damit abgefunden. Ohne meine vietnamesische „Banh Canh Suppe“ kann und will ich nicht existieren. Lieber broke und joblos, als verzweifelt und suppenlos. So lautet meine Lebensentscheidung und dazu stehe ich. Die Casinos haben mich süchtig gemacht mit ihren verkrachten asiatischen Exspielern, die sich die Schulden von der Seele kochten. In meiner cleanen Zeit – vor dem legendären Herrn Shu im CCC Simmering – wusste ich gar nicht, dass man Suppen mit Stäbchen essen kann. Hätte ich bloß niemals damit angefangen!
Ende April geht es um die CONCORD MILLION. Schönes Turnier, schöne Struktur und ich schätze mal es werden tatsächlich 2000 Spieler an den Start gehen – das Buy in beträgt 550.- und ich bin selbstverständlich dabei. Meine deutschen Freunde fragen häufig, in welcher der CCC Dependancen es wohl am Günstigsten wäre von wegen „softem“ Starterfeld und so weiter. Das wäre für mich überhaupt kein Kriterium, ich entscheide das nach Küche und Köchen. Habe lange geschwankt zwischen CCC Lugner City – hübsche flinke, chinesische Kellnerinnen servieren exzellentes Essen aus allen Etagen des Einkaufszentrums direkt an den Pokertisch – oder dem ehrwürdigen Stammhaus in Simmering mit der 24 Stunden Rund um die Uhr Versorgung. Aus alter Loyalität und um Turnierdirektor Johnny Luetkenhorst den verdienten Respekt zu zollen, wird es nun das Stammhaus in Simmering werden, trotz der doch recht risikobehafteten Speisekarte. Solange ich in meiner Freizeit essen kann, was und wann ich will, ist alles kein Problem. Zurück zu meinen deutschen Freunden, die extra anreisen werden am letzten Wochenende im April. Kürzlich chattete ich mit „CrazySheep“ und der hat sich für das CCC Kufstein entschieden. Aktuell gibt es dort noch sieben Restplätze und ich würde schnell zuschlagen. Was wird CrazySheep für ein Gesicht machen, wenn er entdecken wird, dass die Turniertische keine Buttons haben und die Avatare auch noch sprechen können. Auf jeden Fall einen kleinen Umweg nach Kufstein wert.
Doch zurück zur Banh Canh Suppe – dabei handelt es sich um eine vietnamesische Nudelsuppe mit Hühnerfleisch, Riesengarnelen, diversen Gemüse und frischem Koriander. Großartig vom Geschmack, und die beste aller guten Banh Canh Suppen gibt es in einem Lokal bei mir gleich in der Nähe. Weit mehr als hundert werde ich mir da geholt haben in den letzten fünf Jahren. So manche Kolumne schrieb ich, während ich gleichzeitig damit beschäftigt war, feine Stücke von kurz gegartem Gemüse mit Hilfe der Stäbchen zum Mund zu balancieren. Mittwochs bin ich besonders angewiesen auf das Catering. Nach getaner Arbeit fröne ich einer privaten Pokerpartie. Nicht zu hoch, aber auch keineswegs zu klein. Genau das richtige Limit, um mit Freunden Spaß zu haben und im besten Fall ein wenig Profit zu machen. Mein Essen nehme ich mir da gewöhnlich mit, weil mehr Zeit bleibt nicht, und da passierte vor einigen Wochen, das schlimmste was mir passieren konnte. Man hatte mir die falsche Suppe eingepackt. Blasser Tofu, sonderbares Gemüse und geschmacklich einfach nicht meines. Verächtlich stocherte ich ein wenig in der mir unbekannten Brühe und versuchte meine Abendernährung auf Popcorn und Würstchen umzustellen. Selbstverständlich habe ich mich leise und dezent bei nächster Gelegenheit beschwert. Der Kellner machte eine reuige Miene, gelobte Besserung und stellte mir für das nächste Mal eine entsprechende Gratissuppe in Aussicht.
Zwei Mittwoche später derselbe Kellner und ich wieder in Eile. Nochmals auf der Eindeutigkeit meiner Bestellung beharrt, zehn Minuten gewartet. Mein Essen im blickdichten Plastikgeschirr übernommen und zu meiner Verblüffung trotzdem bezahlen müssen. Kein Wort mehr von wegen Suppengutschrift und da ich bei so etwas viel zu versnobt bin, um auch nur ansatzweise zu diskutieren, bezahlt, Essen geschnappt, auf meinen Taiwanesischen Roller gehüpft und gerade rechtzeitig zur ersten Austeilung die Pokerpartie geentert. – Trüber Tofu, unbekanntes Gemüse und wieder alles so falsch wie es nur sein konnte. Nichts habe ich mir anmerken lassen, rein gar nichts, wie sich das für einen ehemaligen Pro gehört. Still mein Popcorn gegessen und meine Hände schweigend gespielt. Knappe zwei Stunden und dreihundert Euro später, war es dann soweit. Irgendwie scheine ich alles verzeihen können, bis auf krasse Unkorrektheiten in der Kulinarik. Irgendein alter Teil meines Stammhirns fühlt sich dann so massiv bedroht und reagiert langsam, aber unaufhaltsam. Das hatte mir übrigens auch seinerzeit die Sperre im CCC Simmering eingebracht. Es ging zwar um eine andere Sache, aber es war derselbe Teil in mir, der dann eben nicht anders konnte, als das zu tun, was manches in mir glaubte tun zu müssen. – Wieder auf den Roller gesprungen und Vollgas retour. Durch die Tür rein marschiert (aber ich wäre notfalls durch die Wand gegangen) und dann kam Bessy Bezwoda ins Spiel und alles war wieder gut.
Man lernt in den Casinos eine Menge. Wäre ich Personalchef und hätte ich einen schwierigen Job zu vergeben bei dem man mit noch schwierigeren Menschen zu tun hat, ich würde im Zweifel immer die Casinoveteranen engagieren. Bessy Bezwoda ist so ein Veteran. Mehr als zehn Jahre in den Casinos Austria und dann was Wichtiges in der alten, glorreichen Pokerworld für gefühlte weitere fünf Jahre. Im Lokal meines Herzens macht er auch was Wichtiges, aber was genau habe ich selbstverständlich nicht gefragt. In meiner Sache hat er jedenfalls alles richtig gemacht. Er hat mich mal freundlich an die Schulter gefasst, was immer schlau ist, wenn man jemand persönlich kennt, der gerade wirklich wütend ist. Dann hat er mich (alte Schule eben) ganz höflich für zwei Minuten auf den nächsten freien Barhocker platziert. Blutdruck von gefühlten 210 auf garantierte 180 gesenkt, hat mich kurz sprechen lassen und hat danach Worte gewählt, die man sicher in keinem Gastronomiekurs dieser Welt lernen kann. Eher wie Winston Wolf aka „The Wolf“ in „Pulp Fiction“. „Hör zu Götz. Wenn du wieder Suppe willst kommst du zu mir und ich sag dir, was ich dann mache. Ich kümmere mich persönlich darum, dass du die richtige Suppe bekommst. Und ich möchte nicht, dass du das Wort „zahlen“ in den Mund nimmst, oder dass du nur an zahlen denkst. Du schaust mir einfach in den Augen und ich sage dir, wann es wieder soweit ist, dass du deine Suppe zahlen darfst.“ – „Danke“ habe ich erwidert. „Vielen Dank und darf ich das notieren was du gerade gesagt hast. Ich habe gar nicht gewusst, dass man so was Cooles über Banh Canh Suppe sagen kann.“ „Klar kannst du das notieren“ hat Bessy Bezwoda gesagt und mir die Hand gegeben. – Ich bin dann raus auf meinen Taiwanesischen Roller und hatte meine Ehre wieder. Und Hunger hatte ich auch – das war aber nicht weiter wichtig.
Götz Schrage
PS: Breaking News zur CONCORD MILLION. Konnte gerade mit dem Turnierdirektor Johnny Luetkenhorst einen Sonderdeal abschließen. Sollte ich bei der CONCORD MILLION den Finaltisch erreichen, werde ich den ganzen Tisch auf die beste vietnamesische Suppe einladen, die Wien zu bieten hat. – Es geht jetzt also nicht nur um eine Million Euro, es gibt jetzt optional noch added Banh Kanh Suppe zu gewinnen. Wer da nicht mitspielt, dem ist wirklich nicht zu helfen.