Eddy Scharf ledert los. Im Tonfall von gewohnter rheinischer Heiterkeit, in der Sache selbst, brutal und gnadenlos. Uns Pokerspielern wird unterstellt, als eierlose Memmen durch die Casinos zu geistern und keinen scheint es zu interessieren. Sehr sonderbar und mir unerklärlich. Statt Dutzenden an empörten Kommentaren, fühlte sich scheinbar keiner der sonst so kritischen Hochgepokert.com Leser auch nur irgendwie betroffen. Schlechte Nachricht an alle. Eddy Scharf hat die unterstellte Absenz der „Eier“ allegorisch gemeint, (oder war es eine Metapher?). Egal, jedenfalls der prüfende Blick in den Badezimmerspiegel täuscht. Was da in voller Pracht zwischen den Beinen baumelt, nutzt gar nichts, wenn es darum geht, Rückgrat und Charakter zu zeigen. Nun gut, man kennt das aus eigener Erfahrung. Böse Männer raffen sich auf zu wahren Worten und man nickt zustimmend, in dem Irrglauben, es beträfe einfach wieder nur die anderen. Man selber sei selbstverständlich nicht gemeint, weil – ja warum eigentlich nicht? Logisch, weil man ja gerade zustimmend nickt! Und man würde ja nicht nicken, sondern sich wehren und dem Eddy Scharf die bösen Kommentare zumindest virtuell um die Ohren schlagen. – Außer man ist tatsächlich eine eierlose Memme, weil da würde es ja stimmig ins Charakterbild lassen. Erst lässt man sich alles gefallen und wenn das jemand thematisiert, solidarisiert man sich mit dem Ankläger. Aber bitte ganz leise und diskret, weil für ostentativen Applaus bräuchte man ja nicht nur zwei gesunde Hände, sondern eben auch – richtig geraten – Eier.
Eines vorweg, ich bekomme dafür nichts extra bezahlt, aber dieser Jens Knossalla ist ja wirklich ein unfassbarer Glücksgriff. Mit seiner jovialen Art und dieser charmanten Unschuld des überschaubaren Geistes, verwirrt er seine Interviewpartner nachthaltig. Die plaudern dann drauf los, als gäbe es weder morgen, noch Lennart Hennig hinter der Kamera. Man stelle sich als journalistisches Gegenkonzept den von mir geschätzten Michel Friedmann vor. Keinen Pieps würde irgendwer zu irgendetwas sagen, alle Pokerspieler würden sich im nächsten Solarium verstecken und warten, bis der wieder weg ist. Nebenbei bemerkt, ein äußerst schlecht gewähltes Versteck. Wenn Jens Knossalla zu plaudern beginnt, dann plaudert man mit und dann sagt man vielleicht das, was man sonst so niemals sagen würde. – Mir hält jetzt keiner ein Mikrophon vor die Nase und Zeit hatte ich auch genug nachzudenken. Quasi unfaire Bedingungen zu meinen Gunsten. Und ich gebe Eddy Scharf keineswegs in allem recht. Als Journalist habe ich bezüglich der letzten zehn Jahre schon eine deutlich andere Meinung. Poker hat enorm dazu gewonnen im gesellschaftlichen Sinne. Es fehlt natürlich immer noch viel und das an allen Ecken und Enden, aber ein EPT Berlin Finaltisch live im deutschen Sportfernsehen, ein Boris Becker als großartiges Pokerstars.de-Testemonial, viele Mitbewerber auf dem hart umkämpften deutschsprachigen Pokernews-Markt und viele andere positive Signale, lassen uns alle gemeinsam doch recht stolz auf die letzten zehn Jahre blicken. Die Spieler lassen sich zwar – im Gegensatz zu früher tatsächlich fast alles gefallen, aber das was mit ihnen geschieht, ist nicht zwingenderweise so übel.
Wobei natürlich fühle ich mich auch ein wenig ertappt. Wenn man als Journalist nicht zur Gattung der Memmen gehören will, muss man zu seiner Meinung stehen und diese – dazu sind wir ja schließlich da – auch entsprechend veröffentlichen. Manchmal behindert man sich da selber in so einer Art vorauseilendem Kuschelkurs, oder man ist mit denen, die es zu kritisieren gälte, einfach schon zu lange befreundet, oder steht sonst irgendwie in einem Nahverhältnis. In meinem Fall allerdings kann man mir eine gewisse Altersmilde zugestehen und manchmal nehme ich mich nicht so wichtig, wie sich jeder Mensch eigentlich wichtig nehmen sollte. Bei derselben Veranstaltung, bei der Eddy Scharf seine scharfen zwei Minuten hatte, war ich auch kurz davor, etwas wirklich Böses zu schreiben. Für einen Abend hatte ich mich nämlich als investigativer WPT Reporter in der Dinnerbreak an das Buffett der Spieler gewagt. Exklusiv auf Hochgepokert.com meine bisher nicht veröffentlichten Notizen dazu: „Belangloses Huhn mit labbrigem Reis – lauwarmer Wein – tristes Coca Cola in labbrigen Plastikflaschen – der Schweinsbraten schmeckt nach Lamm, das Sauerkraut schmeckt nach Schwein – müsste ich jeden Tag hier essen, würde ich mich sofort vom sechsten Stock stürzen – Moment in den sechsten schaffe ich es nicht. Der 5.Stock muss reichen.“ – Aber dann habe ich mich umgesehen unter all den Kollegen, die mit mir am Tisch saßen und begeistert aßen, weil es wohl umsonst war und weil so eine Pause nach harter Arbeit einfach gut tut. Und auch den Spielern, die da saßen schien es zu schmecken, während sie wechselweise ihrem bilingualem Singsang lauschten: „Er openraised, ich vierbette, daraufhin pushed der Button allin“. Und dann habe ich mich in meiner Milde gefragt, um was geht es hier eigentlich? Das Montesino hat doch ein Top-Event auf die Beine gestellt. Die Kernkompetenz wurde eindrucksvoll bestätigt, und was soll ich mich da als Wallraff des Casinobuffets wichtigmachen. Früher hätte ich mich so aufgeregt, da hätten mich vier Security-Mitarbeiter raustragen müssen. Moment, jetzt habe ich ein wenig angegeben. Drei Securitys hätten wahrscheinlich gereicht. Jetzt zehn Jahre später, bedanke ich mich artig, wische mir den Mund ab und fahre nach Hause warm duschen. Bin ich jetzt deswegen nach der Scharfschen Definition gleich eine Memme?
Womit ich den Ball elegant an die Leser weiterspiele. Hier unten nochmals der besagt Ausschnitt in bewegten Bildern. Die Technik macht es möglich. Ich habe diese Stelle aus einem Pokertoday.com Bericht vom 11.April geklaut. Ich bitte meine bekannt schlauen und kritischen Leser um Aufklärung, was will uns Eddy Scharf eigentlich sagen? Ich spüre definitiv, dass da eine Menge dran ist, aber ich weiß nicht genau, was?. Oder anders gefragt, ist der alte Mann aus Köln nur böse, weil der FC absteigt und die Veranstalter müssen es büßen, oder steckt da doch mehr dahinter? – Bin mal auf die Kommentare gespannt.
Götz Schrage
PS: Für den Fall, dass mir Kollege Lennart Hennig doch nicht verzeiht und an eine Abmahnung wegen Verletzung des Urheberrechtes denkt, ich werde mich zu wehren wissen. Und mein Anwalt wird wohl kein geringerer als Michel Friedmann sein. – Ich habe da so meine Kontakte. Und wenn ich schon dabei bin, den Anwälten vom Montesino werde ich es ganz leicht machen, ich sperre mich selbst auf Lebenszeit für alle WPT-Buffets und unterschreibe auch gerne eine Unterlassungserklärung, hinkünftig von allen Kommentaren zur Kulinarik abzusehen. Dieses einmal musste es einfach sein, schließlich bin ich keine Memme.