Mit heftigen Reaktionen muss man rechnen als heftiger Autor. Aufgeregte Themen provozieren aufgeregte Kommentare. Kein Grund die Fassung zu verlieren und wer sich von ein wenig Gegenwind irritieren lässt ist falsch in unserer Branche. Manches kränkt mich allerdings doch und gegen anderes kann man sich nur sehr schwer wehren. Aber dem Wortingenieur ist ja bekanntlich nichts zu schwer. Deswegen werde ich es versuchen. Frohgemut und ungebrochen. Und zur Verwirrung von Freund und Feind beginne ich gleich mal mit einem Geständnis. Ja es stimmt, ich bin älter geworden. Ferner und in Tateinheit zu betrachten, gestehe ich, dass ich früher jünger war. Aber – und darauf lege ich Wert – Poker spielen unterscheidet sich von Turmspringen und Kunstturnen nicht nur durch die entspanntere Kleiderordnung. Im Casino darf man ruhig ein wenig älter werden ohne den Überblick zu verlieren. Ganz im Gegenteil, solange man sein Oberstübchen pflegt und regelmäßig füttert, weiß man mit jedem Casinojahr hinterher deutlich mehr als vorher. Zugegeben, bei manchen Mitspielern hat man mit einiger Berechtigung den Eindruck, dass sie seit zwanzig Jahren exakt das gleiche schlechte Poker spielen. Allerdings ist das wieder ein Indiz dafür, dass es abseits des Spieltisches ein enormes Potential an Tüchtigkeit und Lernbereitschaft geben muss. Anders wäre das über die Jahrzehnte sicher nicht finanzierbar. – In meiner heutigen Kolumne versuche ich zu erläutern, warum mir vor diesem ganzen Zeug wie Rakeback, Affilliate und Hilfssoftware so maßlos ekelt und wie sich das trotzdem keinesfalls mit Altersstarrsinn erklären lässt. Falls ich unrecht haben sollte, lege ich Wert darauf, dass sich mein Unrecht haben eher mit mangelnder Intelligenz begründen lässt und keinesfalls mit der Ungnade der frühen Geburt zu erklären wäre. – Aber das ist eine eitle, rhetorische Floskel. Weil ich weiß, dass ich recht habe. Zweifelsfrei sogar.
Poker ist mehr als nur irgendein Spiel. Ein zarter Glücksfall der Casinoevolution. Ein in sich stimmig, ausgewogenes System und für die Ewigkeit geschaffen. Dümmlinge jammern zwar über die Varianz. Dabei ist die Varianz das Beste von allen. Quasi die Killer-Application (um mal einen modern jugendlichen Begriff zu verwenden). Die schlechten Spieler profitieren von der Varianz und dürfen zu recht auf ihr „one time“ hoffen und paradoxerweise profitieren die guten Spieler genau von der Selben Unwägbarkeit, weil die das Dinge am Laufen hält. Zu behaupten, Poker sei ein großartiges Spiel, wäre nicht dieser lästige Glücksfaktor involviert ist einfach zu kurz gedacht. Es wird schon einen Grund haben, dass sich die Kugelstoß-Casinos nicht durchgesetzt haben. Da gewänne nämlich immer noch die mollige Mutti mit den dicken Armen aus der ehemaligen KJS Karl Marx Stadt. Das sexy Charakteristikum am Poker ist nun mal spielimmanente Unsicherheit, um es mal vorsichtig kompliziert auszudrücken. – Allerdings haben so fein funktionierende Systeme recht wenig Toleranz. Nehmen wir doch mal unseren kleinen wunderbaren Planenten. Millionen von Jahren hat alles ganz gut funktioniert. Tonnenschwere minderintelligente Dinosaurier haben praktisch nichts kaputt gemacht. Trotz ihrer Größe und obwohl über das aktive Umweltbewusstsein der Monstertiere bis heute wenig bekannt ist. Poker gibt es zwar noch nicht ganz so lange, aber es ist auch ein Erfolgsmodell und zusätzlich noch eine über mehr als hundert Jahre gepflegte Erfolgsmarke (doch davon später mehr). Bleiben wir bei der Empfindlichkeit und damit sind wir bei der Kluft zwischen den guten Spielern und den defensiven Hasardeuren. Solange der Vorteil der Könner nicht zu groß ist, wird es den Sponsoren auch weiterhin Spaß machen. Besiegt werden ist nicht das Selbe, wie zertrümmert werden. Wenn sich ein schlechter NL Online-Spieler wie einer meiner in die Schlacht wirft, will ich mit meiner Schlechtigkeit anonym bleiben. Jede datenmäßige Erfassung meiner schaurigen Performance halte ich mal persönlich für Missbrauch und wünsche denen, die das anbieten dreißig Jahre Haft ohne Bewährung. Aber über mein persönliches Rechtsempfinden hinaus, halte ich solche Hilfsmittel für organisch unschlau. Kürzlich erst wollte ich – aus reiner Solidarität das tun, was meine Leser wohl auch so tun und ein wenig NL „grinden“ im Netz. Draußen war es ungewöhnlich kalt für den Mai und trotzdem schwang ich mich auf meinen fetten Roller, um mich auf der Tankstelle paysafekartenmäßig frisch zu machen. Zweimal €50 und eine Tüte Popcorn. Wie ich daheim war, hatte ich nur noch das Popcorn. Irgendwo unterwegs hatte es mir die virtuellen Bons verweht und es war mir egal. Kein gutes Zeichen. Das mit dem egal sein meine ich. Stattdessen zog es mich dann ins Cafehaus und ich durfte weitere zwei Hunnies auf organische Art beim Backgammon abgeben. Das war mir zwar nicht egal, aber wenn die Würfel gerade ihre Tage haben, geht eben gar nichts.
Und jetzt wie versprochen zur Kraft der Marke Poker. So schnell kann niemand die Klasse nehmen. Pokerspieler zu sein ist cool. Um jetzt doch mal von alten Zeiten zu schwärmen. In früheren Zeiten, war es noch cooler. Bei uns in den Parks der Vorstadt wollten die wenigen ordentlichen Jungs Automechaniker werden oder Installateur. Die weniger ordentlichen Zöglinge wie ich einer war, dachten über eine Karriere als Einbrecher, Zuhälter oder Spieler nach. Poker hatte was unbarmherzig viriles. Wer nach einer durchzockten Nacht noch mit dicken Sonnenbrillen im Käfig Fußball spielen ging, hatte gute Chancen mit der hübschesten Serbin ausgehen zu dürfen. Allerdings ist da der Bruder mitgegangen, aber das ist dann eine andere Story. Pokerspieler zu sein, war eine scheißcoole Sache und man war zwar nicht immer flüssig, aber immer lässig. Kann es etwas Wichtigeres geben? Diese „ich gewinne zwar nicht beim multitablen, aber kann vom rakeback ganz gut bei Mutti leben“ Typen bekommen doch maximal auf der Singlebörse von RTL2 eine wirklich Verzweifelte ab. – Oh mein Gott. Ich merke es. Ich verliere schön langsam die Contenance. Im wirklichen Leben da draußen legt meine Frau in solchen Momenten ihre Hände auf meine, oder ein schlauer Floorman wie der Herr Liesing-Franz lädt mich auf was zu trinken ein. Hier stoppt mich keiner und so kann ich mich nur selber stoppen. Es trifft sich gut, dass ich noch eine Einladung zu einer heißen Omaha-Partie im Pokerclub Pokus habe (Ende der unentgeltlichen Werbeeinschaltung). Dort hole ich mir meine gesamten €300.- zurück. So zumindest der Plan. – Demnächst mehr dazu in diesem Theater.
Götz Schrage
PS: Ich ersuche den unehrlichen Finder meiner beiden Paysafecards weiter unehrlich zu bleiben und empfehle die €100 auf Bayern führt/gewinnt zu setzen (bitte keinesfalls unter 2.85). Wenn er sich noch die Tüte Popcorn abholen möchte. Ich bin leicht zu finden. Danke für die Aufmerksamkeit.