Manche Leser können mich einfach nicht leiden. Ich verstehe das nur zu gut. Manchmal rede ich tagelang nicht mit mir, so sehr gehe ich mir selbst auf die Nerven. Zugegeben manchmal mag ich mich auch. Die meiste Zeit allerdings bin ich mir völlig egal. Was mir aber nicht egal sein kann ist, wenn ich für Dinge verantwortlich gemacht werde, mit denen ich aber nicht das Geringste zu tun habe. PokerToday ist auch meine Lieblingssendung. Für uns daheimgebliebenen der schönste Trost und noch dazu kompetent moderiert und in bewegten Bildern. Von Flugangst geplagt trösten mich seit Jahren großartige Kollegen wie Henning Pohl, Jonas Schorfheide, Emmanuel Adam, Natalie Hof, Lennart Hennig u.a. mit ihren spannenden Beiträgen. Dieses Jahr wird unser aller Jens Knossalla Master of the PokerToday.com-Mic sein. Eine exzellente Wahl des Managements und wie man so hört werden die Koffer noch diese Woche gepackt. Doch zurück zu den Ungerechtigkeiten des Lebens. Bei allem Verständnis für die wachsende Ungeduld, was habe ich mit der Sache zu tun? Der Unmut in den Kommentaren liest sich so, als ob Jens Knossalla noch nicht fliegen dürfe, weil er mir jeden Tag Frühstück machen müsse. Oder als ob die Pixel bei Hochgepokert.com so rar wären, dass es einfach keinen Platz für meine Kolumnen und den besten Jens aller Zeiten gäbe. Nochmals zur Beruhigung. Ende der Woche geht es los und ich werde – so wie schon seit Jahren – keine Folge von PokerToday.com versäumen.
Doch zurück in meiner kleinen Welt. Las Vegas ist bei Lennart Hennig, Fabian Grubler und bald auch Jens Knossalla bestens aufgehoben und erlaubt mir weiterhin über meine pokerrelevanten Erlebnisse zu berichten. Letztes Wochenende musste ich mal wieder auf die Polizei. Noch dazu in eines der Wachzimmer, wo ich schon mal unfreiwillig war und erst nach längerem Procedere wieder weg durfte. So fremdbestimmt zu sein, mag ich gar nicht und das macht mich in der Regel hochgradig nervös. Wie erwähnt, diesmal ging ich unbegleitet und gewissermaßen freiwillig da hinein. Man hat mir am Samstag meinen fantastischen Roller gestohlen. Die Kymco Grand Dink mit der deutschen Fahne hinter drauf. Siehe auch das wehmütige Bild vor dem Portugal-Spiel. Wie auch immer, es war nicht viel los am Wachzimmer. Ich musste trotzdem eine Weile warten, dann durch dicke Türen in so ein so ein Glasaquarium gehen. Ein Beamter vor dem Rechner, ein zweiter mit dem Funkgerät in der Hand und nach Aufnahme meiner Daten und Prüfen meiner Papiere ein dritter Polizist in der Tür mit der verblüffenden Frage: „Sind Sie Götz Schrage der Pokerspieler?“ – Was zur Hölle ist da die richtige Antwort? Von der Jugend an hatte ich gelernt, rede mit der Polizei nur, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Dann aber rede viel um eine gewisse Kooperationsbereitschaft vorzutäuschen, sage aber so wenig wie möglich. Eine Strategie, die mir so in Fleisch und Blut übergangen ist, dass ich mich damit sogar schon durch manche Kolumne mogeln konnte. Aber die Frage war einfach zu klar. Keine Doppel – oder Wahlfrage, keine Ergänzungsfrage , sondern eine eindeutige Entscheidungsfrage. Wir Hobbylateiner erinnern uns, eingeleitet durch ein „Fragepartikel“ und der Fragesteller mag zwar keine Präferenz zur möglichen Antwort haben. Nur eine klare Entscheidung sollte schon transportiert werden. „Möglicherweise könnte ich Götz Schrage der Pokerspieler sein“ oder „Kommt darauf an, was Sie gerne möchten“, fiele damit schon einmal aus.
Kurzfristig war ich versucht mich mit einem: „Mir ist gerade eingefallen wo mein Fahrzeug steht“ zu verabschieden. Selbstverständlich wäre das gelogen gewesen, aber vielleicht eine gute Shortstack-Strategie. Doch stattdessen nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und antwortete: „Ja das bin ich“ und setzte ein sorgenvolles: „wieso?“ hinterher. Good decision kann ich nur sagen. Ich wurde bestens behandelt. Glück muss man als Bestohlener haben. Wien ist halt wirklich anders und in vielem auch wirklich besser. Der freundliche Beamte war schon mehrfach bei der WSOP, kannte so manchen meiner Freunde und – geradezu eine Selbstverständlichkeit – mit Hochgepokert.com die beste deutsche Pokerseite im Netz. Trotz (oder wegen) meiner Kolumne, da kann man ja durchaus geteilter Meinung sein (siehe oben). Jedenfalls, es wurde sich bestens um mich gekümmert, meine schön Kymco Grand Dink wurde zur Fahndung ausgeschrieben und ich durfte sogar ein wenig Polizeifunk mithören. Unter „besonderes Kennzeichen“ habe ich meine silbernes Top-Case angegeben. Nur die deutsche Fahne habe ich verschwiegen. Sicherheitshalber und die Polizei muss ja schließlich nicht alles wissen.
Aber kommen wir zum großen Ganzen und verlassen wir meine kleine Welt. Das Image von Poker hat sich offensichtlich sehr zum Besseren gewendet. DSF, Sport1, PokerOlymp, Pokernews, Michael Körner, Pokerfirma, 2plus2, Pokertoday, Stefan Raab, Chris Moenymaker, Katja Thater, Sandra Naujoks und Hochgepokert.com sei Dank – um nur einige zu nennen. Dieser Wandel wird ganz sicher noch weiter gehen. Irgendwann werden die wildgewordenen Bunderländer-Sheriffs aufhören das CCC Kufstein zu stürmen. Die Behörden in Deutschland werden davon absehen, irgendwelche kleinen Pokerpartien mit einer Hundertschaft von Sondereingreiftruppen aufzulösen und alles wird so entspannt und legal sein, wie wir entspannten und legalen Pokerjungs es auch verdient haben. Älter werden macht nicht immer Spaß, aber manchmal ein wenig weise. Vieles ändert sich und manches tatsächlich zum Guten. Nächstes Wochenende in Berlin werden 250 000 Besucher beim Christopher Street Day erwartet. Da kann man schon mal stolz sein auf das entspannte und tolerante Deutschland. Vielleicht sollten wir auch so einen Poker Street Day starten? Obwohl – nach meiner Erfahrung – die Bodys der Pokerspieler lange nicht so spektakulär und attraktiv wären. Einige Dealerinnen wiederum würden mir schon einfallen. – Aber das wäre dann wieder eine ganz andere Story.
Götz Schrage
PS: Beim Verlassen des Wachzimmers hat mich dann noch ein anderer Polizist auf die Seite genommen: „Was ist denn mit dem lustigen Deutschen von der WSOP im Montesino. Gibt es den noch?“. „Klar!“ habe ich geantwortet: „und ab dem kommenden Wochenende berichtet er für PokerToday.com auf unserer Seite.“ – Das nächste Mal nehme ich mich mir Autogrammkarten mit aufs Wachzimmer. Von Jens dem „lustigen Deutschen“.