Politiker sind auch nur Menschen. Sie können nicht alles wissen und sie müssen auch nicht alles verstehen. Niemand kann und wird das verlangen. Sehr wohl erwarten und verlangen kann man allerdings, dass sich Politiker bestmöglich informieren bevor sie Entscheidungen treffen und bevor sie „Glücksspielgesetze auf den Weg bringen“. In Baden-Württemberg ist das nun mal ganz sicher nicht passiert. Da gab es keine unabhängigen Experten, da gab es nur Interessen, Kompromisse und halbherzige Alibihandlungen. Wäre die da oben, an den Problemen da untern interessiert, könnten sie sich sehr rasch informieren. An „Experten“ in Sachen Automatensucht und den dramatischen Folgen mangelt es wahrlich nicht. Auch der dümmste regelmäßige Besucher der blinkenden und quiekenden Maschinen weiß wie der Hase läuft und wohin der Taler rollt.
Der baden-württembergische Innenminister Reinhold Gall kommentiert das etwa so: „Summasumarum sind wir der Auffassung, dass wir mit diesem Gesamtpaket einen vernünftigen Ausgleich schaffen was Suchtprävention anlangt und die Verhinderung von Sucht in diesem Bereich, aber auch noch Gewerbefreiheit zu gewährleisten worauf es ja auch einen entsprechenden Anspruch gibt.“ Nach dem neuen Gesetzentwurf müssen Spielhallen 500 Meter Abstand zu Schulen und anderen Gebäuden haben in denen sich Kinder und Jugendliche aufhalten. Des Weiteren soll bei der Vergabe von Konzessionen ganz wesentlich sein – hier wieder Innenminister Gall wörtlich: „Werden die Betreiber ein großes „prae“ haben, die dem Thema Suchtprävention einen besonders großen Stellenwert geben“. Ferner soll der potentielle Betreiber einen „verbindlichen Nachweis“ bringen, dass das Personal entsprechend geschult ist im Erkennen von Spielsuchtproblematik. Im Deutsch der Politiker heißt es dann: „Schulung dergestalt, dass das Aufsichtspersonal erkennen kann, ob jemand der Spielsucht zuneigt, oder ob jemand Geld verspielt“. Gleichzeitig werden den jetzt bereits bestehenden Spielhallen „Übergangsvorschriften“ und „Härtefallregelungen“ bis 2017 zugestanden. – Bis dahin wird es schon wieder eine Wahl geben. Abgesehen davon, einknicken und zurückrudern kann man ja noch immer. Obwohl es zugegeben schwer möglich scheint noch einen kraftloseren Entwurf auf den Weg zu bringen. Zum zurückrudern bleibt eigentlich kein Platz mehr auf dem See der willfährigen Feigheit vor der Macht und dem Kapital der Spielhallenbetreiber.
Besorgten Müttern erkläre ich gerne die Suchtgefahr von Poker. Man nehme ein Säckchen Gras, möglichst aus vertrauensvollem biologischem Anbau und verstaue dieses im Handschuhfach des eigenen Wagens. Vorsicht bei der Grenzkontrolle. Dann belasse man jenes illegale Säckchen acht Jahre lang Winter und Sommer im besagten Handschuhfach und parke stets möglichst in der prallen Sonne. Das was dann nach acht Jahren noch an suchtbildenden Stoffen übrig bleibt, wenn man sich aus nostalgischen oder sonstigen Gründen ein Tütchen rollt entspricht der Suchtgefahr bei Poker. Automaten spielen ist dagegen euphemistisch ausgedrückt Crack. Macht Birne kaputt, macht Leben und Beziehung kaputt, vernichtet Vermögen und Gesundheit tausende Male gnadenlos. Die Prävention gibt es bei jeder Tankstelle. Der Innenminister bekommt ja vielleicht Nachlass und der Liter Super zu 1.57€ wäre gut angelegtes Steuergeld. Aufstellen, anzünden und fertig. Vielleicht könnten die schlauen Schwaben das refinanzieren über Eintrittsgelder. „Besuchen Sie den größten Automatenfriedhof der Welt. Kinder zahlen die Hälfte.“
Kommen wir zum Personal. Die Idee, dass „auszubildende Mitarbeiter“ in den Automatenhallen darin geschult werden sollen, ob jemand „der Spielsucht zuneigt“ hat ja fast was Rührendes. Das würde ich mir auch zutrauen, dafür zu sorgen, aber erst nachdem ich am Straßenstrich durchgesetzt habe, dass die Mädchen der Nacht geschult werden, untreuen Ehemännern ins Gewissen zu reden und sie stante pede nach Hause zu ihren Frauen schicken. – Kann es sein, dass der baden-württembergische Innenminister Gall noch nie in einer Spielhalle war und, dass seine kargen Informationen über die er zu verfügen scheint aus dem Büro vom Landeschef des Automatenverbandes Baden-Württemberg Michael Mühleck kommen?
Nebenbei bemerkt, dieser Michael Mühleck erweckt bei mir gemischte Gefühle. Imposant, wie er sich in den Kampf wirft. In markigen Interviews kommentiert er die geplante „Verschärfung“ des Glücksspielgesetzes etwa mit: „Wir haben den Tod vor Augen“. Das ist sein Job, dafür wird er bezahlt und Stimmung zu machen für den Verband, dem er vorsteht ist wohl seine Pflicht und sein gutes Recht. Andererseits zeigt ein Mann wie Michael Mühleck uns Pokerspielern mal wieder, was wir eigentlich für ein rudimentärer Haufen von Blödmännern sind. Wir Pokerspieler haben keinen „Landeschef Baden-Württenberg“. Ohne Verband macht ein Landeschef auch wenig Sinn. Aber wir Pokerspieler schwächeln nicht nur in den Bundesländern, wir sind scheinbar zu dumm, zu intrigant und zu kurzsichtig, um mal als ersten Schritt einen Bundesverband zu gründen. Und bevor es mir jemand in den Kommentaren unter die Nase reibt. Ja, es stimmt. Ich habe diesen Artikel de facto schon zehnmal geschrieben und ich bin auch bereit, es noch hundert weitere Male in allen Varianten zu tun. Mir will einfach nicht einleuchten, dass sich in meiner alten Heimat Deutschland keine kompetente Gruppe von Vertretern des Pokersportes organisieren lässt. Der Grund, warum die Automatenaufsteller so viel besser dastehen ist, weil sie strukturell schlauer und besser organisiert sind. Und weiters ist mir klar, dass meine Kolumne – und alle die noch folgen werden – in der Sache nicht das Geringste bewegen wird. Ich bleibe in der Wahrnehmung ein einsamer, machtloser Verrückter, der etwas Halblegales zu seiner Passion erklärt hat. Ich kann damit leben so eingeordnet zu werden. Warum es im deutschsprachigen Raum eine Million an Pokerspielern gibt, die damit leben können, als einsame machtlose Verrückte mit halblegalen Interessen zu leben, wird mir immer ein Rätsel bleiben. – Gründen wir doch diesen Interessenverband so bald wie möglich. Wer zu spät kommt, den bestraft der Gesetzgeber wusste schon der große Floorman Gorbatschow.
Götz Schrage (Quelle: SWR2 Aktuell – Foto: BILD.de)