„Nichts ist so schlecht wie ein guter Tipp den man im Casino bekommt“ behauptet zumindest mein misanthropischer Freund Reuven B. und der hat meistens recht. Aber keine Ausnahme ohne Regeln oder umgekehrt. Ein junger aufgeweckter Dealer erzählte mir kürzlich von einer Pokerpartie im ungarischen Städtchen Sopron. Schöne Frauen, schöne Pots und schön große Portionen in den Restaurants. Was will man mehr? Für Hochgepokert.com habe ich mich auf die Reise gemacht. Zwei Erkenntnisse vorweg, wo man mich nicht kennt, scheint man mich eher zu mögen und wenn man mich nicht versteht, schadet es auch nicht wirklich.
Vorab eine Wegbeschreibung für eifrige Casinogänger. Vom Wiener Montesino fährt man über die Südosttangente Richtung A2. Wirft aus schwindelnder Höhe einen sehnsüchtigen Blick auf das CCC Simmering (oder das Goldentime je nachdem). Entert die Autobahn und widersteht der Versuchung nach Baden ins Casinos Austria abzubiegen, ebenso schmerzlich ignoriert man die Tatsache auf der A2 direkt am Weg ins Royale Wr. Neustadt zu sein und düst stattdessen die A3 in Richtung ungarische Grenze. Kritisch wird es nochmals am Knotenpunkt Eisenstadt – vom Royale Eisenstadt vermag man fast die Chips klappern zu hören, doch es geht weiter nach Süd/Südost und wenig später passiert man problemlos Klingenbach und hat es dann fast geschafft. Der Tüztorony Card Club liegt zentral in Sopron und wird von jedem Navigationsgerät verlässlich gefunden (Cszengery utca 32-34, 9400 Sopron). Im Erdgeschoß des Gebäudes wummern Disco-Beats gemischt mit Scooter auf Ungarisch, zum Card Club selbst muss man in den ersten Stock und wer sich nicht gleich registriert darf maximal an der Bar Platz nehmen. Ein komplexer Fragebogen, neben den üblichen Angaben etwa die verpflichtend auszufüllende Zeile „Name der Mutter“. Mein Scherz: „damit man sie besser beleidigen kann“ geht lost in translation. „English only“ werde ich vom Cardroom-Manager ermahnt. Als Komiker wäre ich in Ungarn garantiert arbeitslos, dafür mag mich das Mädchen an der Bar (wie nicht anders zu erwarten). Dann wird noch ein Foto gemacht und schon bin ich offizielles Mitglied des Tüztorony Card Club und dürfte gleich legal am Turnier teilnehmen. Zwei Tische, gespielt wird NLH Buy-in 4000 Forint/ 4 Rebuys möglich/ 1 Add-on. Obwohl ich mir extra den Umrechnungskurs auf zwei Stellen gemerkt habe (278.35) weiß ich wie so oft im Leben mit meinem Wissen nicht wirklich etwas anzufangen. Ich verspreche später zum Cashgame wieder zu kommen. Aus der ungarischen Miene des Cardroom-Manager kann ich nicht wirklich erkennen, ob er mir nur nicht glaubt, oder sich auch nicht darüber freuen würde, für den Fall, dass ich tatsächlich wieder käme. Perfektes Pokerface, wie ich später auch noch am Spieltisch erfahren werde.
Nächster Stop eine Dependance der Casinos Austria auf ungarischem Staatsgebiet. Am Weg dorthin kalkuliere und memoriere ich halblaut „alles mal 278.35 – oder doch geteilt durch 278.35?“. Ich weiß es nicht und stehe vor der nächsten Registrierung und dem nächsten Fragebogen. „Wird hier auch Poker gespielt?“ frage ich die Dame am Empfang. Man spricht Deutsch und auf Deutsch werde ich gebeten erst besagten Fragebogen auszufüllen. Wie meine Mutter heißt scheint hier nicht zu interessieren. Auch ein Affront irgendwie, dafür will man von mir wissen, ob ich „auf Grund meines Amtes als herausragende Persönlichkeit des öffentlichen Lebens“ gelte. Nach meinem Verständnis ganz eindeutig zu bejahen. Ich schreibe für Hochgepokert.com die unangefochtene Nummer Eins der deutschen Pokernews-Seiten, habe dienstlich und unabsichtlich der Tochter von Ornella Muti auf den zarten Popo gegriffen und bin mit Jens Knossalla befreundet! – Das müsste doch für „herausragende Persönlichkeit“ allemal reichen. Zumindest kann ich ausschließen, dass sich Hochgepokert auch nur teilweise im ungarischen Staatsbesitz befindet und solange sich mein Oberboss Kang auf keine Omaha-Schlacht mit dem Soproner Bürgermeister einlässt, wird sich an den Besitzverhältnissen nichts ändern. Poker wird tatsächlich gespielt, allerdings in der Variante „Ultimate Hold´em Poker“. Also ich gegen die Bank und die Bank hat lange Beine, blonde Haare und genau die Art Brillen, die ich an schönen Frauen besonders mag. Außerdem hat man den Tisch quasi extra für mich eröffnet und so dackel ich brav auf Platz Eins und versuche mich in den Wirrungen von Feldern wie „Blinds“, „Antes“, „Trips“, „3-4x“ und „2x“ einzulesen und parallel eine basic strategy zu entwickeln. So was kann ich im Kopf. Mein strategisches Konzept, ich wechsle €200 und wenn die weg sind nochmals €200. Weiter hatte ich das Ganze noch nicht durchgedacht. Immerhin ein Anfang. – Zu meiner Verblüffung gewinne ich und zu meiner Trauer, wird die junge Dame nach wenigen Minuten abgelöst und ich gehe dorthin wo mich der Liebe Gott am liebsten hat, an die Bar. Man ist freundlich, man ist hübsch und man bringt mir fast was ich bestellt habe. Ein guter Start in die Nacht.
Zurück im Tüztorony Card Club werde ich freundlich begrüßt und wie der Zufall so will, wird gleich ein Cashgame-Tisch eröffnet. Im Gegensatz zur währungstechnischen Enklave der Casinos Austria bekomme ich für meine Euros Massen an Forint-Jetons. Alles mal 278,35 , oder doch geteilt durch 278.35? Ich weiß es nicht und geistere noch mehr durch die Pots, als ich es bei NLH ohnedies tue. Manchmal bekomme ich Chips, weil meine Hand hält, oder die anderen aus Gastfreundschaft wegschmeißen. Dann gebe ich Trinkgeld und schaue dabei der Dealerin tief in die Augen, weil ich ergründen möchte, ob ich gerade umgerechnet €2 oder €20 gegeben habe (Hauptsache nicht 20 Cent). Das Rake scheint nicht wirklich günstig zu sein, zumindest wäre es höchst transparent, wenn man sich nur auskennen würde. Am Ende des Pots werden alle Chips übersichtlich und rasch sortiert und von den meisten Farben jeweils ein Stück versenkt. Mehr an Erhellendem konnte ich in jener Nacht nicht eruieren. Jedenfalls an der Kasse wird in Forint ausbezahlt. Die behalte ich jetzt und wiederkommen werde ich auch ganz sicher. Vielleicht zusammen mit meiner Mutter, wenn sie schon casinobekannt ist. – Am Rückweg fahre ich irrtümlich am Gefängnis von Sopron vorbei. Verdammt hohe Mauern, bedrohliche Türme mit Panzerglas. Endlich eine Stadt in der ich mich immer und jederzeit gut benehmen werde. Sollte ich zum Beispiel einen Käsetoast bestellen und man bringt mir stattdessen eine Tomatensuppe und leert mir besagte Tomatensuppe in mein Pokerstars-Hemd werde ich nur „Köszönöm szépem“ sagen. Das heißt (hoffentlich) „Danke schön“. – Mehr ungarisch kann ich noch nicht. Ich hoffe das reicht.
Götz Schrage
PS: Sollte aus meiner weltweiten Lesergemeinde jemand des ungarischen mächtig sein, mich würde noch (sicherheitshalber) der Satz: „Ich möchte einen Rechtsanwalt“ interessieren. Dankes schön bzw. Köszönom szépem.