Der ewige Patient Poker – Lohn der Angst – Keine mittleren Limits, keine Zukunft!

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Ich mache mir so meine Sorgen. Massive Sorgen und das selbstverständlich aus gutem Grund. Es ist was faul im Staate Pokerland und wer die dunklen Schatten nicht sehen möchte, wird noch sein dunkles Wunder erleben. Kürzlich hatte ich auf meinen rastlosen Reisen durch die Wiener Pokernächte eine Erkenntnis der üblen Sorte. In der Pokerworld vier teilweise volle Tische. €150/300 Limit 7 Card Stud,  €100/200  2 – 7, Mixed Game €200/400 7 Card Stud – €20/40 PL Omaha und ein wilder € 5/5 PL Omaha-Tisch mit Warteliste. Also deutlich zu hoch für mich – bis theoretisch auf den 5er Blind Omaha-Tisch, der aber reichlich feurig war und auf dem jeder Pot spätestens am Turn zu eskalieren drohte. Geld ohne Ende am Tisch, aber nichts für mich zu holen. So zog ich weiter durch die kleineren Cardrooms, die ich so aufrichtig liebe und um deren Fortbestand ich mir auch  so meine Sorgen mache. Dort wiederum war praktisch kaum Geld am Tisch. Kleine Miniatur-Pots mit maximaler Rake und Jackpot Belastung. Also eigentlich nur unter dem Aspekt Loyalität und Freundschaft spielbar. Zu holen gibt es da selbstverständlich auch nichts. So ehrlich muss man sein. 

Eine langfristig gesunde Kultur braucht seine organischen Strukturen. Ganz hoch und ganz klein wird in der idealen Welt von ganz viel Mitte verbunden. Der theoretische Durchmarsch sollte immer möglich sein. Wenn ich da kurz mit einer gewissen Wehmut an die alten Zeiten denken darf. So mancher Glücksritter schaffte damals im alten Wiener Concord Card Casino das Bravourstück. Am kleinsten Tisch mit einem Buy-in von umgerechnet €100 angefangen und dann nach Stunden des Kampfes aufgestiegen und dann in den Morgenstunden bei (umgerechnet) €50/100 Limit Stud gelandet. Dort dann im richtigen Moment einen guten Lauf erwischt, um dann am nächsten Nachmittag mit €10 000 plus das Casino zu verlassen. Solche wahren Legenden waren und sind das beste Marketing fürs Haus. Alles hängt irgendwie (noch) zusammen und alles scheint irgendwie möglich.  – Im Moment steuern wir auf schwarzafrikanische Verhältnisse zu. Die Oberschicht überlegt sich den Ankauf des Zweit-Helikopters für die Großwildjagd und die da unten vegetieren im Pokerkeller und dort sichern Chips einfach nichts weiter als eine gewisse Verweildauer. Wer schon mal etwas auf einem der kleinen Limit-Tische gespielt hat, weiß wovon ich rede. Mit Schnellbällen in der Sahara zu jonglieren macht mehr Sinn und vielleicht lässt sich das ja bei Red Bull vermarkten und man kommt so zu seinem Geld. Am Pokertisch wird man es nicht gewinnen. 

Sind jetzt wieder einmal die Casinos schuld? Schwer zu sagen. Manche sehen das so, manche anders. Ich bin da unentschlossen. Prinzipiell ist Poker nun mal ein Spiel wo Geld direkt von unten nach oben marschiert. Quasi unaufhaltsam und das wird auch für immer so bleiben. Die Casinos  – ob live oder online – erbringen zweifelsfrei eine Leistung als Spieleveranstalter und nehmen sich dafür ihren Obolus – und das Geld das übrig bleibt steigt auf wie der Heliumballon von Felix Baumgartner, um nochmals die Red Bull-Welt zu bemühen. Die zu Wohlstand gekommenen ehemaligen mittleren Spieler zocken da gegen das Geld der Reichen, die ein wenig Spaß haben wollen und die unten schieben sich das Geld solang im Kreis bis es weg ist. Ein tragisches Bild dafür hat sich dafür auf meiner privaten Festplatte der Erinnerung eingebrannt. Ein kleiner Cardroom, den es heute nicht mehr gibt war sehr strikt, wenn es ums Versenken von Chips ging. Zu „choppen“ war auch nicht erlaubt und so kam es immer wieder zu folgender ekeligen Situation. Kleines Blind €1 zahlt auf. Großes Blind 2€ checkt. Potsize (für 5 Sekunden) somit € 4.- bis der Dealer pflichtgemäß den obligatorischen Jackpot-Euro versenkte. Wenn dann durchgecheckt wurde bis zum River und beim Showdown hatte der Dealer Split-Pot zu annoncieren war die Katastrophe perfekt. Die verbliebenen drei Euro ließen sich schwerlich teilen. Somit bekam das Kleine Blind (out of position) die zwei Euro zurück und das große Blinde mit einem Euro gerade mal die Hälfte. – Über den Tisch möchte man sich übergeben in diesem Moment, aber das wird in den wenigsten Casinos gerne gesehen. 

Grundsätzlich sind die Casinos nicht schuld sind an dieser Misere. Die Männer in den Chefetagen der großen Häuser sind ja nicht dumm und auch die Entwicklung wäre ja schwerlich zu übersehen. Es ist schlichtweg der Druck des Marktes, der sie zwingt da tatenlos zuzusehen. In der Zeit, als es neben dem Wiener CCC keinen weiteren Cardroom in Wien gab, war alles schön geregelt. Der höchste erlaubte Tisch hatte ein Buy-in von umgerechnet €500 und nur zweimal in der Woche, war ein höherer Tisch erlaubt. Solange man das reale Monopol hatte, konnte man das auch durchziehen und erst durch neue Mitbewerber fielen dann alle Schranken und Limitierungen. Jetzt klafft eben die riesige und ungesunde Lücke zwischen den ganz oben und den kleinen ganz unten. Den mittleren und kleinen Limits fehlt damit auch das Geld von denen, denen Geld eben völlig egal zu sein scheint. Die bereit sind für einen schönen und lustigen Abend auch mal €20 000 liegen zu lassen. Auf Wunsch dreimal die Woche. Diese hohen Spieler mit wenig Ahnung und dicker Börse gibt es zwar noch, aber die stopfen es wieder nur denen in die Taschen, die schon genug haben. Quasi der Elite der Pokerspieler, statt es wie früher auch im Unter  – und Mittelbau zu verteilen.

Alles sehr kompliziert und alles auch irgendwie sehr deprimierend. Aber ich habe noch einen kleinen Gag zum Abschluss. Als Belohnung für den interessierten Leser, der sich durch diesen doch recht schwierigen Text bis zum Ende durch gerackert hat. Als routinierter Journalist musste ich in einer dieser hohen Nächte die Frage einfach stellen. Einer der Highroller stand gerade so günstig an der Bar und ich erkundigte mich, ob er sich denn sicher fühle in der Pokerworld bei all dem vielen Geld am Tisch.  Darauf hat er gesagt: „Den möchte ich sehen, der da rein marschiert und nicht gleich wieder vor Schreck umdreht, wenn er genauer hinsieht auf den Tisch“. Und dann hat er gelacht und ich habe mitgelacht. – Weil er da zumindest völlig recht hatte. 

Götz Schrage 

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