Tanja die hübscheste aller hübschen serbischen Kellnerinnen stöckelt mit High Heels über den dicken roten Teppich. Leise und elegant zugleich. So etwas kann man nicht lernen, das wird quasi pränatal angelegt irgendwo versteckt in einem der zahlreichen Schönheitsgene. Der Kameramann trägt flache Schuhe und bewegt sich wie eine Katze zwischen den Kabeln und technischen Geräten. Drehtag Eins der „Vienna Highroller“ im Wiener Montesino. Ich trage auch flache Schuhe. Mein erster Fehler des Tages. Zwei Meter groß und ausgerechnet mein Boss Ben Kang ist größer. Das tut meiner Seele nicht gut und meinem angeschlagenen Selbstbewusstsein sowieso nicht. Ich bin wieder dort, wo ich vor dreißig Jahren angefangen habe. Ein kleines unwichtiges Rädchen in einem großen Drehteam. Alle sind sie wichtig. Die Kameraassistenten, Kabelträger, Tontechniker, Visagisten und die Spieler sowieso. Nur ich habe nicht wirklich was zu tun. Mache meine Bilder, versuche nicht im Weg herum zu stehen und über keines der vielen bunten Kabeln zu stolpern. Einmal laufe ich frontal gegen eines der düsteren Stative. Der Kameramann ballt die Faust. Ich übersehe das in äußerster Milde. Der Kameramann wird noch gebraucht. Alle werden sie gebraucht. Nur mich braucht niemand. Ich hasse mein Leben.
Am Tisch sitzen die Jungs mit dem großen Geld. Die meisten kennt man sowieso. Entweder aus Funk und Fernsehen oder tatsächlich persönlich. Markus Golser in seinem Element. Qurin Zech, Florian Langmann, Jonas Kronwitter und dann mein alter Freund Jin. Mehr Nächte habe ich mit Jin verbracht, als mit so mancher Frau in meinem Leben. Seinerzeit habe ich selbst noch an den höchsten Tischen gespielt. Jetzt spielt Jin in Macao an den höchsten Tischen und ich muss hinter meiner Kamera warten und leise sein. Habe ich schon erwähnt, dass das Leben ungerecht sein kann? Wer nicht am Tisch spielt und trotzdem wichtig ist, sitzt im Nebenzimmer und hat Kopfhörer auf. Die Masse an Monitoren flimmert wie im Kontrollzentrum der Nasa, wobei ich weiß gar nicht, ob die überhaupt so viel Equipment haben. Paul Preis muss besonders wichtig sein, weil der hat nicht nur Kopfhörer auf, sondern auch ein Mikrophon vor den Mund geschnallt. Ständig spricht er mit der hübschen Dealerin und dann klopft er Einsätze und Potgrößen in die Tastatur. Ich höre Kommandos: „Platz Sechs! Was ist los? Platz Sechs. Sag ihm, er soll die Karten richtig hinlegen“. Und die Dealerin kümmert sich dann darum. Fantastisch diese moderne Technik. Zwei Spieler kenne ich nicht mit Namen und frage nach bei Oberfloorman Gregor Reichhardt, der immer alles weiß, was man wissen sollte. „Dermont Blain und Thomas Bichon“ sagt er und setzt ein „Beide weit über eine Million Dollar Turniergewinne“ hinterher. Auch kein Grund, sich besser zu fühlen. Besim Hot ist nicht da und hält mich trotzdem in Atem. Der Mann hat mehr Fragen als die amerikanischen Einwanderungsbehörden an anstrengenden Tagen. Was der alles wissen will über Tisch und Spieler. Gerade, dass ich die Luftfeuchtigkeit des Raumes und das Gewicht der 5000er Plaques nicht angeben muss. Brav recherchiere ich alles, nur damit Besim Hot kommt und spielt und während er spielt flirte ich dann mit seiner weiblichen Entourage. So zumindest mein Plan. Vielleicht besser, dass er dann doch nicht kommt. Besser für meine persönliche Sicherheit meine ich.
Apropos persönliche Sicherheit. Die Jungs von der Montesino Security sind auffällig tüchtig. Da fühlt man sich zu recht gut aufgehoben und ausreichend beschützt. Nur es gibt ja auch den Dschungel da draußen in der großen Halle des Einkaufszentrums und der ist voller Gefahren. Vielleicht kann man sich mit den Hell Angels irgendwie arrangieren und auch aufgebrachte Kurden sind letztendlich Menschen mit Herz und Verstand. Nicht zu spaßen ist mit aufgebrachten Tischtennisspielern. Die kennen keine Gnade und machen auch keine Gefangenen. Neben unserem Aufnahmestudio liegt die große Tischtennishalle. Gewöhnlich geöffnet bis 21.00 Uhr, aber wir beginnen jeweils um 18.00 zu drehen und das monotone „Klack – Klack“ kommt nicht gut in den supersensiblen Mikrophonen. Ich werde diese entsetzenden Gesichter niemals vergessen können und was zur Hölle haben kleine Adidas-Trainingstaschen für sonderbare Beulen. Ich will es gar nicht wissen und flüchte mich zurück in den sicheren Hafen der Vienna Highroller und stolpere über ein Kabel. Der Chef-Kameramann ballt ein weiteres Mal die Faust. Im Pot sind mehr als €40 000.-. Ich bestelle mir bei Tanja ein Roastbeef mit extraviel Remouladen-Sauce. Man gönnt sich ja sonst nichts.
Nach dem Essen zurück in den Produktionsraum. Irgendwie scheint das noch immer nicht ganz zu klappen mit der Position der Karten. Inzwischen wird es langsam eng. Eine Menge aufgeregter Männer starrt auf die diversen Bildschirme. Es herrscht eine Atmosphäre wie im Weißen Haus bei der Jagd auf Bin Laden. Nur Hillary Clinton fehlt. Irgendwann wird es Frank Koopmann zu bunt und er wirkt ein wenig ungehalten. Fast im Grenzbereich zu richtig wütend. Und wenn Frank Koopmann wütend wird, dann spielt es aber wirklich Rambazamba. Dann pocht da oben auf der Stirn eine Ader, die habe ich gar nicht. Die wurde glaube ich zuletzt beim Torosaurus in freier Wildbahn beobachtet und auch da ist sich die Wissenschaft nicht ganz sicher. Jedenfalls steht Frank Koopmann auf und marschiert direkt aufs Set. Rücksicht auf Kabel und Stative wird nicht genommen und trotzdem fehlt dem Kameramann der Mut die Faust zu ballen. Nur Jonas Kronwitter leistete kurz Widerstand. Wahrscheinlich war das einer dieser Momente, wo das ganze Leben vor einem abläuft und da hat sich der junge Jonas wohl gedacht: „Hey, ich habe Geld und schaue ganz passabel aus. Es soll noch nicht vorbei sein“ und hat sich wieder hin gesetzt. Besser war es allemal. – Zur Sendung selbst, will ich an dieser Stelle nicht zu viel verraten. Ab Dienstagabend, gibt es die erste Episode exklusiv auf Hochgepokert.com zu sehen. Wenn irgendwann mal ein Licht flackert, oder ein Mikro klappert, dann war das meine Schuld. – Viel Vergnügen.
Götz Schrage
PS: Wir hatten schwergewichtigen Besuch am Set. Kubrat Pulev, der nächste Herausforderer von Wladimir Klitschko kam zusammen mit Montesino-Gründer Otto Göschl und dem österreichischen Box-Star Marcos Nader. Im Windschatten dieses kampferprobten Trios habe ich dann den Rückzug angetreten. Vorbei an den wütenden Tischtennisspielern mit den ausgebeulten Adidas-Trainingstaschen. Niemand hat mich angerührt. Hoffe der Respekt hält noch eine Weile.