Er hat nächtelang mit Larry Flynt High Limit gespielt. Er war jahrelang eine unbezwingbare Macht auf den hohen Seven Card Stud-Partien. Er hat dutzende der deutschen Veteranen zertrümmert. Er hat reihenweise „lebenslange Casinosperren“ ausgefasst und durfte dann doch irgendwann wieder kommen. Er ist seit zwanzig Jahren mit mir befreundet (der wohl dunkelste Punkt in seiner Vita) und er moderiert jetzt zusammen mit Ben Kang die aktuelle Folge von „Vienna High Roller“ aus dem Wiener Montesino. Trommelwirbel, Trompetenfanfare und Tischfeuerwerk für Leon Kandlbinder. Den Albtraum jedes Kartengebers und die garantierte Vollbeschäftigung für die Jungs von der Security. Der Furchteinflößende ist zurück im Rampenlicht und verstärkt das Hochgepokert.com Moderatoren-Team. Möge die Übung gelingen und mögen sich meine „trolls“ und „hater“ zukünftig auf ihn stürzen und mich in Frieden lassen. Ich weiß nicht viel und ich bin mir bei wenigem wirklich sicher. Fix ist, wer mich kennt und Leon Kandlbinder kennt, findet mich plötzlich nett und angenehm. Zumindest relativ gesehen. Für die These gehen mir hundert Dealer als Zeugen. Mindestens!
Endlich mal wieder eine Gelegenheit in alten Zeiten zu schwelgen. Der pokerhistorisch interessierte Teil meiner Leser wird es mir danken. Die weniger Gutwilligen werden sich angewidert abwenden im fälschlichen Glauben einmal mehr nichts lernen zu können und somit wertvolle Lebenszeit zu verschwenden. Selbstverständlich eine unhaltbare These, weil die Scheine – ganz egal wie viele es aktuell auch sein mögen – verflüchtigen sich garantiert. Die Geschichten bleiben. Immerhin etwas, auf das man sich verlassen kann. Irgendwann werden wir alle älter, auch die jungen Online-Grinder aus der Abteilung: „Ich-gewinne-zwar-nicht-beim-Pokern-kann-aber-vom-Rakeback-leben“ werden dieser Dynamik der Zeit nicht entkommen. Wenn man sich dann später zurückerinnert und alles was einem einfällt war der Abend, an dem die Batterien von der Maus kaputt waren und man beim Nachbarn anläuten musste, um sich welche zu leihen, bleibt das wenig abendfüllend. Leon Kandlbinder hat sein Jahrzehnt des Erfolges gelebt wie ein Mann. Abseits des Pokertisches ein durchaus umgänglicher Kerl, aber im Casino ein Psychopath auf Bewährung, mit dem Talent stets das zu sagen und zu tun, was man keinesfalls sagen und tun sollte. Gattuso auf Crack, Prince Boateng auf Koks oder Uli Hoeneß nach einer Kiste Red Bull auf nüchternen Magen. Jedenfalls furchteinflößend anstrengend und wegen seines Schandmauls auf dem Trip der permanenten Selbstgefährdung. Im alten Las Vegas hätten sie Leon garantiert in der Wüste verbuddelt. An einem besonders hässlichen Platz wo man die Reste bald findet. In Serbien hätten sie ihn ins Meer geschmissen und in Russland hätte man ihn nach Sibirien verbannt und er müsste die Zelle mit den Pussy Riots teilen. Auch kein leichtes Schicksal. In Wien hatte er die richtigen Freunde (siehe oben), aber auch unsere Beziehung begann alles andere als konfliktarm. Ich erinnere mich an einen gemeinsamen winterlichen Gang auf den dunklen Teil des Parkplatzes, aber irgendwie waren wir beide ein wenig zu dünn angezogen und die Partie war auch so schön, dass man keine Hand versäumen wollte. Wir sind kurz Nase an Nase gestanden und dann beide mit heilen Nasen wieder reingegangen und seitdem gab es nie wieder einen ernsthaften Streit.
Neben Jin – dem Hochgepokert.com User bekannt von den „Vienna High Roller“ – war nebenbei erwähnt auch Jeff Lisandro Teil der hohen Wiener Partie. Bei Limit Holdem eine Macht, aber bei Seven Card Stud ein blutiger Anfänger. Vielleicht weil er dort lernen wollte, wo es richtig weh tat, hat er sich seinerzeit regelmäßig zu uns gesetzt. Keiner konnte ahnen, dass Jeff Lisandro später gleich drei Bracelets bei den WSOP-Stud Events gewinnen würde. Jedenfalls am Ende der „Ausbildung“ haben sich Jin und Leon beide den gleichen Cadillac gekauft. Für mich hat es gereicht, um meinen Alimenten und Unterhaltszahlungen nachzukommen und ein Fahrrad habe ich mir auch gekauft. Das Fahrrad habe ich noch, womit wir wieder elegant bei den bleibenden Werten wären. Finanziell schmerzhaft in Erinnerung ist mir eine andere Story. In einem Wiener Kaffeehaus gab es in den 90ern eine wirklich verdammt hohe Partie. Einfach so mitspielen war nicht möglich, man brauchte schon so eine Art Bürgen oder zumindest jemanden, der den entsprechenden Kandidaten dort mit wohlmeinenden Worten einführen konnte. Vereinbart war, dass ich mit 25% dabei gewesen wäre. Umgerechnet €25 000 waren ein solides Stack für die Partie. Am Weg ins Kaffeehaus kam es dann zu folgendem Dialog: „Götz, ich habe ein Problem!“. „Leon, wirst du dich auch gut benehmen? Ich habe für dich garantiert“. „Ja Götz, du kannst dich auf mich verlassen. Nur ich habe mit meiner Freundin gestritten und wenn ich mit meiner Freundin streite, spiele ich wie ein Schwein und verliere praktisch immer. Das kann heute richtig, richtig teuer werden. Ich habe ein sehr schlechtes Gefühl und bin nicht beleidigt, wenn du aussteigst.“ Nun, ich bin dann erst aus dem nagelneuen Cadillac und dann aus dem Deal ausgestiegen. Gewonnen hat der Leon in der Nacht mehr als €100 000 und ich durfte von der Bar aus zusehen. Immerhin meine Getränke habe ich ihn bezahlen lassen. Man gönnt sich ja sonst nichts.
Gemeinsam sind wir nur einmal ins Feuer gelaufen und waren ausnahmsweise beide unschuldig. Wahrscheinlich das einzige Mal, dass wir beide eine Sperre ausgefasst haben, ohne auch nur irgendwie etwas dafür zu können. Vielleicht war der Grundgedanke ein falscher. Wenn man ins teuerste und beste Puff der Stadt geht, sollte man seine Freundinnen nicht unbedingt mitnehmen (wieder eine der großartigen Lektionen, die man kostenfrei in meiner Kolumne als Tipp fürs Leben mitnehmen kann). Jedenfalls gab es dann in einem unaufmerksamen Moment einen Streit zwischen den mitgebrachten jungen Damen und den gewerblichen Damen des Hauses. Es mögen auch ein paar Gläser und sonstiges geflogen sein. Wie auch immer, ein weiteres lebenslanges Hausverbot in unserer Vita. Aus verlässlicher Quelle musste ich erfahren, dass das Wiener Babylon noch Jahre später Frauen den Zutritt verwehrt hat. Bin mir nicht mal sicher, ob das nicht noch heute gilt. Jedenfalls für den Fall, dass Ihnen Ihre Freundin endlich den Geburtstags-Dreier erlaubt und dann nicht eingelassen wird, Leon Kandlbinder und ich sind nicht schuld. Wohl eher unsere damaligen Freundinnen. Bitte beschweren Sie sich bei denen. Für heute wünsche ich Ihnen jedenfalls viel Vergnügen mit der neuen Episode der Vienna High Roller und achten Sie bitte auf den Gastkommentator Leon Kandlbinder.
Götz Schrage
Foto: Babylon1.com