Das Prinzip Hoffnung – Peter Zanoni hat Zeit für mich – Charlie Novak garantiert mein Schnitzel

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Kürzlich spielte ich mal wieder ein Turnier. Es war anfänglich wie immer. Erster Bad Beat gleich beim Seat Draw. Zu meiner Rechten die wohl größte stadtbekannte Nervensäge. Marke Pokeranalytiker und Kartenerklärer. Jede Aktion von jedem am Tisch wurde kommentiert. Jedes Wegwerfen samt Konsequenzen im Spielverlauf analysiert und besprochen. Zu meiner Linken der ebenso gefürchtete Ungeduschte. Selbstverständlich gibt es von mir kein schlechtes Wort über die Körperhygiene der Turnierspieler an sich. Wahrscheinlich durchwegs saubere und gepflegte Jungs bis auf den einen eben und der sitzt dann neben mir. Die Folter der Floorleute für einfach alles, was ich ihnen so angetan habe. Beim Cashgame stehe ich dann gewöhnlich auf und spiele was anderes. Ganz egal welche Variante. Hauptsache weit weg. Um das Bild abzurunden, ein höchst attraktiver Rachengel im Gewand einer Dealerin. Bei der ersten Gelegenheit wurden meine Chips ungezählt in den Pot gepackt. Meine zarten Proteste von wegen, ich hätte doch mehr, wurden mit einem entschiedenen, wenn auch ungerechtfertigten „covert“ abgeschmettert. – Es war eigentlich wie immer, aber es war doch irgendwie alles ganz anders. Mir wurde in dem Moment bewusst, wie sehr ich mich an das alles gewöhnt hatte. Was man für ein wunderbares Leben in der freien Pokerstadt Wien führen kann und, dass ich das alles so unfassbar vermissen würde, wenn das passiert, was die Unken unken und die Pessimisten fürchten. Die privaten Cardrooms in Wien dürfen nicht untergehen, weil sonst ein Stück Gegenwartskultur und Sozialleben für alle Zeit vorbei wäre. Mir wurde ferner bewusst, dass ich eben nicht nur das Spiel liebe, sondern das Ganze. Alles würde ich vermissen, wirklich alles. Sogar die Nervensäge, den Ungeduschten und die schnippische Dealerin. 

Zugegeben auch viele meiner optimistischen Freunde machen sich aktuell Sorgen und meine Kollegen von den anderen Pokermedien interpretieren den Maya-Kalender überhaupt gleich neu. Alle Cardrooms müssen zusperren. Erbarmungslos und ausnahmslos. Verschwörungstheorien kursieren zuhauf. Die Casinos Austria seien schuld, als ob die so dumm wären zu glauben, dass man von einem künstlichen Niedergang einer Branche auch nur mittelfristig profitieren würde. Wäre dem so, hätte sich die Planwirtschaft im Osten durchgesetzt und wir führen in rumänischen Autos und die modischen Schnitte unserer Jeans kämen vom Textilkombinat Karl Marx-Stadt. Natürlich braucht eine pulsierende Branche den Mittelbau und der wird exklusiv von den Privaten bedient. Wer das nicht versteht, versteht gar nichts. Die Idee, man könne den Markt teilweise schließen und vom Rest profitieren, funktioniert vielleicht bei der Frequenz, aber sicher nicht beim Profit. Die Gesetze der Schwerkraft sind beim Fluss des Pokerkapitals auf den Kopf gestellt. Geld geht immer von unten nach oben. Gibt es kein Unten, gibt es kein Oben, außer das Oben wird subventioniert. Vielleicht durch eine Art verkehrte „Turnier-Fee“ und wer will, darf sich noch ein Schnitzel einpacken lassen. 

Ich mache mir keine Sorgen. Ich habe im Büro beim Herrn Zanoni angerufen. Der war mal mein Boss und ich weiß, der hat immer die richtige Medizin parat. Die hatte er auch in den schweren gemeinsamen Zeiten, in denen ich für ihn arbeiten durfte. Und mag es auch diesmal besonders kompliziert sein, wird der Herr Zanoni diesmal eben besonders schlau sein müssen. Auf meine Frage im Sekretariat, ob ich mal melden dürfte, kam die beruhigende Antwort, der Herr Zanoni würde sich freuen und ich dürfte mich immer melden. Da soll ich mir noch Sorgen machen? Wer für mich Zeit hat, kann keine wirklichen Probleme haben, und wer sich freut auch noch, dem drückt garantiert nichts Schwerwiegendes auf der Seele. 

Ich erinnere mich da an eine Geschichte aus ferner Vergangenheit. Bis ins ferne Griechenland musste ich damals reisen, um einen zweifelsfrei schlechteren Backgammon-Spieler zu finden. Von Volos mit dem Schiff in Richtung nördliche Sporaden und bei einem der zahlreichen und doch recht langwierigen Zwischenstopps auf einer der Inseln hatte ich ihn gefunden. Mein Gegner war nicht nur ein schlechter Spieler, er hatte auch einen umfassenden Hang zur Schlechtigkeit und legte die Würfel immer wieder mit artistischer Bravour so, wie er sie zu brauchen glaubte. Bloß er war sogar zu dumm, um zu betrügen und so gewann ich alles, was es zu gewinnen gab. Allerdings mit zunehmender Nervosität, weil ich keinesfalls das Ablegen des Fährschiffes versäumen wollte. Ein bulliger großer Mann, der uns beim Spielen zusah und ein wenig deutsch sprach bemerkte meine Unruhe und als ich aufbrechen wollte, versicherte er mir, ich solle mir keine Sorgen machen und könne noch ein wenig spielen. Ich bedankte mich und erwiderte, dass ich da aber lieber gar nichts riskieren möchte. Darauf antwortete der bullige große Mann: „Es gibt kein Risiko. Ich bin nämlich der Kapitän.“ Und so setzte ich mich wieder hin und spielte weiter.  – Der Pokerkapitän von uns allen ist der Herr Zanoni und wenn der Kapitän meint, wir können weiter spielen, mache ich mir auch keine Sorgen. Was vor Jahrzehnten auf einer kleinen griechischen Insel geklappt hat, klappt bei uns in Österreich garantiert.  – Das Pokerjahr 2013 kann kommen. Ich freue mich darauf.

Götz Schrage

PS: Als gelernter Journalist der alten Schule habe ich mich auch noch zu einer Gegenrecherche entschlossen und Charlie Novak meinen alten Freund und Montesino-Boss angerufen. Aus dem Gedächtnis notiert möchte ich dem Leser unseren kurzen Dialog nicht vorenthalten – man achte auf meine trickreiche Gesprächsstrategie. 

Götz Schrage: „Servus Charlie. Meine unschuldige Frage, wenn ich am 2. Januar mitten in der Nacht Hunger auf ein Wiener Schnitzel mit Kartoffelsalat habe, wo kann ich da hinfahren?“

Charlie Novak: „Bei uns im Montesino bekommst du auch 2013 garantiert was du möchtest. Poker und Wiener Schnitzel.“

Götz Schrage: „Also ihr habt am 2. Januar fix offen, weil wenn nicht, komme ich zu dir nach Hause und du kochst.

Charlie Novak (lacht): „Ich garantiere dir das Wiener Schnitzel im Montesino. Das Casino wird offen sein und die Küche erst recht. Vielleicht musst du fünf Minuten länger warten, weil wir ein großes Turnier zum Start des Jahres haben werden. Aber sonst kann ich da Entwarnung geben.

Götz Schrage: „Vielen Dank für das Gespräch.“ 

 

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