Leitfaden für den unerschrockenen Spieler- Angstfrei in die Razzia – Hundert Mann und ein Befehl

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Endlich eine Thematik bei der ich mich wirklich auskenne und aus einem reichhaltigen Erlebnisschatz schöpfen kann. Nach meinem Gefühl sehe ich mich ja als Experte für quasi alles, muss aber zugestehen, dass sich diese Selbstwahrnehmung zumindest teilweise schwer belegen lässt. Bei Razzien allerdings kenne ich mich zweifelsfrei aus. Unglückliche Umstände und das Talent im falschen Moment stets am falschen Ort zu sein, machen mich zu einem profunden Kenner der behördlichen Großeinsätze. Im Angesicht der bedrohlichen Großwetterlage für die österreichischen Cardcasinos habe ich mich aufgerafft und schreibe jetzt einen kleinen Leitfaden exklusiv für die Leser von Hochgepokert.com. Sollte mein umfassender Text ausgerechnet Ihre persönliche Frage unbeantwortet lassen, nutzen Sie bitte die Kommentarfunktion und ich werde mich bemühen zeitnah zu antworten. 

 Muss ich mich als Spieler vor der Polizei fürchten? – Nein, selbstverständlich nicht. Razzien in Cardcasinos (sollte es überhaupt so weit kommen) gehen in Österreich relativ unaufgeregt von statten. Wobei es gibt da definitiv ein zu beobachtendes West/Ost-Gefälle. Das behördliche Eingreifen in den Bundesländern Salzburg, Tirol und Vorarlberg ist traditionell strikter und wird von den Verantwortlichen mit deutlich mehr Engagement vorgetragen. Der verheerende Einfluss durch die Grenznähe zu Deutschland und der Schweiz fördert diesen Habitus. Wir in Wien haben es da schon deutlich leichter, der Balkan beginnt ja bekanntlich bei der Triesterstraße und dementsprechend besser gestellt ist der Stand des Pokerspielers. Aber, wie bereits erwähnt, fürchten muss sich niemand. Die ganze Aktion geht in der Regel relativ unaufgeregt über die Bühne und der Pokerspieler steht definitiv nicht im Fokus des polizeilichen Interesses. Man darf auch nicht vergessen, es handelt sich bei den Einsatzkräften um geschultes Personal, die einschreiten, weil sie eben einschreiten müssen aufgrund von Weisungen und Gesetzen. Wenn so eine Razzia auch für den Pokerspieler überraschend kommt, für die Beamten hält sich die Überraschung in eng gesteckten Grenzen. Der Spieler hat auch wichtigeres zu tun, als akut Widerstand zu leisten, weil es nicht viel gibt, wofür man kämpfen müsste und ohne Bedrohungssituation, kann es auch keine Eskalation geben.  – Zusammenfassend: Eine österreichische Razzia läuft eher gemütlich und amüsant ab. Für den Fall der Fälle, Augen und Ohren auf und genießen. Später mal am Kaminfeuer kann man dann noch seinen Enkelkindern davon erzählen und alles wird gut.

Muss ich als Spieler Angst um mein Geld haben? – Nein muss ich natürlich auch nicht haben. Dieser Satz gilt mit Garantie für alle gut geführten Häuser. Warum er für schlecht geführte Häuser nicht gilt, erkläre ich am Schluss dieses Absatzes. Bleiben wir aber bei den seriösen Cardcasinos. Persönlich durfte ich als Spieler zwei Varianten erleben. Wenn man Glück hat wird quasi der Spielbetrieb eingestellt und man geht zur Kassa und wechselt seine Chips und fertig. Wenn man Pech hat übernimmt die Behörde die Kasse und dann dauert es entsprechend und wird ein wenig umständlich. Weil eines ist fix, die Beamten schießen kein Geld nach, also checken sie die vorhandenen Jetons aller Spieler und halten Nachschau, ob auch das Äquivalent in Bargeld vorhanden ist. So etwas kann schon seine Zeit dauern, wenn man auf jedem Chip jede Zahl einzeln ablesen muss mangels Casinoroutine.  – Als führender Mitarbeiter so mancher fragwürdiger Etablissements hatte ich ja durchaus in manchen Nächten die Verantwortung über die Kassa und da wäre es, ohne meine Mitschuld, durchaus zu Turbulenzen bei der Auszahlung gekommen. Wenn der Chef selbst am Spieltisch sitzt und man als Floorman eine Lage nach der anderen über die Theke schiebt, fehlt es dann an Bargeld, weil auch der gierigste Schlitz nicht das Geld verdienen kann, was ein Chef im Brand unter die Spieler streut. Da würde ein „Pokerus Interruptus“ wohl einige Probleme mit sich bringen. Erinnere mich an einige Nächte, wo ich keinen Schein in der Kassa, aber dafür ein ganzes Arsenal an deponierten Waffen beaufsichtigen durfte. Wir Mitarbeiter hatten den internen Scherz, wer keine €10 000 in der privaten Hosentasche hat, meldet sich besser krank. Wie erwähnt, sind diese Zeiten leider vorbei und die großen Häuser mit ihrem grenzwertigen Rake haben sicher mehr als genug Bargeld im Safe. 

Warum kommt immer gleich eine ganze Armee? – Ehrlich gesagt, das weiß ich auch nicht so genau. Nach meiner Erfahrung kommen auf einen Spieler mindestens drei Beamte. Querbeet, alles was eine Marke hat. Polizisten in Uniform, Wirtschaftspolizei, Finanzpolizei, Hygieneamt, Sondereinsatzkommando (die Jungs mit den Barrets und den sonderbaren Hosen), Hundeführer und Kriminalpolizei. Nach meiner Theorie kommen so viele, weil es vielleicht eine fette Überstundenpauschale gibt. Jede Abteilung lädt sich wechselseitig ein und dann trifft man sich wie zu einer Party. Völlig ausschließen kann ich, dass sich die Beamten fürchten oder so. Vielleicht ist es einfach Tradition. Auffällig vielleicht noch die Vorhut. Wenn um 2.00 Uhr in der Nacht drei Männer, von denen ich persönliche keinen kenne, in kurzen Jacken an der Bar sitzen und drei kleine Kaffe bestellen („Einmal koffeinfrei bitte und zwei Kandisin“), weiß ich was die Stunde geschlagen hat.  – Oder ich bleibe absichtlich, weil ich mich auf die uniformierten Polizistinnen mit den Hochsteckfrisuren freue. Ob man uns Spielern von der Staatsanwaltschaft eine Freude machen möchte, ob es bei jeder Razzia eine Frauenquote gibt, oder man sich für den Fall der Fälle auf die zweifelsfrei deeskalierenden weiblichen Fähigkeiten verlassen möchte, bleibt für mich ein weiterer ungelöst Punkt. Fakt ist, die Polizistinnen sind dabei und ebenso Fakt ist, es kommen immer die Hübschesten. Die Glock an der Hose und dann der zarte Nacken machen mich persönlich immer ganz rattig. Alle meine Versuche durch virile Blicke, die Sehnsucht, Brutalität, Zärtlichkeit und Abenteuer vermitteln sollen, irgendeine konstruktive Aufmerksamkeit zu erlangen, blieben erfolglos. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf.

Muss man sich ausweisen? Und mein skurrilstes Erlebnis. – Diese zwei Punkte behandle ich in einem Absatz. Bei gezählten sechs Razzien musste ich persönlich mich noch kein einziges Mal ausweisen. Habe aber schon von Kollegen gehört, dass es sehr wohl vorkommen kann, dass Personalien aufgenommen werden. Konkret allerdings kann ich folgendes Erlebnis zum Besten geben. Seinerzeit als Manager eines kleinen, feinen Casinos in bester Lage hatten wir behördlichen Besuch. Es herrschte tiefster Winter, die Straßen waren vereist und zugeschneit. Aus Gründen, an die ich mich nicht mehr erinnere wurde ein italienischer Gast (Bruno S. aka „Der schöne Bruno“ – die Älteren werden sich erinnern)  aufgefordert sich auszuweisen. Er wäre dazu ohne weiteres bereit gewesen, allerdings hatte er den Ausweis im Handschuhfach seines Wagens. Und jetzt kommt die Amtshandlung: Der leitende Beamte sprach eine Art „vorübergehende Festnahme“ aus und dann gingen die beiden einmal über Straße, der schöne Bruno zeigte seinen Ausweis und alles war wieder gut. Neugierig, wie ich nun mal bis zum heutigen Tage bin, erkundigte ich mich, ob denn da eine vorübergehende Festnahme, wirklich angebracht war. Die verblüffende Antwort: „Das ist ja nur zu seinem eigenen Schutz. Schauen Sie die Verhältnisse draußen sind sehr winterlich. Wenn der Herr jetzt ausrutscht ist er als vorübergehend Festgenommener auf Staatskosten versichert. Sollte er nicht versichert sein und stürzen, weil ich ihn dazu auffordere hinaus in die Kälte zu gehen, was glauben Sie, welche Schwierigkeiten ich dann habe.“  – So menschlich geht es zu bei uns in Österreich. Also keine Angst. Besuchen Sie auch weiterhin das Casino Ihres Vertrauens und genießen Sie das wunderbare Leben eines Spielers!

Götz Schrage 

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