Ich bin reich. Zumindest für meine Verhältnisse maximal liquide. Fünfmal nacheinander Omaha gespielt und fünfmal nicht verloren. Außerdem bin ich zweifelsfrei ein „Promi“. Vielleicht ein „D-Promi“ oder „G-Promi“ und wohlmöglich scheitert die Kategorisierung an unserem kurzem Alphabet. Die Khmer haben mehr als siebzig Buchstaben, da wäre sicher Platz für mich und Ban Khan Suppe esse ich sowieso sehr gern. Kürzlich sprach mich jemand am Pokertisch an. So ganz verstohlen und flüsternd: „Ich kenne dich. Ich habe dich im DSF gesehen“ und dann hat er mir eine Hand erzählt, die ich besonders gut gegen Florian Langmann gespielt haben soll. Wo war ich stehen geblieben? Ach ja bei meinem Promi-Vermögen. Ich überlege es anzulegen zwecks Alterssicherung und so, weil ich will ja nicht auch noch im Dschungelcamp landen. Angeblich ist es am schlauesten in DDR-Immobilien zu investieren. Meine prominenten Kollegen haben doch da alle ihre RTL-Gagen vervielfacht wenn ich mich richtig erinnere.
In Gera wäre der „Gasthof Weißes Ross“ zu vergeben inklusive Bowlingbahn und „ungenutzter Disco“. Für €159.000 wäre ich dabei und da lässt sich sicher noch ein Barzahler Rabat aushandeln. Oder ich nehme mir einen Kredit auf und kaufe in Wipfratal/Thüringen den „Erlebnishof – für ein „erfülltes“ Leben mit fast unbegrenzten Möglichkeiten“ zu €650 000 Festpreis. 12 000 m2 Grundstück, 60m2 Gastrofläche und zehn Zimmern. Unten mache ich eine GoGo-Bar und in den zehn Zimmern… Egal. Pokerspieler zahlen jedenfalls die Hälfte. Obwohl ich will eigentlich nach Erfurt. Dort kenne ich tatsächlich eine ehemalige GoGo-Tänzerin. Die hat tatsächlich im Nachtprogramm vom DSF getanzt. Mal schauen: „Single-Traum“ – „sanierte Wohnung mit Südbalkon“, oder doch die „Lichtdurchflutete Dachgeschoßwohnung“. Alles nicht wirklich standesgemäß. Moment! Was sehe ich da auf der Homepage vom „MDR: Region Mitte/West Thüringen“: „Spielbank Erfurt steht zum Verkauf“. – Ich glaube, da schlage ich zu. Immerhin muss „europaweit ausgeschrieben“ werden und europaweit heißt wahrscheinlich auch bis Wien. Hoffe ich zumindest.
Eine Spielbank, die Verluste macht wird verkauft und der Verkäufer ist wiederum eine Bank. Und ich dachte schon, ich hätte einen lächerlichen Beruf und wäre selbst damit überfordert. Wie dumm muss man eigentlich sein, um mit einer Spielbank in die roten Zahlen zu kommen? Ich habe einen Freund, der hat eine wirklich dumme Freundin, die glaubt an so dumme Sachen wie Roulettesysteme und studiert Zahlenpermanenzen und Blocktendenzen. Trotzdem macht sie ordentlich Plus mit ihrem Nagelstudio. Dabei ist sie keineswegs die einzige in der Stadt, die mit Glitterpuder und Straßsteinchen umgehen kann. Das Casino Erfurt liegt ja quasi im geschützten Gebiet mit rundherum nichts. Wer sich nicht im Wald erhängen oder im Stottenheimer See ersäufen möchte, wird wohl an Poker -und Roulettetischen seine Abende verbringen. Wenn man allerdings alles falsch macht, was man falsch machen kann und dann noch versucht mangelnde Kompetenz mit doppelter Arroganz zu kompensieren, lässt sich wohl jedes Geschäft zugrunde richten. Man munkelt ja schon länger, dass keine qualifizierten Croupiers bereit waren in Thüringen anzuheuern. Die Stellenausschreibung auf Facebook liest sich auch eher wie ein Hilferuf. Gutes seinerzeit durchaus vorhandenes Personal wurde konsequent vergrault. Die einst gesunde Pokerszene. Es mag ja stimmen, dass man als Casino an anderen gut gefüllten Tischen mehr Umsatz pro Quadratmeter machen kann, wenn es allerdings eher an Gästen fehlt, dann ist nicht verdientes Geld an den Pokertischen einfach am Ende nicht da. Hört sich simpel an, scheint aber bereits jenseits des Erkenntnishorizonts der Casinoführung zu liegen.
Loyale Gäste sind viel wert und loyale Gäste verzeihen eine Menge. Scheinbar gab es in Erfurt einige Exemplare dieser wertvollen Spezies. Es wurde das Gespräch mit der Casinoleitung gesucht. Es wurden Vorschläge gemacht und es wurde zarte Beschwerden vorgetragen und selbstverständlich hat man sich das von der Betreiberseite gewissenhaft angehört und sofort Konsequenzen gezogen. Für die Beschwerdeführer gab es Hausverbot, sonst hat man die Dinge so gelassen wie sie waren. Weniger Gäste machen auch weniger Arbeit und dann braucht man weniger Personal und spart wieder Geld. Irgendwo gibt es bei dieser Rechnung einen Haken, aber um den zu erahnen, muss man schon tief in die Materie eines Dienstleistungsunternehmen eintauchen und dafür fehlt wohl die Qualifikation. Einer der Spieler mit Hausverbot hat sich dann anwaltlich beraten lassen. Jetzt hat der Anwalt – richtig geraten – ebenfalls Hausverbot.
Aber wollen wir jetzt nicht zu ungerecht sein. Die Spielbank hat auch ihre Erfolge. Die „Casino Fight Night“ scheint sich recht großer Beliebtheit zu erfreuen. Das Format gefällt mir. Eine Runde „ohne Zeitlimit“. Es gibt „kein Kampfrichterurteil“. Sie ist also nur durch Aufgabe oder KO möglich und das Preisgeld des Turniers kann sich durchaus sehen lassen. Wenn man sich so ein wenig mit den entrüsteten Erfurter Pokerspielern unterhält könnte man das Event noch toppen, indem man mal eine „Special Casino Fight Night“ veranstaltet. Gestandene Spieler mit Hausverbot versus aktuelle Casinoleitung. Da käme sicher auch RTL 2 und das Rote Kreuz. Oder ich erbarme mich und sehe ich dass ich bei der Ausschreibung den Zuschlag bekomme. Wie gesagt ein wenig habe ich gespart und wenn mir jetzt noch alle meinen treuen Stammleser €100 schicken brauche ich nur noch einen Kredit. – Oder soll ich doch lieber den Erlebnishof in Wipfratal nehmen? Zehn Zimmer sind zehn Chancen und ein Nagelstudio wird sich auch noch ausgehen. Wie ich mich entscheide und was ich mit meinem Geld mache, lesen Sie in einer meiner nächsten Kolumne. Wer die Spielbank Erfurt kaufen wird lesen Sie sicher auf den Wirtschaftsseiten. Möge der neue Betreiber – sollte es überhaupt einen geben – den Schaden wieder gut machen. Das wird alles andere als leicht, aber man muss alles versuchen sagte der Clown und griff nach dem Mond.
Götz Schrage