„Hätte ich gewusst, dass dieser Stress mit Gerichten und so was auf mich zukommt hätte ich nie mit dem Pokern angefangen“. Eddy Scharf im PokerToday Interview mit Jens Knossalla aus dem Kings Casino. Aber hallo! Geht´s noch? Eddy ohne Flugzeug und ohne Poker? Was wäre denn wohl aus ihm geworden. Beziehungsweise was wäre er dann jetzt. Vielleicht ein älterer Herr, der sich Strähnchen machen ließe, einen knallbunten Porsche führe und den Kellnerinnen viel zu lange ins Dekolletee starren würde, wenn er sich seinen Weißwein zum cholesterinarmen Fisch bestellt. Quasi so wie ich, nur ohne Porsche und Strähnchen. Ich kenne Eddy Scharf seit zwanzig Jahren und ich glaube ihm kein Wort. Wobei – ich will jetzt nicht unhöflich sein – und schwäche diesen groben Satz gleich ein wenig ab. Ich vermute dass er aktuell glaubt, was er da sagt, in der tiefsten Seele aber weiß, dass es nur dummes Zeug ist. Die richtige Aussage wäre wohl, dass man angesichts der zu erwartenden Ahnungslosigkeit der Gerichte in Sachen Poker wohl zu viel Risiko genommen hat bei der strategischen Ausrichtung. Die abwegige Annahme, das Gericht hätte die Ambition erst die Problematik des Pokerspielers zu verstehen, um dann ein Urteil im Sinne der Gerechtigkeit zu sprechen, war schlicht und einfach naiv. Wenn sich Gerichte nicht auskennen, suchen sich niemals den Weg der Erkenntnis, sondern folgen oberflächlichen Klischees. Das wird sich wohl auch nie ändern. Poker – wie auch Rotlicht – sind nun mal die weißen Flecken der Gerichtsbarkeit. Nur waren die Richter sicher schon mal im Puff, aber höchstwahrscheinlich noch nie im Casino. Und wenn sie im Casino waren, war das Geld weg und die Laune schlecht. Waren sie im Puff, war das Geld auch weg, aber immerhin blieb die zarte Erinnerung an Oksana und Yamilla.
Poker ist im Arsch. Nobel ausgedrückt. Zeiten ändern sich nur schwer und die Erfolgsstory ist leider auch vorbei. Wenn das Image von Start so sehr im Eck ist wie bei unserem liebsten aller Kartenspiele, hätte die Weste immer weiß bleiben müssen und die Zahlen weiterhin nach oben gehen, weil Erfolg macht sexy. Eine Teilschuld trifft sicher die weltweite Pokerszene. Wenn man an all die Skandale und gierigen Lemuren denkt wie Lederer und Ferguson, kann einem einerseits selbst übel werden und andererseits, kann man es keiner Behörde verübeln, mit Vorbehalten an die Akte Poker zu gehen. Was man ihnen allerdings definitiv vorwerfen kann ist die Unverhältnismäßigkeit. Man müsste es ja fast auf einen Versuch ankommen lassen. Bad Hersfeld ist dank des Skandals um die Arbeitsbedingungen bei Amazon in aller Munde. Würde man jetzt in der größten Gaststätte der Stadt unter Patronanz von Eddy Scharf ein €100 NL Holdem freeze out Turnier veranstalten, kommen neunzig Spieler und hundert Polizisten. Treffen sich in Bad Hersfeld neunzig Mitarbeiter der Firma H.E.S.S-Security (kein Scherz, die heißen wirklich so) in Thor Steiner-Sweatern, um schwarz gebrannte „Landser“-CDs zu tauschen, interessiert das niemanden. Poker ist vom Image so im Arsch (ich wiederhole mich), dass wir selbst die Glatzen um ihr „standing“ bei den Behörden beneiden sollten. (Sollte sich einer der ungebildeten Idioten über Google-Stichworte hierher verirren, „standing“ ist „Besatzersprache „und steht für Ansehen/Bedeutung.)
Wenn Eddy Scharf im PokerToday-Interview von einer „Pissbehörde“ spricht und damit den Finanzgerichtshof meint, mag er aus seiner Sicht völlig recht haben. Abstrus nur die Idee, man würde sich dort fachlich fundiert der Causa annehmen. Man kann von Vorverurteilungen halten was man will, effizient sind sie allemal. Wenn ein Gericht schon vorher weiß, wer der Böse ist, sind die Vorerhebungen ein Klacks. Das spart Steuern für die Allgemeinheit. Zugegeben, Eddy Scharf kostet es vielleicht die Existenz. Aber selber schuld, wäre er Neonazi geworden statt Pokerspieler, dann könnte er beim Verfassungsschutz auch noch Rentenansprüche anmelden. – Aber genug der Behördenschelte, kommen wir zu unser aller Mitschuld. Der Pokerspieler hat halt immer viel zu tun. Es muss gegrinded, geposed, gerackbacked, gegraphed und vor allen gejammert werden. Wenn alle in Deutschland die Poker lieben allen ihren Freunden und Bekannten schlüssig und logisch erklären würden, was etwa Turnierpoker eigentlich ist, wäre das „netzwerken“ im besten Sinne. Von den großen Anbietern – mit der löblichen Ausnahme von PokerStars – ist nicht viel zu erwarten. Der Imagewandel wird nicht per Anzeigenkampagne im STERN eingeleitet, den müssen wir selbst einleiten. Meine oftmals krausen Gedanken, die sich zumindest bemühen über den Tellerrand der News-Varianz hinauszusehen, sehe ich durchaus als kleinen bescheidenen Beitrag in dem Kampf.
Aber kommen wir zurück zu Eddy Nationale. Er wird wohl in die nächste Instanz gehen und wir werden ihm die Daumen drücken. Es wäre ja zumindest nicht ganz auszuschließen, dass die nächste Ebene der Judikatur mehr Interesse an der realen Sachlage zeigt. Desto tiefer sie bohren, desto konsequenter sie ermitteln und ermitteln lassen, umso besser für Kollegen Scharf. Die Daumen sind gedrückt und statt „chip and chair“ braucht Eddy, gutes Geld und einen guten Anwalt. Sonst muss er halt zurück hinter den Steuerknüppel. Für mich vielleicht die Chance meines Lebens. Als Aviophobiker werde ich ja schon nervös, wenn ich Flugzeuge von der Ferne sehe, aber wenn ich mich schon so einem technischen Ungeheuer anvertrauen müsste, dann bitte mit Eddy Scharf als Chefpiloten. Vielleicht lässt er mich dann neben sich in der Kanzel sitzen. Ich würde die Augen ganz fest schließen und all die netten Pokerstorys erzählen, die wir teilweise gemeinsam erlebt haben. Würde über die spannenden Gestalten der Pokerszene sprechen, die wir gemeinsam gekannt haben und über den Spaß, den man über Jahrzehnte am Tisch hatte. Spätestens, wenn man die Silhouette von Las Vegas über der Wüste sieht, wird der Eddy sagen: „Du was ich da in Rozvadov gesagt habe, von wegen, ich hätte niemals mit dem Pokern angefangen, wenn ich das mit dem Gericht geahnt hätte, war einfach nur dummes Geschwätz.“ – „Ich weiß“ würde ich antworten und dann würde ich die Augen wieder aufmachen und wäre dort wo ich hingehöre.
Götz Schrage
PS: Fein säuberlich abgetrennt gibt es jetzt Kollegenlob vom feinsten. Jens Knossalla ist wirklich ein Klassemann. Die Gabe locker aus dem Mundgelenk zu plaudern und jede aufkommende Lücke möglicher Langweile mit Esprit und Witz wegzuzaubern, wurde von mir oft genug von gewürdigt und gefeiert. Was mir allerdings noch zusätzlich imponiert und Jens zu einem großen Kollegen macht, ist dieser Tempowechsel. Frei von Eitelkeit und Selbstdarstellung mutiert der Konssalla zum reinen Mikorphonhalter, wenn er merkt, der Gesprächspartner ledert los. Dann ist er ganz still und genießt die Show. Respekt für diese Gabe.