„Es gibt Zeiten im Leben eines Mannes, da ist ein Mund einfach nur ein Mund.“ Kürzlich war ich Gast in einer semi-privaten Partie. Weit entfernt von der dunklen Seite des Mondes und somit überwiegend von vorstrafenfreien redlichen Mitgliedern unserer Gesellschaft besucht. Klischees sind ja manchmal so einfallslos und treffen auch noch zu. Herr M. saß da auf Platz Neun mit bunten Armen, viel Blink Blink um den Hals, einer fettgoldenen Rolex am Arm und einem ebenso fetten Eintrag im Strafregister. Neben ihm Herr P. frei von glitzerndem Plunder, Vorstrafen und mit dem rührenden Hang zur Intimitätsverletzung, die nur Menschen mit wirklich reinen Herzen gegeben zu sein scheint. Jedenfalls waren wir dann beim Thema, mit dem RTL seit Jahren Quote macht: „Sex hinter Gittern“ und da fiel dann jener besagter Satz, der für mich mehr bedeutet, als ein guter Opener für eine Kolumne. Vielmehr erinnerte mich an die alten Zeiten zurück, als ich noch jeden Abend die Nerven für schräge Hinterzimmer hatte. Erinnerungen verklären sich manchmal und ich hoffe doch, dass auch die guten Seiten der alten Zeiten Vergangenheit bleiben. – Schon vor einiger Zeit machte ich einen kleinen journalistischen Ausflug in eine Kleinstadt, nicht weit vom großen Wien entfernt. Eigentlich wollte ich eine kleine Reportage schreiben über die dort recht regelmäßig stattfindende Partie, so wie ich über Sopron, Eisenstadt oder Blumau geschrieben hatte. Doch es sollte anders kommen.
Als Autor betritt man ja gerne journalistisches Neuland. Meines Wissens erleben die Leser von Hochgepokert.com heute eine Weltpremiere. Es gibt eine Betrugsrezension. Quasi ein Falschspieler, der nach einem strengen Notenschlüssel von mir bewertet werden wird. Wobei ich mich bemühen werde, angemessene Milde walten zu lassen. Die jungen Menschen aus unserem Kulturkreis haben es auch schwer. In alten Zeiten und in anderen Kulturen, lernt der Betrüger sein Handwerk von einem älteren, erfahrenen Gauner. Heutzutage müssen sich die Kids ihr Schurkenhandwerk aus dem Internet in harter Heimarbeit selbst beibringen. Da fehlt es dann an Perfektion und vor allen Dingen an dieser so wichtigen Geschmeidigkeit. Mir ist es wichtig, dass so festzustellen, weil ich weder anmaßend sein möchte, noch den Eindruck erwecken möchte, mir würde es leicht fallen, einen wirklichen guten Betrüger so quasi nebenbei zu entlarven. Also packe ich das Podest der Eitelkeit gleich wieder ein. Der Junge war so schlecht, den hätten sie seinerzeit sogar bei der Full Tilt Challenge ertappt. Das Problem war nur, niemand am Tisch hatte bunte Arme. Niemand am Tisch hatte goldene Ketten um den Hals und niemand am Tisch hatte nur die geringste Ahnung, auf was man achten muss. In diesem Sinne ein kleiner Grundkurs für den wachen Hochgepokert.com-Leser.
Gespielt wurde Omaha. Besagter Spieler saß auf Platz Eins neben dem Dealer und spielte durchgehend einen etwas sonderbaren Style. Bei den Startkarten durchaus tolerant, aber nicht aggressiv vor dem Flop. Wenn am Turn noch in der Hand, dann allerdings bum, bum, bum. Selbstverständlich ist mir am Anfang überhaupt nichts aufgefallen. Vielleicht ein wenig bemerkenswert, die Trash-Hände im Showdown, aber gerade in so Kaffeehaus-Partien nichts wirklich Ungewöhnliches. Instinktiv hat mich ein sonderbarer Fold vor dem Flop irritiert. Unmittelbar vor dem Dealerwechsel überlegte er ziemlich lang, um seine Hand dann mit einem Seufzer und überspielter Nervosität direkt auf den Muck zu werfen, beziehungsweise fast könnte man schreiben, um seine Hand direkt auf den Muck zu legen. Nicht wirklich ganz leicht von Platz Eins, weil er ja an der Brust des Dealers vorbei musste. Trotzdem hat es mich an die Hamburger Story erinnert, die ja letztlich nie vor einem Gericht verhandelt wurde, wo aber prominente deutsche Pokerspieler den einhelligen Verdacht hatten, dass ein Trickbetrüger zeitweise mehr als sechs Karten auf der Hand hatte. Kein großer Nachteil beim Omaha, wenn man aus so vielen Optionen kombinieren kann. Jedenfalls Grund genug, ein wenig genauer hinzusehen.
Der Spieler auf Platz Eins war Raucher. Gefühlsmäßig starker Raucher, immer beim Dealerwechsel zündete er sich eine Zigarette an, nahm ein paar tiefe Züge und ließ sie dann unbeachtet im Schlitz des Aschenbechers verenden. Erste Austeilung nach Dealerwechsel „fold“. Wieder an der Brust des neuen Kollegen vorbei auf den Muck. Zigarette und Getränke ignorierend an der Tischbande gelehnt mit dem Oberkörper. Irgendwann dann eben das bum, bum, bum durch getrommelt und im Showdown Hände wie 7 4 22 oder ähnliche Kaliber. Sonst wenig aktive Beteiligung am Spiel. Gezählt wurden die Karten kein einziges Mal, dabei wäre es ja gerade bei Omaha mit 9 Spielern, einem kompletten Board und drei burned cards kein großer Aufwand für den Dealer. Alles unter acht runtergezählten Karten nach dem River wäre bedenklich. Schätzen kann man schwer, auch weil die Dealer – bis auf das fehlende Zählen – sonst recht vorbildlich waren in ihrer Arbeit und ein Blick aus meiner Perspektive nicht ausreichend war.
Für meinen Teil war ich mir zugegeben lange nicht sicher. Bilde ich mir das alles ein? Leide ich unter Altersparanoia, habe ich zu viel Lebenszeit mit Halunken verbracht, und ein Schelm ist doch der, der sich böses dabei denkt. Ertappt habe ich ihn dann für mich bei einer unschuldigen Hand. Straddle, ein anderer „raise pot“ und dann denkt und überlegt besagter Spieler auf Platz Eins. Die imaginären Zahnräder drehen sich hin und zurück und wieder hin und fast hätte er seine Karten gefoldet, aber auch der Betrüger macht mal einen Fehler. Reraise Pot und der erste Raiser meldet sich gleich massiv mit großer Auflage all-in. Könige double-suited versus AA J10 (einfach suited). Die Könige gewinnen mit Flush. Alle Chips von Platz 1 wandern zum ehrlichen Kollegen. Die ganze schurkische Arbeit umsonst. Obwohl kein Dealerwechsel in Sicht war, hat Platz Eins noch eine Hand gespielt mit neuem Buy-in, diese dann (richtig geraten) wieder direkt auf dem Muck entsorgt (irgendwo muss er ja den Pik 4er und den Karo 5er los werden). Dann wurde eine außertourliche Zigarette geraucht und diesmal in vollen Zügen und bis zum Ende. – Immerhin.
Götz Schrage.
PS: Hier noch die versprochene Einzelkritik. Variantenlose und recht plumpe Arbeit und wer zu dumm ist zu verstehen, dass es viel sicherer ist mit sechs kleinen Karten zu spielen, als mit einfach suited Assen einen großen Pot, ist sowieso zu dumm für alles. – Da reicht es nicht mal zum Betrüger. Dem geneigten Leser rate ich sich an den Spieler mit den bunten Armen und den fetten Goldketten zu halten. Wenn der sitzen bleibt, ist er entweder der Komplize oder die Partie ist sauber.