Wieso darf eigentlich mein geschätzter Kollege Gartenbach alles und ich quasi nichts? Kaum kommt mal ein Text aus meinem verwirrten Innenleben, schon bekomme ich auf die Mütze. Der eine Leser, gönnt mir mein hart erarbeitetes Geld nicht mehr, manch anderer will mich in Rente schicken und wenn dann wieder die „Schrage raus“-Kommentare kommen, greif ich mir ein paar Taschentücher, kuschle mich unter meine Kuscheldecke und weine. Die Welt ist einfach ungerecht und es ist irgendwie noch ein Glück, dass es mich trifft, weil ich erhole mich dann schnell und schreibe weiter. Vielleicht nicht direkt auf vielfachen Wunsch, aber dafür wieder live aus meiner Seele, gibt es diesmal wieder was Philosophisches. Also quasi was Verzichtbares. Weil was sein muss, muss sein und soweit kommt´s noch, dass man als sich Leser die Themen des Kolumnisten aussuchen darf. – Nicht mit mir und nicht an dieser Stelle.
Seit jeher gab es Missverständnisse zwischen den Generationen. Das ist der Lauf der Dinge. Ich wäre auch lieber jung und dumm, statt alt und unschlau. Aber man kann sich vieles nicht aussuchen und noch vieles mehr, lässt sich einfach nicht aufhalten. Wer in der Schule aufgepasst hat, erinnert sich an Sokrates. Den Philosophen, nicht den Fußballer natürlich. Jedenfalls soll der sich schon massiv Sorgen gemacht über die Manieren und Respektlosigkeit der Folgegeneration. Eine Jugend, die den Luxus liebt, schlechte Manieren hat, diskutiert wo sie arbeiten sollte und den Älteren die verdiente Hochachtung verweigert. Sorgen mache ich mir auch, aber mit Respektlosigkeit und schlechten Manieren habe ich selbstverständlich nicht das geringste Problem. Schließlich bin ich ja Pokerspieler der alten Schule und wir sind, wie wir sind, weil wir eben schon damals dabei waren, als Poker alles andere als schick und angesagt war. Wenn mich jetzt ein junger Pokerspieler mit exzellenten Manieren auf respektvolle Art davor warnt, meine Kolumne könnte bald in die antiquierte Ecke gestellt werden, und ich solle mir dringend etwas einfallen lassen, um wieder mehr gemocht zu werden. – Nun, nichts interessiert mich weniger. Schließlich bin kein Animateur im Robinson Club oder so. Ich schreibe, was ich glaube schreiben zu müssen. Dem Leser nach Mund und Humor zu schreiben, überlasse ich anderen. Die werden dann von allen geliebt und nach diesem Zustand sehne ich mich so sehr, wie nach Fußkrätze und Haarausfall.
Selbstverständlich haben die Jungen das Recht sich nicht für uns Ältere zu interessieren. Die müssen ihr eigenes Ding machen, ihre eigenen Themen finden und werden später dann wenn sie älter geworden sind, ihre eigenen Erfahrungen machen. Distanz und kritischer Umgang mit den Altvorderen fördert die selbstständige Entwicklung und ist somit wichtig und zugegeben, manchmal auch notwendig. Kürzlich las ich allerdings einen Kommentar auf einer anderen Seite zu einem anderen Thema – also weit weg von mir und meinen Interessen – und der hat mich dann vielleicht genau deshalb doch ein wenig getroffen. Die Headline war sinngemäß: Erich Kollmann nicht am Finaltisch der WPT und der Kommentar war in der Kurzfassung: „BVB weiter. Kollmann nicht am Finaltisch. Wie geil. Alles perfekt“. Da mach ich mir doch ernsthaft Sorgen. Nicht um meinen Freund Erich. Dem wird das egal sein. Nicht das mit dem verpassten Finaltisch, sondern das mit dem Kommentar. Der ist aus meinem Holz geschnitzt. Schon lange dabei und immer aufrecht unterwegs. Meine Sorge gilt dieser Generation der DSDS-Gucker, der Tele-Voter und Rauswähler, der Daumen nach oben und nach unten-Anklicker und diesem Ich-Gefühl einer großen Jury angehören, die glaubt bestimmen zu dürfen, wer wo und warum in die nächste Runde aufsteigen darf. Um wieder die Kurve zurück zu mir zu bekommen, früher hat man Artikel von Autoren, die man nicht mochte, einfach nicht gelesen. Heute „droht“ man damit, die entsprechende Seite nie mehr anzuklicken, anstatt sich zu freuen, dass einem Content ohne Ende frei Haus auf den Bildschirm gespielt wird, wenn man eben will.
Vielleicht ist einfach das Privatfernsehen schuld. Die Mischung aus scheinbarer Macht aus der sicheren Anonymität schafft ein Klima von kleinen beschränkten Despoten, die nicht gewohnt sind ignoriert zu werden, so wie ich das bisher getan habe und auch weiterhin tun werde. Meine Kolumne bietet nun mal nicht mehr und nicht weniger, als die Möglichkeit Anteil zu haben an den wirren Gedanken meiner mitunter verwirrten Pokerseele. Ich beschäftige kein Meinungsforschungsinstitut und betreibe keine Analysen darüber, was mir jetzt wohl viele Daumen nach oben und viele „likes“ bei Facebook bringt. Wenn dieser Text auch nur einem Leser wirklich Spaß macht, bin ich schon zufrieden und es ist mir lieber als der Kampfruf der Gartenbach-Fans. „Ganz großes Kino“ hatte ich noch nie zu bieten und wird es bei mir auch nicht spielen. – In diesem Sinne, man liest sich, oder man liest sich eben nicht. Mir ist beides recht.
Götz Schrage
PS: Ganz unten gibt es für die jungen, treuen Leser, die sich durch die zugegeben etwas sperrigen Zeilen gekämpft haben, noch einen wirklich wertvollen Tipp fürs Leben. Quasi der Bonus Track dieser Kolumne. Wenn Sie einmal ein Rendezvous mit einer jungen, schlauen Frau haben (bitte aber nicht zu schlau, dann werden Sie wohlmöglich an den Zwischenfragen scheitern), merken Sie sich einfach „S-P-A-A“ – Sokrates – Plato- Aristoteles- Alexander der Große. Vier Männer, alle im vierten Jahrhundert vor Christus gelebt und in der umgekehrten alphabetischen Reihenfolge S. P. A(ristoteles). A(lexander). Jeweils der eine war Schüler vom anderen. Schwadronieren Sie ein wenig darüber, dass Alexander der Große, das Streben nach dem Guten als Maßstab des eigenen Handels, um ein sinnhaftes und erfülltes Leben zu führen, verlassen hat und schon haben Sie einen Stein im Brett und mit meinem Glück dann einen Bonus im Bett.