Safer Poker und Zocken mit Gummi – Betrug und Bauchgefühl – Die Posse von Steyr: Teil Zwei

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Um was es geht bei der „Posse von Steyr“ geht, habe ich ja bereits in einer meiner letzten Kolumnen ausführlich geschildert. In der Kurzfassung: Aus einer ursprünglichen Anzeige wegen gefährlicher Drohung, schwerer Erpressung und Körperverletzung entwickelt sich eine Affäre um gezinkte Karten, verbotene chemische Markierungen, Kontaktlinsen und Betrug. In meinem heutigen Text widme ich mich den „Beschuldigtenvernehmungen“ der teilweise geständigen Spieler.  – Außerdem versuche ich ein klein wenig Bewusstsein zu schaffen, wie man ein Gefühl entwickeln kann für Betrug am Kartentisch und zuletzt habe ich noch einen zweifelsfrei schlauen Satz zu bieten, dessen Manko alleine darin besteht, dass ich den nicht selbst formuliert habe. Quasi die Lebenshilfe für den Leser, der sich noch auf der dunklen Seite der Macht etablieren will. Herr J.M. – seines Zeichen Weiser aus dem Milieu –  sagte einst: „Die Polizei erklärt dir, was man dir vorwirft und dein Anwalt sagt dir dann, was du gemacht hast.“ Genau diesen Satz haben die des Kartenbetrugs Beschuldigten nicht beherzigt, sondern frei und unberaten schwadroniert. Diese Vernehmungsprotokolle geben mir zwar Stoff für eine weitere Kolumne, werden aber andererseits schlussendlich die Staatsanwaltschaft wohl zur Eröffnung eines Strafverfahrens bewegen

Die jungen Menschen schauen heutzutage zu viele Kriminalserien, in denen attraktive Gerichtsmedizinerinnen auf hochhackigen Schuhen durch die Handlung irren. Da lernt man eben nichts fürs Leben. Gleich mal schriftlich sowohl auf „Beiziehung“ wie „Kontaktaufnahme mit einem Anwalt“ zu verzichten, kann nicht schlau sein. Schließlich ist Herr R. – für den selbstverständlich die Unschuldsvermutung gilt  – als Beschuldigter bei einer polizeilichen Vernehmung und da sollte man entweder anwaltlichen Beistand holen, oder so wenig wie möglich sagen. Herr R. wählt den umgekehrten Weg, gibt die Verwendung der Kontaktlinsen samt auf der Rückseite gekennzeichneten Karten auch durchaus zu, hält sich aber mehr damit auf, darüber zu jammern, dass er selbst Opfer eines Betruges wurde. Schließlich hatte ihm sein Komplize den Satz Linsen samt Chemie zur Zeichnung der Karten für gewaltige €5000 verkauft und selbst wohl kaum mehr als $180 dafür bezahlt. Abgesehen davon, jammert er über die mangelnde Kooperationsbereitschaft der möglichen Opfer,  – ich zitiere wörtlich – „Vorgesehen war, dass ich sehe, welche Karten die anderen Spieler vor sich liegen haben. Dies gelang nicht wirklich, da die Karten schnell ausgegeben und diese dann von den Spielern übereinander gelegt und auch die Hände drauf gelegt wurden.“ Ferner wird angeführt: „Die Benützung der Linsen war für mich schmerzhaft“ und abgesehen davon, dürften nur lediglich zwei Dealer mit entsprechend präparierten Decks angetreten sein. Vielleicht war Herr R. vom Irrglauben geleitet, dass man straffrei wegkommt, wenn man bei einem Betrugsversuch das 25fache für die Hilfsmittel bezahlt und diese dann nicht nur in den Augen brennen, sondern auch noch wenig Sinn machen, weil die gegnerischen Spieler nicht bereit sind, ihre Karten auch betrugsoptimiert aufgefächert zur Besichtigung freizugeben. Fast ein Fall für den MDR-Escher, der kümmert sich um so Anliegen der unschuldigen Konsumenten. 

Wirklich skurril der Hinweis, mit dem man wahrscheinlich nur bei Beamten, die mit den Usancen des Pokerspiels absolut nicht vertraut sind, durchkommen könnte. Ich zitiere wieder wörtlich: „Wenn mir nun vorgehalten wird, dass ich durch die Zuhilfenahme der Kontaktlinsen und dieser präparierten Karten betrogen habe, so führe ich an, dass bei derartigen Pokerspielen von jedem Pokerspieler auf irgendeine Art versucht wird, die Karten der anderen Spieler zu lesen und so versucht wird im Spiel zu betrügen.“  – Mit dieser kühnen These, dass somit jeder Spieler, der versucht durch Nachdenken und Analyse die Stärke der gegnerischen Hand einzuordnen, gleich ein Betrüger ist, möchte ich die Berichterstattung zu den Vorfällen in Steyr vorerst beenden. Ich nehme an, es werden da wohl einige Verfahren eröffnet werden. Diese werden wir von Hochgepokert.com sicher aufmerksam verfolgen und entsprechend berichten. 

Kommen wir nun zum heutigen Service-Teil dieser Kolumne. Wie merke ich am Tisch, dass ich betrogen werde und wie kann ich mich davor schützen? Grundsätzlich schützt nur die konsequente Enthaltsamkeit. Safer Poker und zocken mit Gummi gibt es nicht wirklich. Dazu kommt noch diese kostspielige Eigenart unserer Zunft. Jeder Pokerspieler hält sich in seinem inneren für einen„unbetrügbaren“ Experten und will in der Regel selbst die schlüssigsten Beweise nicht anerkennen. Nach der Devise: „Mir kann das nicht passieren ich bin zu schlau/zu gefährlich/zu wichtig/zu schlau“ (setzen Sie die Antwort ein, die am besten zur Ihrem Persönlichkeitsprofil passt). Da sind wir auch schon beim Stichwort, der Betrug entlarvt sich in der Regel über die Persönlichkeitsdefizite der Betrüger. Ich gehe mal nicht davon aus, dass die Highroller von Monte Carlo zu den Lesern meiner Kolumne gehören. Bei den Wald und Wiesen-Partien in den Hinterzimmern des deutschen Sprachraums betrügen in der Regel Betrüger, die von Mangelintelligenz und Allmachtsfantasien gepeinigt sind. Da gibt es dann eben Mal einen „Call“ mit „King High“ der keinen Sinn macht und dann noch gleich einen zweiten, weil die Gier größer ist als das Talent zur langfristigen Ernte. Die Allmachtsfantasien werden zusätzlich durch das weiße Pulver aus Südamerika beflügelt. Das lässt die Sicherungen der Selbstwahrnehmungen hochgehen, wobei selbstverständlich nicht jeder Kokser ein Betrüger ist, aber jeder Betrüger am Kartentisch ist immer ein Kokser. Vertrauen Sie ruhig dem Wertvollsten was Ihnen der Liebe Gott gegeben hat, vertrauen Sie auf Ihr Bauchgefühl. Klingt banal, ist aber ziemlich praktikabel. Wir nehmen – jenseits unseres Tagesbewusstseins – sehr viel auf, wenn das Verhalten  unserer Gegner in der Mikromotorik plötzlich von der Norm abweicht. Ein Blick an eine Stelle, die keinen Sinn macht. Eine schlechte schauspielerische Einlage vor einem „hero call“ und vieles mehr. Wenn der Bauch sagt, hier stimmt was nicht, stehen Sie auf und zocken Sie woanders. Klingt einfältig und wenig zielführend, gehört aber zum Wichtigsten was ich je auf Hochgepokert geschrieben habe.  – In diesem Sinne, seien Sie gut zu Ihrem Bauch, er kann Ihnen viel Geld ersparen.

Götz Schrage

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