Leiden Sie unter diesen bösen Gewaltphantasien? Man rührt keinen Muskel, zuckt mit keiner Wimper und im Kopf läuft das wirklich böse Kino. Einfach zuschlagen mit was auch immer, Hauptsache direkt in die geifernde Fratze des Gegenübers. Solang bis einen die Männer mit der weißen Jacke abholen kommen. Möglichst plausibel im Affekt gehandelt und hoffentlich gespart für einen guten Strafverteidiger. Ich leide natürlich nicht unter diesen Gewaltphantasien. Ich genieße sie als kleine juristisch unbelangbare Oase des Erlaubten. Was in meinem Kopf passiert, geht nur mich etwas an und bleibt auch in meinem Kopf. Hoffe ich mal zumindest und habe es mir fest so vorgenommen. Leider scheitern meine guten Vorsätze so häufig und sie scheitern meist am größten Schwachpunkt meiner Pläne. Nämlich an mir selbst. Bleibt nur zu hoffen, dass der Junge, der mich zu dieser Kolumne inspiriert hat zu den Hochgepokert.com-Lesern gehört. Wenn nicht, bleibt ihm immer noch die Hoffnung, dass mein seelisches Gleichgewicht stabil bleibt. Das wäre mal was Neues.
Ja, ich hatte mal mehr Geld und ja, ich habe schon mal in meinem Leben deutlich höher gespielt. Um der Wahrheit gerecht zu werden, so niedrig, wie ich heute spiele, habe ich früher nicht mal meine Freundinnen direkt nach der Spielerklärung zocken lassen. Einfach Chips hinstellen der Hübschen und am „richtigen Tisch“ gamblen und wenn die Chips weg waren und die Begleitung hübsch, gleich eine zweite und dritte Lage schicken. Vorbei ist vorbei und noch ist nicht alles all over Baby Blue. Man wird sehen. Vielleicht wird 2014 ja noch zum Jahr des Comebacks der alten Männer und mich nehmen sie auch mit. Begonnen hat es ja ganz gut. Viermal angetreten und immerhin €182 im Plus. Fehlen nur noch die Nullen und alles wird wieder gut. Irgendwann werden einfach alle wieder Limit Holdem spielen. Hoffentlich noch in diesem Jahrhundert, sonst wird es eng mit der Zeitplanung. No Limit wird verboten. Am Omaha dürfen nur noch die wirklich Schwachen spielen und beim Draw Poker wird schummeln endlich wieder erlaubt und läuft dann endlich offiziell als albanischer Skill.
„Hey im XXXXX spielen sie jetzt regelmäßig 50€/100€ Stud. Manchmal dann auch €100/200 Stud. Dich habe ich da aber noch nie gesehen!“. Wieso „aber“? So als ob ich ständig mit einem „The one and only Vienna High Roller“-Shirt herum laufen würde. Fünfmal mindestens habe ich diesem Jungen bereits erklärt, dass ich nicht mehr so hoch spiele und fünfmal habe ich ihm erklärt, DASS ICH MIR DAS NICHT MEHR LEISTEN KANN. Ich glaube er bekommt dann jedes Mal eine leichte Erektion, wenn nicht noch mehr. So sehr turnt ihn das an. „Du beim EPT Main Event bist du aber schon am Start. Wahrscheinlich gibt es auch ein €10 000 NL Event.“ „Hör zu du Votze. Ich habe keine Scheißkohle für ein Scheißhighroller-Event, aber ich kann auf der Stelle dein Gesicht zu Matsch schlagen“ sollte ich eigentlich antworten, aber stattdessen sage ich Dinge wie: „Mal sehen. Turnierspielen ist nicht so wirklich meine Stärke, aber ich werde eines der Side-Events spielen. Bin noch am überlegen, aber vielen Dank für die Info.“ – Was die Therapie für einen Waschlappen aus mir gemacht hat ist wirklich erbärmlich.
Manchmal sehe ich mir German High Roller an. Die Folgen mit Leon Tsourkernik und Herrmann Pascha und dann denke ich mir, was wäre, wenn die nichts mehr hätten? Würden sich die Spieler bei Herrmanns Witzen immer noch vor Lachen schütteln und wären alle immer noch freudig amüsiert, wenn Leon der Profi ein paar Asse mit 95offsuit verspeist? Man weiß es nicht? Ich weiß jedenfalls ganz sicher, was ich den aktuellen Sponsoren der High Limit Runde niemals wünsche würde, nämlich, dass sie ihre wahren Freunde kennenlernen. Im Milieu der Zocker definitiv eine Metapher für broke sein. Am Spieltisch zählt das Hier und Jetzt. Das ist ja auch irgendwie das Faszinierende. Als ehemaliger Highroller kann man nicht in ehrenhafte Rente gehen. Man wird daran gemessen, was man eben jetzt auf den Tisch packen kann und alte Storys amüsieren mehr, als dass sie imponieren. Eine jedoch sei mir bitte hier an dieser Stelle gestattet. Quasi als Bonus für mein siebjähriges Jubiläum als Pokerkolumnist. Ein kleiner Nachtrag zur 20-Jahres Feier vom CCC Simmering. Es muss der Spätsommer 1994 gewesen sein da traf ich R.C. am Mittelgang der Mutter aller europäischen Cardrooms. An den Limit-Tischen war die Hölle los. Inferiore „action“ allerorts. „Wer da in dem Jahr keine Million vorne ist, hat das Spiel nicht begriffen“ meinte R.C. und ich nickte, weil ich zu denen gehörte die das Spiel damals begriffen hatten. Zugegeben wir rechneten damals noch in Schilling und heute in dem komischen Geld wäre es vielleicht gerade mal €70 000. Trotzdem möchte ich das mit der Million gerne nochmals bestätigen können. Muss nicht unbedingt der Spätsommer sein. Im Herbst würde es auch noch geschmeidig von den Lippen kommen. – Hoffe nur, es sind dann keine Million Forint. Sonst nehme ich praktisch jede aktuelle Währung und freue mich. Garantiert!
Götz Schrage