„Wahnsinn der Idiot. Schmuggelt Chips ins Turnier. Lässt sich erwischen und verstopft noch auf der ganzen Etage den Abfluss. Hast du davon gelesen und warum schreibst nicht mal dazu etwas?“. Ich mag das immer gerne, wenn mich meine treusten Leser ansprechen und über Vorschläge freue ich mich natürlich auch. Ein wenig kränkt mich die Idee, ich wüsste irgendetwas nicht. Selbstverständlich lese ich jeden Tag Hochgepokert.com. Erstens man will ja informiert sein und zweitens schaue ich regelmäßig nach, in welchem geistigen Aggregatzustand sich unsere Seitentrolle gerade befinden. Man will ja vorbereitet sein, falls jemand von den Posern doch mal Muttis Keller verlässt. So sind mir ebenso selbstverständlich die Vorfälle vom Bogota Open, die wahrscheinlich als die „Verstopfung von Atlantic City“ in die Pokerhistorie eingehen werden, bekannt. Natürlich fällt mir dazu einiges ein und ebenso natürlich kann ich die Gedankenwelt meiner Leser um bisher Ungedachtes bereichern. Möge die Übung gelingen.
In Kurzzusammenfassung für meine Freunde, die vielleicht erst heute aus der Dunkelhaft entlassen wurden und noch nicht alles nachlesen konnten. Ein Junge mit Namen Christian Lusardi wurde verhaftet, nachdem der Abfluss seines Hotelzimmers hoffnungslos mit gefälschten Turnierchips verstopft war, die scheinbar auf diese Art und Weise entsorgt werden sollten. Lusardi gilt deshalb als verdächtig, weil er bei einem mit zwei Millionen Dollar garantierten Turnier bereits aufgefallen war. Weiter möchte ich auf den konkreten Fall nicht eingehen. Erstens gilt die von mir auch an anderer Stelle sonst so hochgerühmte Unschuldsvermutung und außerdem bin ich mir ganz sicher, dass meine geschätzten Kollegen von der Hochgepokert.com News-Redaktion alles nötige berichten werden. Kommen wir also zu meinen weisen, wertvollen und allgemein gültigen Casinotipps. Wenn es beim Pokern irgendwo simple Malversationen gibt, einfach immer die fünf Casinodümmsten in absteigender Reihenfolge verhaften und man hat in hundert von hundert Fällen den Täter. Dafür lege ich quasi meine Hand ins Feuer. Diese Statistik kann nur durch eine zu hohe Blondinenquote etwa bei Turnieren verfälscht werden. Da halte ich ja (fast) so wie Hermann Pascha, aber darauf werde ich an dieser Stelle nicht näher eingehen.
Beispiele aus dem realen Casinoleben gefällig? Der größte aufgeklärte Jackpot-Betrug der Pokerneuzeit war vor allen Dingen deswegen so schnell möglich, weil einer der vier Beteiligten schon vor dem erfolgreichen Coup versucht hatte Geld beim hausloyalen Geldverleiher zu holen. Mit dem Hinweis: „Morgen bekomme ich (umgerechnet) €8000. Gibst du mir heute schon €2000, bekommst du übermorgen €2500 zurück“. Nun es mag zwar generell im Milieu noch so eine Art Ganovenehre geben, aber auch im Milieu verdirbt Geld den Charakter und so wurde aus dem Mann mit den Wucherzinsen schnell ein Singvogel und die Möchtegern-Gangster flogen auf, bevor sie das Geld im nächsten Puff auf den Kopf hauen konnten. Oder die Affäre von Steyr, wo ich mit eigenen Augen des Protokoll der polizeilichen Vernehmung eines der Tatverdächtigen lesen konnte, in dem er sich über die Unverträglichkeit der Kontaktlinsen, mit der man die auf der Rückseite gezinkten Karten erkennen sollte, geradezu beschwerte. Erinnerlich ist mir auch noch die Bemerkung des Defraudanten, dass die mangelnde Kooperation der Opfer beim Omaha bemängelt wurde. „Bei den vier Karten konnte ich ja meist nur die oberste Karte erkennen, weil die Spieler ja meistens die Hände darüber legen.“ Brennende Augen und mangelnde Sicht auf alle vier Karten. Schade dass es keinen Fond für unzufriedene Betrüger gibt. Erwähnenswert vielleicht auch der Mann mit den langen Sakkoärmeln, dem Doppelklebeband ums Handgelenk und den beiden Suchtproblemen. Saufen und Zocken und manchmal mit dem Doppelklebeband Chips am Roulettetisch fischen. Zu dumm wenn man dann in einer hitzigen und langen Sommernacht an der Casino-Bar das Sakko auszieht und vergisst, dass man das kurzärmelige Hemd für den Abend gewählt hat.
Wie auch immer. Ich nehme das alles – wie man unschwer merken kann – nicht besonders ernst. Niemand wird gerne betrogen und selbstverständlich ich persönlich schon gar nicht. Trotzdem glaube ich, dass all die Chips-im-Klo-Runterspüler und sonstige Geistesgrößen bei weitem nicht das Problem sind. Auch fühle ich mich in Maßen mitverantwortlich für die große weltweite Pokerfamilie und möchte nicht, dass meine Verwandten betrogen werden. Gerade deshalb bin ich für effiziente Sicherheitsmaßnahmen und eine realistische Sicht auf die Probleme. Abgesehen davon bin ich der festen Überzeugung, dass der Schaden, der uns durch virtuose Abrechnungen von Turnieren und Jackpots entsteht unvergleich größer ist. Und damit schließe ich meine wirren Betrachtungen, die ihren Anfang auf einer Toilette in Atlantic City hatten, um sich dann doch zu einer allgemein gültigen Regel für das ganze Leben an sich zu steigern. Die, die wirklich das Geld in reiner Schädigungsabsicht auf die Seite räumen, hocken nicht vor der Muschel, nehmen keine Kleinkredite beim Geldverleiher und tragen auch kein Klebeband ums Handgelenk. – Sie tragen Krawatte. Eben wie im richtigen Leben auch.
Götz Schrage