Der Stern berichtete über den tragischen Tod von Johannes Strassmann. Die plakative Stern Reportage zitierte unter anderem auch Aussagen von King’s Casino Besitzer Leon Tsoukernik, die er in einem Interview getroffen haben soll. Hochgepokert.com bringt die Wahrheit ans Licht und zeigt, wie das Interview wirklich gelaufen ist.
Johannes Strassmann ist tot. Das war dem deutschen Wochenmagazin STERN (7,62 Millionen Leser) eine umfangreiche Recherche wert. Anfang Juli besuchten der Fotojournalist Rainer Kwiotek und Redakteur Rainer Nübel das King’s Casino in Rozvadov und trafen sich mit Leon Tsoukernik. Die Journalisten wollten mehr über das Pokerbusiness erfahren. Ihre Fragen hatten sie im Vorfeld per E-Mail eingereicht. Nach fast sechs Stunden informellen Gesprächs fand nicht eine Aussagen des King’s Bosses Einzug in den STERN Artikel “Gefährliches Spiel” (Ausgabe: 10. Juli 2014), der in wesentlichen Teilen auf den tragischen Tod des deutschen Pokerprofis Johannes Strassmann und die mysteriösen Hintergründe eingeht. Hochgepokert veröffentlicht exklusiv das wirkliche Interview!
STERN: Wie hat sich das Pokern und speziell das Profi-Pokern in den vergangenen Jahren entwickelt?
Leon Tsoukernik: Das Niveau ist deutlich gestiegen, da immer mehr Spieler fundierte Kenntnisse vorweisen können. Damit sind nicht nur Profis gemeint. Viele Amateure verfügen über enormes Pokerwissen. Sie schöpfen aus dem Fundus an Informationen, der im Internet für jeden verfügbar ist. Strategien und Spieltheorien werden dadurch verfeinert und Poker entwickelt sich in seiner Gesamtheit immer weiter.
STERN: Welche positiven, vielleicht auch problematischen Aspekte sehen Sie dabei?
Poker gehört zu den Kartenglücksspielen. Im Vergleich zu anderen Casinoglücksspielen stellt es aber die höchsten intellektuellen Anforderungen. Es ist weit mehr, als ein Spiel mit 52 Karten und etwas Mathematik. Das Regelwerk ist komplex und vielschichtig. Die psychologischen Aspekte sind nicht zu vernachlässigen. All dies kann man erlernen. Das benötigt aber Zeit. Und am Ende gehört immer etwas Glück dazu, um erfolgreich zu spielen.
STERN: Welche Rolle spielt das Online-Pokern?
Online-Poker erreicht die Massen, da das Spiel im Internet immer verfügbar und von überall möglich ist. Dadurch verbreitet sich Poker immer weiter und viele Menschen lernen das Spiel. Für fast jeden ist es aber das Ziel, in einem Casino oder bei einem großen Event gegen andere Spieler anzutreten. Das erfordert eine gewisse Planung. Anreise, Abreise und Unterbringung müssen im Vorfeld geklärt werden. Das ist ein kleiner Aufwand, der mit einem unvergleichlichen Gefühl belohnt wird. Nämlich Face to Face gegen andere Poker zu spielen.
STERN: Wie wichtig sind TV-Shows wie „German High Roller“, um das Profi-Pokern noch breiter bekannt und attraktiv zu machen?
Poker TV Shows sind sehr wichtig für die Verbreitung von Poker. Zudem geben sie jedem die Möglichkeit, Teil eines großen Spektakels zu sein. Die Zuschauer werden immer mehr eingebunden. Sie sehen die Karten der Spieler, können selber Analysieren, Spielzüge vielleicht voraussehen und auf jeden Fall mit ihrem persönlichen Favoriten mitfiebern. Ich glaube, etwa 20 Prozent der Bevölkerung sind in irgendeiner Form an Glücksspielen interessiert. Somit sprechen wir von einem unglaublich großen Potenzial an Zuschauern.
STERN: Welche Erfahrungen machen Sie als Mitwirkender?
Es ist Unterhaltung, wie bei dem Besuch eines Fußballspiels, auf das du gewettet hast. Du bekommst verschiedene Attraktionen in einem Paket geliefert und hast auch deinen Teil zur Show beigetragen. Und solange dein Portemonnaie die Größe deines Einsatzes verkraften kann, solange steht auch der Entertainmentfaktor im Vordergrund.
STERN: Sind Prominente wie Boris Becker sinnvoll bzw. notwendig fürs Promoten?
Promis sind und bleiben wichtig für die Vermarktung. Bekannte Spieler gehören dazu, aber auch Unternehmer, Geschäftsleute, wichtige Entscheider und Topstars aus Schauspiel, Musik oder Sport. Mit diesen Persönlichkeiten identifizieren sich die Menschen und begeistern sich für das Pokerspiel.
STERN: Was macht einen Poker-Profi aus, was muss er alles an Fähigkeiten mitbringen?
Ein Profi muss das Spiel und das Regelwerk in allen Facetten beherrschen. Und er muss eine unglaubliche Disziplin an den Tag legen, was den Umgang mit Geld angeht. Bankrollmanagement wird das genannt. Ein Profispieler kennt die wilde Seite des Games und wird niemals alles riskieren, selbst wenn er am Anfang eines Spiels die beste Hand hat. Zwei Asse sind beispielsweise beim Texas Hold’em Poker die beste Hand, können aber trotzdem gegen irgendeine andere Kombination im Verlauf des Spiels verlieren. Dieses Restrisiko kennt der Profi und vermeidet Situationen, in denen es für ihn um alles oder nichts geht. Solche Fähigkeiten, das Loslassen im richtigen Moment, definieren ihn als Könner.
STERN: Was sind Ihre eigenen Stärken und Schwächen?
Schauen Sie sich mein Spiel im Fernsehen an. Vielleicht entdecken Sie meine Schwächen.
STERN: Wie sind Sie zum Pokern gekommen? Wie war es, am Anfang am Tisch zu sitzen?
Poker habe ich in den USA zum ersten Mal gespielt. Das war in den 1990er Jahren in New York. Ich hatte einen Antiquitätenhandel und wir trafen uns mit den Menschen, die in dem Distrikt gelebt, gearbeitet oder eben ihre Shops hatten. Diese Treffen waren eine Möglichkeit zur Kommunikation und zum gemeinsamen Spiel. Aber es war ein wirklich kleines Game. High-Low Chicago Omaha wurde gespielt und es ging um 20 US-Dollar. Das war der American Style.
STERN: Welches Glücksspiel haben Sie sonst noch probiert? Was fasziniert sie besonders am Pokern?
Black Jack habe ich gespielt, auch Roulette und andere Pokervarianten, die man gegen die Bank spielen konnte. Es macht allerdings viel mehr Spaß mit und gegen andere Leute zu spielen. Wenn dann noch die Chance da ist, bei Turnieren zu starten, die als Massenevent ausgelegt sind und an denen Hunderte oder Tausende von Spielern teilnehmen, dann gibt es kaum noch eine Steigerung. Das ist ein unglaubliches Feeling.
STERN: Haben Sie Idole?
Ich denke von mir selbst, dass ich ein riesiger Spieler bin. Das kannst du übrigens auch. Denn beim Poker ist jeder ein Held. Egal wer du bist oder was du machst, beim Pokerspiel kannst du durch Glück oder Können oder am besten durch beide Aspekte ganz vorne sein. Außerdem ist es ein Spiel der Individualisten. Du entscheidest, was du machst. Kein anderer nimmt dir deine Entscheidungen ab. Dadurch ist es auch nicht verkehrt, sein eigenes Idol zu sein.
STERN: Wie schätzen Sie die Wettbewerbs- und Eventstruktur im Profi-Pokern qualitativ ein?
Es gibt kaum reine Profiturniere. Durch die Möglichkeiten, für kleines Geld in Qualifikationsturnieren, sogenannten Satellites, einen Startplatz für große Events zu gewinnen, sind immer sehr viele Hobbyspieler am Start. Und die können letztlich auch Platz 1 erreichen. Da werden Helden geboren. Bei dem einen bleibt der Ruhm länger, bei dem anderen kürzer. Aber im Moment des Erfolges leuchten alle hell wie ein Stern.
STERN: Wie wichtig sind Sponsoren?
Sponsoren sind sehr wichtig und es sollten vor allem internationale Unternehmen in Pokerevents und Turniere investieren. Die Medien berichten über das Spektakel. Darüber erreichen Sponsoren die Massen und somit ihre potenziellen Kunden.
STERN: Kennen Sie viele, die von dem Sport leben können?
Ich kenne viele Spieler und ich kenne viele, bei denen es rauf und runter geht. Es ist für viele eine Achterbahnfahrt. Die Schwankungen zwischen Erfolg und Misserfolg sind teilweise extrem. Deshalb ist das Bankrollmanagment und das Selbstmanagement so wichtig. Mit Misserfolgen muss man auch umgehen können. Deshalb ist mein Rat, dass du niemals alles riskieren solltest.
STERN: Haben Sie bisher mehr Geld gewonnen oder verloren?
Ich bin ein Profi, der eine solche Frage ungern beantwortet.
STERN: Wie kamen Sie darauf, ein eigenes Casino zu eröffnen?
Ich war als Spieler aktiv, hatte einen erfolgreichen Antiquitätenhandel und habe die Möglichkeit für ein Investment gesucht. Das war 2002. Viele haben mich bestärkt, ein Casino zu eröffnen in meinem Style. Das hab ich dann getan. Ich habe das King’s Casino gebaut und 2003 eröffnet. Natürlich mit Poker im Angebot.
STERN: Ist die Wahrnehmung richtig, dass immer mehr Casinos spezifisch auf Poker setzen? Wenn ja, worin sehen Sie die maßgeblichen Gründe dafür?
Die Casinobetreiber erkennen deutlich, dass Poker viele Menschen begeistert. Also bieten sie das Spiel insbesondere in der Turnierform an und die Leute kommen. Dadurch sind alle happy. Für die Gäste ist Poker ein hervorragendes Entertainment und für die Casinos gibt es ein Geschäft. Der Gast kann spielen, er kann sich unterhalten und gewinnen kann er auch. Besser geht es nicht. Stell dir vor, du hast ein ganz tolles Casino, aber keine Gäste, weil sich niemand für deine Games interessiert. Das wäre doch katastrophal. Aber Poker interessiert die Leute, also ist das Haus voll.
STERN: Würdigung von Johannes Strassmann als Poker-Profi: Welcher Spielertyp war er? Worin lagen seine Stärken, worin seine Schwächen? Wie haben Sie ihn als Spieler unmittelbar erlebt? Welche Rolle/Bedeutung nahm er im Kontext des Profi-Pokerns ein?
Sein letzter TV-Auftritt war im King’s Casino. Johannes hat bei unserem TV-Format Cash Kings mitgewirkt. Die Nachricht über seinen Tod hat mich schwer erschüttert. Johannes war ein Freund, ein Freund der Familie und eine großartige Persönlichkeit. Er war ein toller Mensch mit einem klassen Charakter, der durch seine Stärke und seine Gedanken viele inspiriert hat. Ich vermisse ihn sehr.
STERN: Wie wird sich das Profi-Pokern nach Ihrer Einschätzung weiterentwickeln? Wird es weitere Teile der Bevölkerung in den Bann ziehen, wird sich die Eventstruktur verändern?
Ich halte das Potenzial für gewaltig und noch lange nicht für ausgereizt. Viele wollen und noch mehr werden sich in Zukunft im Poker versuchen. Die Möglichkeiten, die das Spiel jedem bietet, sind ja schier unerschöpflich. Es ist ein interessantes und spannendes Hobby, aber auch Nervenkitzel pur. Das Spiel um Geld, egal wie hoch die Summe ist, setzt Adrenalin frei. Jeder will gewinnen, niemand will Verlierer sein. Das macht den Reiz aus. Abgesehen davon findet jeder im Pokerspiel ein einmaliges Entertainment.
STERN: Wo liegen die Grenzen der Entwicklung?
Es gibt keine Grenzen, sondern lediglich Haltbarkeit und Stabilität. Das Spiel ist aus der Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Es ist ein anerkannter Teil der modernen Freizeitgestaltung. Die kostet natürlich Geld. Solange das verfügbar ist, wird es Poker in der jetzigen Ausprägung geben.