Tipps vom Poker-Pro!
„Deal“ or „No Deal“
Von Stefan Rapp / Pro Tipp 02/2011
Mancher Turnierspieler verfolgt eine strikte „NO DEAL“ Politik. Dies mag verschiedene Ursachen haben. Vielleicht fühlt er sich den Kontrahenten im Shorthanded-Poker oder Heads-Up-Spiel überlegen oder es reizt Sie der sportliche Wettkampf um den Sieg. Bei manchen Events steht auch nicht das Geld im Vordergrund, sondern der Sieg im Zentrum des Interesses (z.B. Gewinn eines Bracelets bei der WSOP).
Die meisten Pokerspieler sind jedoch nicht oft in der Situation bei einem großen Turnier am Finaltable zu sitzen und die großen Geldsprünge machen ihnen Angst. Daher gibt es kaum einen Finaltable, an dem nicht zumindest einmal ein Deal im Raum steht. So mancher, besonders unerfahrene, Spieler fühlt sich in dieser Situation unwohl, da er nur schwer abschätzen kann, ob der Deal auch wirklich fair ist.
In der Poker-Literatur kann man für so ziemlich jede Situation Ratschläge finden, das Thema Deals wird jedoch zumeist sehr stiefmütterlich behandelt. Daher habe ich mich dazu entschlossen, ein paar Richtlinien und Denkansätze zum Thema „Deals“ zu geben.
Zunächst betrachten wir kurz die Motivation für Deals:
- Die hohe Varianz im Turnierpoker: Um einen schönen Preis für den Sieg zu präsentieren, ist die Auszahlungsstruktur oft sehr progressiv, und der Großteil des Preispools entfällt auf die ersten beiden Plätze.
- Die Blind-Struktur ist bei vielen Turnieren am Finaltisch sehr hoch. Während zu Beginn des Turnieres der Durchschnittsstack noch 50 Big-Blinds oder mehr beträgt, entscheidet sich am Finaltable das Turnierschicksal meist schon vor dem Flop.
Mithilfe von Deals kann man also die Varianz erheblich senken und sich den bis zu dem Zeitpunkt erarbeiteten Erwartungswert (EV) sichern. Eine Teilungsmethode kann aber nie die ganze (komplexe) Situation am Pokertisch erfassen, sondern lediglich die Chipcounts der Spieler in Betracht ziehen. Faktoren wie Spielstärke, Position des Buttons oder Position der Spieler untereinander werden hierbei natürlich nicht berücksichtigt. Nicht unerheblich ist auch die Teilungsmethode selbst:
- Sehr beliebt ist die Chipcount-Methode, bei der jeder Spieler den letzten Platz ausbezahlt bekommt und der Rest des Preispools im Verhältnis der Chips aufgeteilt wird. Der Vorteil dieser Methode ist ihre Einfachheit: Die Anteile der Spieler sind sehr unkompliziert und für jeden nachvollziehbar zu berechnen. Haben alle Spieler in etwa gleich viele Chips, so liefert die Chipcount-Methode auch passable Ergebnisse. Hat jedoch ein Spieler einen großen Chiplead, so wird er bei dieser Methode übervorteilt.
- Die fairste Methode ist mit Sicherheit die ICM-(Independent Chip Modelling) Methode. Die Mathematik, die hinter diesem Schlagwort steht, ist schon etwas komplizierter. In kurzen Worten müssen die Wahrscheinlichkeiten jeder Platzierung der einzelnen Spieler berechnet werden, um dann den entsprechenden Anteil am Preisgeld auszuzahlen. Aufgrund der Chipcounts wird also der aktuelle Geld-EV berechnet, und jeder Spieler erhält genau den Betrag, der ihm zusteht. Der einzige Nachteil der Methode ist, dass die Berechnung nicht ohne Computer durchgeführt werden kann.
- In vielen Fällen wird auch gar keine spezielle Methode (Custom Deal) angewandt. Ein Spieler schlägt eine Verteilung des Preispools vor, und dann wir so lange verhandelt, bis alle Spieler zufrieden sind. Es wird z.B. häufig beschlossen, dass der Preispool zu gleichen Teilen aufgegliedert wird, wenn die Stacks nicht stark variieren. Oder die Preisgeld-Verteilung einer der obigen Methoden wird als Verhandlungsbasis genommen und an die Wünsche einzelner Spieler angepasst. Dem Verhandlungsgeschick sind hier beinahe keine Grenzen gesetzt. Wer hier kühlen Kopf behält, kann sich schon einen kleinen (oder großen) Vorteil sichern.
Jeder (Turnier-) Spieler sollte sich in Ruhe zuhause einmal Gedanken über Deals machen. Bin ich zu einem Deal bereit? Unter welchen Umständen möchte ich (k)einen Deal? Am Finaltable ist die Anspannung ohnehin sehr groß, daher ist es wichtig, sich schon vorher einen Schlachtplan zu Recht zu legen.
Man sollte auch mit den einzelnen Methoden vertraut sein oder vielleicht sogar versuchen, das eine oder andere Beispiel zu rechnen, um ein Gefühl zu entwickeln, wie sich unterschiedliche Stacks auf das Teilungsergebnis der Methoden auswirken. Nur so bekommt man die nötige Sicherheit, um mit Selbstvertrauen in die Verhandlungen um einen möglichen Deal zu gehen!
Alle oben genannten Methoden sind auch in der FullTiltPoker.net Software umgesetzt und somit steht auch Online einem Deal nichts im Wege.
Stefan Rapp
Autor: Stefan Rapp
Bild Quelle: Casinos Austria / fabfotos