„All you need is a chip and a chair.” Dieses Zitat erlangte Berühmtheit, als Jack Strauss beim WSOP Main Event im Jahr 1982 nach einem verlorenen All-In an Tag 2 nur noch ein einziger 500er Chip geblieben war.
Mit diesem Chip setzte er zu einer furiosen Aufholjagd an und konnte am Ende sogar noch das Bracelet und $520.000 gewinnen, nachdem er Dewey Tomko im Heads-Up besiegt hatte.
Ein derartiges Comeback „From Zero to Hero“ – noch dazu im wichtigsten Turnier der Welt – ist natürlich der Stoff aus dem Legenden geboren werden!
Die Leistung von Jack Strauss wird in dieser Form wohl einzigartig bleiben, aber in abgemilderter Form kommen derartige Wiederauferstehungen von Shortstacks beim Turnierpoker doch häufiger vor als man denkt. Dafür ist aber natürlich auch die richtige Strategie erforderlich.
Aber bevor wir uns dem Spiel als Shortstack zuwenden ist es zunächst einmal wichtig, genau zu definieren ab wann man eigentlich „short“ ist.
Als „short“ bezeichnet man einen Stack, der sich im Bereich von maximal 10-12 Big Blinds bewegt. Die Berechnung erfolgt anhand des folgenden Beispiels:
Wir haben 6.000 Chips und der Big Blind ist 500. Daraus ergibt sich ein Stack von 12 Big Blinds (6.000 : 500 = 12).
Eine andere Form der Berechnung ist das sogenannte „M“ nach Dan Harrington.
Hierbei werden die Kosten für die Zwangseinsätze in einem Orbit addiert und in Relation zum Chipstack gesetzt. Veranschaulicht am obigen Beispiel sieht das wie folgt aus:
Die Blinds betragen 250/500 bei einer Ante von 50, es befinden sich neun Spieler am Tisch und wir haben 6.000 Chips.
Daraus ergeben sich Ausgaben von 250 und 500 für die Blinds und 450 (9 x 50) für die Antes, was addiert 1.200 Chips ergibt. Dividieren wir nun 6.000 durch 1.200 ergibt sich ein „M“ von 5.
Harrington hat das „M“ in verschiedene Zonen eingeteilt. Mit einem Wert von 5 und niedriger, befindet man sich in der roten Zone und ist short.
Aber wie spielt man nun als Shortstack und auf was muss man dabei besonders achten?
Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches Spiel als Shortstack ist vor allem die mentale Stärke! Der größte Feind eines Pokerspielers ist der Tilt, und an sich hat man als Shortstack immer einen Grund die Nerven zu verlieren, denn entweder ging dem „Shortstackdasein“ ein Bad Beat, ein Setup, ein missglückter oder gar schlechter Move, ein verpasster Draw oder einfach nur der schleichende Kartentod voraus. Ganz egal was es auch war, es besteht immer die Gefahr, dass man davon extrem genervt ist und einfach kurz davor steht alles hinzuwerfen!
Die Ruhe zu bewahren, sich mit dem Slogan „Never ever give up“ immer wieder aufs Neue motivieren und sich auf sein Mindset verlassen zu können sind elementar, um in der Erfolgsspur zu bleiben.
Als Shortstack hat man leider nur noch sehr begrenzte spielerische Möglichkeiten und diese beschränken sich in der Regel auf „Push or Fold“.
Man bekommt nie die richtigen Odds, um einen Flop profitabel spielen zu können, und daher ist die passive Spielweise (Limp/Call) zum Beispiel auf Setvalue oder mit Suited Connectors ein absolutes No-Go.
Vielmehr ist man als Shortstack auf eine aktive Spielweise gepolt, man will der Aggressor sein und mit dem kleinen Stack möglichst viel Druck ausüben.
Aktives Handeln ist auch unbedingt notwendig, denn die stetig steigenden Blinds und Antes lassen einem nur bedingt Luft zum Atmen, und je kleiner der eigene Stack wird, desto schwieriger wird es zu überleben. Darüber hinaus muss man in jedem Fall vermeiden, so short zu werden, dass man automatisch gecallt wird.
Da wir, wie gesagt, aktiv sein wollen, kommt es beim Spieleinstieg immer darauf an, dass man die eigene Tischposition, die Chipstacks und das jeweilige Image der Gegner berücksichtigt. Darüber hinaus muss man sich des eigenen Images bewusst sein und die Wertigkeit seiner Hand richtig einschätzen.
Durch die Blinds und Antes ist mit einem erfolgreichen Open Push sehr viel zu holen, und mit einem geglückten Versuch können wir uns wieder Luft für einen kompletten Orbit (falls zwischenzeitlich keine Blinderhöhung eintritt) verschaffen.
Je besser die Position – sprich je weniger Gegner nach uns noch kommen – desto geringer ist die benötigte Qualität der Hand zum Pushen. Am Button kann man sogar nach dem Motto „Any two can do“ handeln, solange noch Fold Equity gegeben ist. In diesem Zusammenhang sollte man sich das GAP-Konzept von Sklansky wieder in Erinnerung rufen, welches besagt, dass man zum Callen eine wesentlich bessere Hand benötigt als zum Pushen. Genau das ist auch der Vorteil, den man als Aggressor hat.
Wenn vor uns bereits ein Spieler durch ein Raise ins Spiel eingestiegen ist, dann ist die mögliche Ausbeute natürlich höher. Allerdings bedarf es jetzt logischer Weise auch einer höheren Wertigkeit der eigenen Hand, um zum Push anzusetzen, da der Gegner ja bereits Stärke gezeigt hat.
Ich warne in diesem Zusammenhang immer davor, Asse mit schwachem Kicker gegen ein vorangegangenes Raise zu pushen, falls man die Wahrscheinlichkeit eines Calls als relativ hoch erachtet. In diesem Fall wird man sehr häufig dominiert und läuft oftmals in ein Setup mit negativem Erwartungswert. Deutlich profitabler ist ein Push mit Suited Connectors, da man in diesem Fall gegen eine nicht dominierende Ass-Kombination immer noch eine Gewinnchance von mindestens 40% hat.
Das Spiel als Shortstack ist ein Ritt auf der Rasierklinge. Man muss geduldig auf seine Chance und gute Spots warten und gleichzeitig immer auf der Hut sein, was Blinderhöhungen und die Position der Blinds am Tisch angeht. Jeder Chip, den wir haben bzw. nicht haben, ist nun Gold wert und verändert unsere Position ganz enorm. Deshalb ist vorausschauendes Handeln noch wichtiger als sonst.
Insgesamt ist es essentiell zu wissen, wie man mit einem kleinen Stack umgeht, denn vor Rückschlägen ist niemand sicher.
Wer in dieser Situation die Nerven verliert, von seinem A-Game abweicht, tiltet und die Sache nicht Ernst genug nimmt, lässt langfristig sehr viel Value liegen und beraubt sich selbst der Chance auf ein gutes Ergebnis.
Bei der EPT in Berlin kam ich nach einem verlorenen Setup mit KK gegen AK an Tag 1 unter die Räder und arbeitete als Shortstack an einem Comeback. Leider ist es mir dieses Mal nicht gelungen wieder zurückzukommen und ich musste bereits an Tag 2 die Segel streichen.
Aber es geht auch anders:
An Tag 2 der Aussie Millions 2007 hatte ich zwischenzeitlich nur noch ein Neuntel vom Average, nachdem ich ein Preflop All-In mit AA gegen AA verloren habe. Die Geldränge waren noch sehr weit entfernt, aber dennoch behielt ich die Ruhe. Am Ende hat es dann sogar noch für den Final Table und Platz 5 gereicht, was mit A$400.000 belohnt wurde.
Wie Ihr seht, muss es nicht immer ein Turniersieg sein, durch den sich eine erfolgreiche Aufholjagd auszeichnet. Wichtig ist, dass man nie aufgibt und nach Beendigung des Turniers mit seiner eigenen Leistung zufrieden sein kann.
In diesem Sinne: Never ever give up!
Autor: Hans Martin Vogl