„Poker nach Lehrbuch“ ist ein geflügeltes Wort. Wieso spielen Profis Hände dennoch so unterschiedlich? Um Einblick in die Denkweise des Profis zu bekommen, haben wir zwei Pros mit der gleichen Konstellation konfrontiert. Dass die verschiedenen Poker-Spieler die Hände zum Teil sehr unterschiedlich spielen, beweisen wir wieder einmal in unserer Rubrik „Eine Hand – zwei Meinungen“. Wir befragten mit Wilfried Härig und Siyu Sha zwei bekannte Poker-Profis derPoker-Szene.
Handanalyse der Pros
Eine Hand – zwei Meinungen
Handbeschreibung:
Die folgende Hand ereignete sich beim €1.600 Main Event der GCOP Vol.II 2/6 im Kings Casino Rozvadov am 14. Mai 2012. Wir waren bereits im Heads-Up zwischen dem in Deutschland lebenden Israeli Zohar Spivack und dem Slowaken Marek Blasko. Das Preisgeld für Platz Eins betrug €79.500 und für Platz Zwei gab es noch €49.200.
Blinds: 12.000/24.000 keine Ante
Zohar Spivak: (Stack: 2.377.000 Chips) Big Blind
Marek Blasko: (Stack: 1.407.000 Chips) Small Blind
Marek eröffnete den Pot mit einem Raise auf 50.000. Zohar callte.
Flop: (Potsize: 100.000)
Zohar checkte und Marek checkte behind.
Turn: (Potsize 100.000)
Zohar spielte 60.000 an und Marek raiste auf 137.000, die von Zohar bezahlt wurden.
River: (Potsize 374.000)
Zohar checkte zu Marek, der nun 150.000 spielte. Daraufhin check-raiste Zohar auf 395.000. Marek überlegte lange und machte schließlich den Call mit Queen High.
Meinung Wilfried Härig:
Preflop: Marek raised am Button mit Q4o und Zohar called mit J8s im Big Blind (Standard). J8s könnte man auch 3betten.
Flop: 3h2c7d Sohar checked und Marek checked behind.
An Mareks Stelle würde ich eigentlich immer contibetten, da der Flop eher seine Range trifft als die von Zohar, der häufig irgendwelche höheren Karten hat.
Turn: 9c Zohar hat durch seinen Gutshot und seine Pairouts nun 10 Outs. Er entscheidet sich daher zu bluffbetten und setzt etwas mehr als halben Pot. Ich würde hier größer betten, da Mareks Range, falls er nicht die 9 am Turn getroffen hat, keine wirklich starken Hände enthält.
Marek macht nun ein sehr kleines Raise, was mir nicht so gut gefällt, da man außer 92, 93 und eventuell noch A9 keine Value Range repräsentiert. Außerdem sind jetzt sehr viele Draws möglich mit denen man auch semi-bluffen könnte und deshalb wird ein guter Spieler auf diesem Board Ace high kaum folden. Für ein Raise spricht nur, dass man einige Riverkarten (6,8,T,J und jedes Kreuz) bluffen und eine Dame gut valuebetten kann. Zohar called jetzt, wohl mit der Intention am River Check-Raise Bluff zu spielen.
Dieses Play würde ich nur dann machen, wenn ich einen sehr guten Read auf meinen Gegner habe, da man eben nur Jack high hat und wenn der Gegner den River behind checked häufig verliert.
Andererseits würde Marek auf eine 4bet häufig folden und falls er called, so wird er seine Hand gegen eine Riverbet in den meisten Fällen aufgeben müssen. Er kann auch nicht noch mal drübergehen, da dies eigentlich immer ein Bluff ist. Dadurch, dass seine Range hier größtenteils aus Bluffs besteht und kaum Monsterhände enthält würde ich an Zohars Stelle callen.
River: As Zohar checked, Marek setzt daraufhin etwas weniger als die Hälfte des Pots. Diese Bet gefällt mir überhaupt nicht, da ich eigentlich jedes Ace high am Turn nur callen würde und auch davon ausgehe, dass das mein Gegner weiß. Durch das Ass wird man jetzt wahrscheinlich nicht mal mehr King high zum Folden bringen, eben aufgrund der am Turn erläuterten Gedanken. Deshalb würde ich behind checken und hoffen, dass ich gut bin.
Zohar raised jetzt und die Hand endet damit, dass er mit Jack high bluffed und von Queen high gecalled wird. Trotzdem denke ich, dass der Bluff nicht so schlecht ist wie ihn das Ergebnis erscheinen lässt.
Zohar erkennt, dass Marek häufig blufft und entscheidet sich daher zu raisen. Marek hat eine extrem polarisierte Range mit nur wenigen Valuehänden und sehr vielen Bluffs. Ich denke daher, dass ein Raise hier durchaus profitabel ist.
Je nachdem auf welchem Level man Marek sieht könnte man auch argumentieren, dass er King high und eventuell auch Queen high nicht bluffen wird, da er die meisten Straight Draws schlägt. Allerdings ist es sehr schwer in der kurzen Zeit darauf zu kommen.
Schlussendlich macht Marek den Call mit Queen high. Im Video ist aber deutlich zu erkennen, dass er ca. fünf Minuten überlegt, bevor er called.
Ein Raise macht an dieser Stelle überhaupt keinen Sinn, da man davon ausgehen muss, dass Zohar mit King high nur callen und nicht raisen wird. Somit schlägt Marek zumindest den größten Teil der Bluffs von Zohar. Andererseits kann er aber nicht erwarten, dass Zohar hier jemals ein Paar oder gar Two Pair raisen und dann folden wird.
Zohar kann in dieser Situation sowohl viele verpasste Draws, als auch sehr viele starke Hände haben. Ein aggresiver Spieler wie Zohar wird hier aber oft genug bluffen und daher muss Marek callen, da er die verpassten Draws schlägt.
Zusammengefasst kann man sagen, dass Marek Turn und River nicht besonders gut gespielt hat, aber durch einen sehr starken Call am River noch die Kurve kriegt.
Meinung Siyu Sha:
Marek raist am Button mit Q4o. Im Heads-Up finde ich es generell gut am Button 100% der Hände zu raisen, solange der Gegner nicht häufig 3bettet und so wie ich Marek kenne ist er höchstwahrscheinlich derselben Meinung. An Zohars Stelle könnte man J8s mit diesem Wissen nun 3betten, aber nur zu callen ist natürlich auch absolut in Ordnung.
Der Flop 732 rainbow ist sehr trocken und beide Spieler verpassen ihn komplett. Zohar checkt und Marek checkt überraschenderweise behind. Meiner Meinung nach sollte er hier auf jeden Fall eine Continuation Bet machen, da sein Gegner diesen Flop oft verpasst und er mit Queen high nur wenig Showdown Value hat. Außerdem kann sich seine Hand auf Turn und River kaum verbessern.
Auf dem Turn gabelt Zohar einen Gutshot auf und spielt mehr als die Hälfte des Pots an. Erstaunlicherweise raist Marek nun auf 138k und Zohar callt. An dieser Stelle versuchen wir uns einmal kurz in die beiden Spieler hinein zu versetzen. Marek vermutet wahrscheinlich, dass Zohar hier seine komplette Range an Händen anspielt und einfach versucht den Pot mitzunehmen, nachdem er am Flop behind gecheckt hat. Deshalb entscheidet er sich hier für ein Raise. Das Problem ist allerdings, dass er mit diesem Raise kaum eine sinnvolle Hand repräsentiert, da er jedes Paar, jeden Openender und alle Gutshots sowie Ace high am Flop gecontibettet hätte. Auch mit Middle Pair und Paaren wie 66-44, die er am Flop für Potcontrol gecheckt hat, würde er hier nur callen. Die einzigen Valuehände, die er so spielen könnte sind tricky gespielte Sets, aufgegabelte Openender mit T8/86 oder eine 9, wobei er auch mit diesen Händen höchstwahrscheinlich nur callen wird. Das denkt wohl auch Zohar, dennoch finde ich den Call eher suboptimal. Zwar hat er vier Outs auf die Nuts und sechs auf ein Paar aber mit Jack high hat er nur sehr selten Showdown Value. Er verliert sogar gegen alle Ace/King/Queen high Bluffs von Marek, die dieser am River aufgibt und behind checkt. Aus diesen Gründen würde ich den Turn erneut raisen und auf die 4bet von Marek folden.
Am River kommt das Ass. Zohar checkt zu Marek und dieser setzt 150k. Nun wird es interessant. Zohar, der bereits gecheckt hat und schon bereit war die Hand aufzugeben, muss sich nun die Frage stellen mit welcher Hand Marek in dieser Situation noch mal betten würde. Dadurch, dass Marek hier häufig das Ass anspielt und die vorherigen Überlegungen, dass er es selten hat bzw. dass er kleine und mittlere Paare behind checkt, gibt es nur wenige Hände die er nochmal für Value bettet. Deshalb sieht das Ganze sehr nach einem Bluff aus. Aus diesem Grund entschließt sich Zohar zu einem Check-Raise auf 390k. Daraufhin geht Marek sehr lange in den Tank. Welche Hände könnte Zohar so spielen? Dazu gehören sämtliche Draws sowie manchmal 54 und J8 und natürlich auch jede 9, 7 und ganz selten eine 3. Mit dem River Check-Raise polarisiert Zohar natürlich seine Range und wir können praktisch jedes Paar inklusive dem Ass ausschließen, da er mit diesen Händen logischerweise nur callt.
Von daher besteht Zohars Valuerange hier ausschließlich aus Sets und 97, was gerade mal fünf Kartenkombinationen sind. Außerdem wird er diese wohl auch am Turn 3betten, um noch mehr Value zu bekommen. Demgegenüber stehen sämtliche Draws, die nicht angekommen sind, was deutlich mehr Kartenkombinationen sind. Im Endeffekt ist die ganze Hand ein gegenseitiges Leveling von beiden, wo jeder versucht eine Ecke weiter zu denken. Da Marek aber nur noch 245k in einen Pot von über einer Million zahlen muss ist das absurderweise ein klarer Call für mich, wobei ich wohl ziemlich an die Decke gegangen wäre, wenn Zohar mir als Bluff Kx in Kreuz gezeigt hätte.
Autoren: Wilfried Härig, Siyu Sha