„Open Face Chinese Poker“!
Für den “Pro-Tipp” konnten wir dieses Mal Ismael Bojang gewinnen. Ismael ist schon seit ein paar Jahren in der Pokerszene unterwegs und konnte sich durch viele gute Platzierungen einen Namen machen. Besonders die exotischen Varianten haben es dem jungen Hamburger angetan.
Die Pokerwelt bietet Spiellustigen immer wieder neue Varianten um aufkommende Langeweile in den Standartspielen wie Texas Hold‘em zu entkommen. Sehr beliebt ist unter den Spielern Open Face Chinese Poker.
Eine perfekte Mischung aus Glück und Geschick bietet inzwischen großen Teilen der Pokercommunity eine willkommene Abwechslung und man findet abseits der großen Turniere in den verschiedenen Hotellobbies und teilweise sogar in den offiziellen Cash Game Bereichen Partien in jeder Preisklasse.
Da es ein sehr junges und unerforschtes Spiel ist, kann man sich große Vorteile gegenüber seinen Gegenspielern erarbeiten, wenn man die nötige Zeit investiert. Um euch Open-Face Chinese etwas näherzubringen und euch die ersten Schritte in das Spiel zu ermöglichen, gebe ich euch im folgenden Artikel eine kleine Einführung in das Spiel.
Das Spiel kann, genau wie das normale, klassische Chinese Poker, von 2-4 Spielern gespielt werden und jeder erhält letztendlich 13 Karten. Ziel ist es mit diesen Karten eine 3-Karten-Hand (oben) und zwei 5-Karten-Hände (mitte und unten) zu bilden. Dabei ist es wichtig zu beachten, dass die eigene unterste Hand die Stärkste ist und die oberste Hand die Schwächste (mit 3 Karten ist hier maximal ein Drilling möglich). Nur so qualifiziert man sich für den Vergleich mit den jeweiligen Händen der Konkurrenten. Dabei spielt jede Hand Heads-Up gegen alle Hände aus derselben Linie.
Beispielhand: Spieler A Spieler B Spieler C
AK7 338 QQ5
88994 JJ276 AK963
QJT98 44455 TTT22
Spieler C hat sich nicht qualifiziert, weil seine mittlere Hand nicht die Oberste schlägt. Spieler A gewinnt die Mitte gegen Spieler B und verliert oben und unten.
Was das Spiel beim Open Face deutlich komplizierter macht ist folgendes: Man startet nur mit fünf verdeckten Karten. Der Spieler links vom Button, der wie bei allen anderen Pokerspielen immer im Uhrzeigersinn wandert, beginnt diese offen aufzudecken und ordnet die Karten einzeln in einer der drei Linien an. Dabei gibts es keine Beschränkungen, man kann theoretisch alle fünf Karten unten platzieren oder auch zwei in der Mitte und drei oben. Aber Vorsicht! Man kann diese Auswahl nicht mehr rückgängig machen. Hat der erste Spieler seine Karten verteilt, ist der Nächste dran solange bis alle Spieler ihre fünf Karten platziert haben. Dabei hat der Button den großen Vorteil die Kartenkombinationen der anderen schon gesehen zu haben, bevor er sich für seine Auswahl entscheidet.
Nachdem alle teilnehmenden Spieler ihre Karten gelegt haben, geht es im Uhrzeigersinn weiter und jeder Spieler zieht eine einzelne Karte vom Stapel und muss diese sofort in eine seiner drei Linien platzieren. Das geht solange weiter bis alle 13 Karten haben.
Wenn alle Spieler eine komplette Chinese Hand haben, dann geht es an die Punktevergabe. Gewinnt man alle drei Hände gegen einen Spieler, nennt man das einen Scoop und erhält sechs Pluspunkte. Dementsprechend verliert der Gescoopte sechs Punkte. Gewinnt man zwei der drei Hände ist das ein normaler Sieg, für den es einen Punkt gibt. Spielt man zu viert kann man also maximal 18 Punkte gewinnen, wenn man alle Gegenspieler scoopt.
Um das Spiel interessanter zu machen sollte man für besonders starke Hände Bonuspunkte verteilen, die sogenannten Royalties. Schafft man es in der schwächsten Hand oben ein Paar 6er zu legen, so ist das einen Bonuspunkt wert. Für jedes bessere Paar gibt es einen Punkt mehr, das heißt: 77 = zwei Punkte 88 = drei Punkte usw. bis hin zu neun Punkten für ein Paar Asse, zehn Punkten für einen Drilling Zwei und 22 Punkte für die bestmögliche 3-Karten-Hand Drilling Asse.
In den 5-Karten-Händen erhält man Royalties ab einer Straße. Eine typische Bonuspunktverteilung für die unterste Hand sieht folgendermaßen aus:
Straße = zwei Punkte, Flush = vier Punkte, Full House = sechs Punkte, Vierling = acht Punkte, Straight Flush = zehn Punkte und Royal Flush = 20 Punkte. Erreicht man eine dieser Hände in der mittleren Hand, dann gibt es sogar die doppelte Bonuspunktanzahl.
Diese Bonuspunkte müssen von jedem Gegenspieler einzeln ausgezahlt werden, doch bedenkt bei eurer Jagd auf die Royalties, dass ihr euch erst qualifizieren müsst, um ausgezahlt werden zu können. Auf der anderen Seite schützt euch eine unqualifizierte Hand nicht davor anderen Spielern die Bonuspunkte auszahlen zu müssen!
Eine weitere Beispielhand:
Spieler A Spieler B Spieler C Spieler D
882 Q43 AA5 445
9934K AK852 KK678 66779
QQQ22 JJJJ3 TTT53 AT976 (Flush)
Punktevergabe:
Zunächst stellen wir fest, dass Spieler C sich nicht qualifiziert hat, da sein Paar Könige in der Mitte schwächer ist als sein Paar Asse oben. Daraus folgt, dass er automatisch von jedem Gegenspieler gescoopt wird und man kann seine Handstärken für den Vergleich dieser Hand ignorieren.
Spieler A gewinnt gegen Spieler B 2:1 und erhält einen Punkt. Er bekommt von Spieler C sechs Punkte und von D auch einen Punkt ist also insgesamt acht Punkte im Plus. Spieler B verliert gegen Spieler D einen Punkt und ist mit den sechs Punkten, die er von Spieler C erhält und dem einen Punkt, den er an A abgibt vier Punkte im Plus.
Spieler C verliert das Maximum von 18 Punkten (Qualifizieren sich zwei Spieler nicht geht das Duell +-0 aus) und Spieler D gewinnt folglich sechs Punkte.
Bonuspunktvergabe:
Spieler A kriegt von jedem Spieler (auch C!) drei Punkte für sein Paar Achter oben und sechs Punkte für sein Full House. Spieler B bekommt von allen acht Punkte für seinen Vierling. Spieler C bringt sein Paar Asse nichts, da er sich nicht qualifiziert hat und Spieler D kriegt dreimal vier Punkte für seinen Flush.
In dieser Hand ist Spieler A also insgesamt 23 Punkte im + (8+ im Kartenvergleich 9+ für 88 oben 18+ für Full House unten und -12 weil er anderen Royalties auszahlen muss).
Zum Vergleich: Spieler C verliert 39 Punkte (18 durch den Kartenvergleich und insgesamt 21 Punkte an Royalty-Auszahlung).
Ihr seht also wie schmerzhaft es sein kann, sich nicht zu qualifizieren und das sollte daher eure oberste Priorität sein. Versucht zunächst eure starken Hände unten zu bilden und legt oben schwache Karten hin, denn sonst kann es sein, dass ihr zum Schluss eine Karte zieht, die eure obere Hand zu stark macht. Wichtig ist es auch immer auf die Karten zu achten, die aus dem Spiel sind. Habt immer einen Überblick über eure Outs, die euch z.B. einen Flush bringen, aber noch wichtiger zählt wie viele Karten eure Hand irregulär machen!
Starthände:
Bei fünf Startkarten gibt es natürlich endlose Kombinationsmöglichkeiten. Grundsätzlich ist ein Paar oder besser unten kein schlechter Start. Einem Flush sollte man nur nachgehen, wenn man drei einer Farbe hat, dabei sind hohe Karten deutlich wertvoller. Legt man nämlich drei kleine Flushkarten und erkennt im Verlauf, dass man ihn wahrscheinlich nicht mehr komplettiert, wird es schwer einen Plan B zu machen, während man mit hohen Karten häufig noch auf ein gutes Paar umplanen kann.
Straßen haben deutlich weniger Value in diesem Spiel. Doch selbst ein Gutshot kommt in ca. zwei Drittel der Fälle, da man ja noch acht Karten ziehen darf. Vorausgesetzt natürlich eure benötigte Karte liegt nicht schon bei anderen Spielern aufgedeckt.
Hat man einen Drilling, dann empfiehlt es sich eine Livecard dazuzulegen (wenn man keine hat, dann sobald man eine in den nächsten Runden zieht) um die Chancen auf ein Full House zu steigern.
„Tote“ Karten werden dagegen gerne nach oben platziert, da man dort eh keine zu starke Hand erzielen möchte.
Doch letztendlich müsst ihr selbst ausprobieren was am effektivsten ist, denn Lernmaterial oder mathematische Lösungen existieren noch nicht.
Viel Spaß!
Euer Ismael Bojang
Autor: Ismael Bojang
Bild Quelle: PokerNews / WSOP.com