Schon seit Jahren taucht ein Name an den Tischen der World Series of Poker (WSOP) auf, den man eigentlich ganz woanders erwarten würde – bei sportlichen Großereignissen in Brasilien oder Russland etwa, um dort für „Die Mannschaft“ Tore zu schießen. Doch seit Max Kruse im Frühjahr 2014 aufgrund unüberbrückbarer Differenzen vom Bundestrainer auf das Abstellgleis gestellt wurde, nutzt er diesen Zeitraum, um für ein paar Wochen bei der WSOP aufzuschlagen. Und dort schlägt er sich durchaus erfolgreich bei in der Regel eher außergewöhnlichen Pokerturnieren.
Die nationale Presse stürzt sich quasi jedes Jahr aufs Neue auf dieses Thema und sucht krampfhaft Schlagzeilen daraus zu generieren, ohne das Geschehen in Las Vegas überhaupt einordnen zu können. So versuchten sich dieser Tage unter anderem Bild, Express, Stuttgarter Nachrichten, Sport1 – und noch einige andere – an einer Bilanz von Kruses Pokeraktivitäten. Der Tenor lautet unisono: „Zweimal zahlte er $1.500 Startgebühr (€1.335), einmal $10.000 (€8.898). Seine Ausbeute: magere $2.263 (€2.014). Klassischer Fall von verzockt also.“
Seriöse Berichterstattung oder einfach Skandalsuche?
Es scheint, als hätte man sich abgesprochen – oder voneinander abgeschrieben. Zudem wurden auch gleich Parallelen zur derzeitigen Vereinssuche des ehemaligen Bremers aufgemacht. Schließlich hat er Werder in der Hoffnung verlassen, andernorts einen lukrativeren Vertrag zu bekommen. Somit scheint sonnenklar: Kruse (ver-)zockt (sich) nicht nur am Pokertisch, sondern auch bei der Vereinssuche.
Es stellt sich allerdings die Frage, warum man sich nicht die Mühe macht, die Leistung von Max Kruse bei seinen Auftritten am Pokertisch sachlich zu beurteilen oder dies wenigstens zu versuchen. In den letzten sechs Jahren hat Max gezeigt, dass er es kontinuierlich ins Preisgeld schafft. Nun spielt Kruse ja nur ausgewählte Events, diese haben meist ein Starterfeld von 100 bis 500 Spielern und nur ca. 15 Prozent der Teilnehmer bekommen Preisgeld.
2014 holte Kruse den dritten Platz bei einem $1.500-Lowball-Turnier für über $36.000, 2016 schaffte er es bei zwei Razz-Turnieren der WSOP jeweils an die letzten beiden Tische und 2017 erreichte er den vierten Platz bei einem $1.500-Triple-Draw-Event für fast $29.000.
Max Kruses WSOP Erfolge seit 2014
Jahr | Turnier | Platz | Gewinn |
2014 | $1.500 Lowball | 3 / 241 | €36.494 |
2015 | $10.000 Omaha Championship | 26 / 387 | €23.500 |
2016 | $1.500 Razz | 11 / 461 | €7.236 |
2016 | $10.000 Razz Championship | 13 / 100 | €16.946 |
2017 | $1.500 Triple Draw | 4 / 326 | €28.740 |
2018 | $1.500 Razz | 14 / 389 | €3.496 |
2019 | $ 1,500 Limit 2-7 Lowball Triple Draw | 63 / 467 | €2.014 |
2019 | $ 2,500 Mixed Big Bet | 17 / 218 | €5.158 |
Wie sind diese Ergebnisse zu bewerten?
Pokerspieler wissen, eine Abrechnung nach vier Turnieren in einem Jahr ist in etwa so aussagekräftig wie die Bundesligatabelle nach dem ersten Spieltag. Max Kruse spielt in Las Vegas nur sehr bestimmte Pokervarianten – ein bisschen Omaha, Razz, Lowball-Varianten oder Mixed-Turniere. Wenn Kruse diese Events spielt, ist er umgeben von Spielern, die wissen was sie tun und jahrelange Erfahrung mit diesen speziellen Varianten haben. Max schafft es, in solchen Feldern als einer der besten deutschen Spieler wahrgenommen und respektiert zu werden. Eine Leistung, die gar nicht hoch genug gewürdigt werden kann.
Dabei gilt es zu bedenken, dass der monetäre Anreiz bei diesen Turniere für Kruse wohl keine allzu große Rolle spielt. Bei dem diesjährigen Triple-Draw-Championship zum Beispiel gab es für den Sieger rund $270.000. Bei Werder Bremen erhielt Kruse jährlich 3 Millionen Euro Gehalt. Max spielt diese Turniere also nicht, um seine Kasse aufzubessern, sondern um sich in einem anderen sportlichen Wettbewerb als Fußball mit den Besten der Welt zu messen.
Wie gut ist Max Kruse am Pokertisch wirklich?
Im Turnierpoker braucht man eine große Zahl von Ergebnissen, um die Leistung eines Spielers halbwegs korrekt einschätzen zu können. Der negativen Rechnung von Bild und Co. sollte man zumindest einmal die durchaus sehenswerten Ergebnisse Kruses (siehe oben) in den letzten Jahren gegenüberstellen.
„Zocken“ ist beim besten Willen nicht das richtige Wort, um Kruses Spiel zu beschreiben, auch wenn „die Presse“ diesen Begriff sofort hervorholt, sobald es um Poker geht. Wollte Kruse tatsächlich „zocken“, könnte er einfach die Highroller-Turniere mit Buy-Ins von $50.000 oder mehr spielen und jeden Re-Entry nutzen, der ihm geboten wird. Es gibt genug wohlhabende Hobby-Pokerspieler, die genau das machen, aber Max ist ein Spieler, der die Turniere anhand seiner optimalen Erfolgschancen sorgfältig auswählt.
Sollte Kruse eines Tages ein WSOP-Turnier gewinnen, wird die Schlagzeile sicherlich wieder lauten: „Wir sind Pokerweltmeister“ – und das obwohl diese Medien nicht einmal annähernd verstanden haben, was Max da eigentlich leistet. Geschweige denn, was seine Motivation dahinter ist. In der Welt der Schlagzeilen ist es eben ganz einfach, entweder man ist Champion oder man hat sich „verzockt“.