Nach seinem ersten WSOP-Sieg ging für Ismael Bojang erst einmal alles drunter und drüber. Eine schnelle Feier, dann schnell zurück nach Deutschland, weil das schon im Vorfeld so geplant war. Also zumindest die Rückreise an dem Tag.
Hochgepokert.com hat sich mit dem Hamburger über seinen Titel, seine Ambitionen und seine Pläne unterhalten.
Hochgepokert.com: Hallo Isi, Glückwunsch zum Titel, zum Bracelet und zum Cash! Welches der drei Dinge ist dir am Wichtigsten?
Ismael Bojang: Ich muss sagen, ich fühle mich nicht so, als hätte ich einen Weltmeistertitel gewonnen.
Für mich kann man – wenn überhaupt – eigentlich nur die 10K Championship Events als Weltmeisterschaften bezeichnen, die andere Turniere sind eher Side-Events und damit auch ohne wirklichen Titel.
Das Bracelet ist schön, aber ich war da nie wirklich auf der Jagd danach.
Also ist der Cash schon das Wichtigste. Alleine um die Bankroll wieder aufzufüllen, braucht man hin und wieder so einen Boost.
HGP: Hast du das alles schon einigermaßen verarbeitet?
IB: Es war kein allzu großer Schock für mich. An dem Abend selbst war es natürlich schon überwältigend, vor allem die vielen Leute, die sich mit mir gefreut haben und die ganzen Umstände. Aber ich hatte ja auch vorher schon Turniere gewonnen und darum war wirklich nur das Bracelet „neu“.
Und da ich ja auch schon zuhause in Deutschland bin, konnte ich das wohl auch schneller und besser realisieren, als wenn ich noch vor Ort in Vegas wäre.
HGP: Wie war die Resonanz auf das Bracelet in deinem Umfeld?
IB: Die Resonanz war phänomenal! Sehr viele Glückwunsch von Freunden und Bekannten, und viele Leute waren total erleichtert, dass ich es endlich geschafft habe. Die Erleichterung bei vielen war teilweise wohl größer als bei mir selbst. Es gab in der Vergangenheit immer wieder Leute, die mich darauf ansprachen und meinten, wie sehr sie mir mal ein Bracelet gönnen würden.
HGP: Nun bist du ja sehr erfolgreich gewesen in den letzten Jahren, speziell bei der WSOP. Hat es dich genervt, dass es bisher noch nicht gereicht hat? Oder besser gesagt, haben andere dich genervt damit?
IB: Mich hat das nullkommanull genervt. Mich hat auch sonst niemand wirklich genervt. Klar gab es immer mal wieder „Nachfragen“ von Leuten, aber das hat mich nie gestört. Ich hätte auch noch 10 Jahre ohne eins weiterspielen können und es wäre auch nicht schlimm gewesen.
Für mich ist nur wichtig, dass ich diese Events spielen kann und hin und wieder mal ein schöner Cash dabei rumkommt. Letztes Jahr hatte ich einen dicken Cash von über $300.000 und für manche Bracelets gibt es weniger Geld. Von daher zählt das schon noch mehr, außer man ist finanziell komplett abgesichert und spielt nur noch für das eigene Ego.
HGP: Wie war die Party?
Die Party war super. Auch wenn natürlich alles sehr spontan organisiert werden musste. Ich hatte mir da im Vorfeld auch nie wirklich Gedanken gemacht, und dann ist es plötzlich soweit und ich war etwas überfordert. Was macht man? Wen lädt man überhaupt ein? Geht’s in nen Club oder nur zum Essen?
Am Ende haben wir über einen Promoter vor Ort, den ich auch schon aus den Jahren davor kannte, einen guten Tipp und auch etwas Hilfe bekommen. Wir waren dann im Encore Beach Club auf einer Nightswim Pool Party, bekamen dort einen schönen Tisch quasi beim DJ und da konnten wir uns es dann gut gehen lassen.
HGP: Dein 146ter Hendonmob-Eintrag ist (endlich mal) wieder ein Sieg. Der letzte offizielle Sieg lag schon fast drei Jahre zurück (Anm.d.R. 19.10.2016, IPT Main Event auf Malta). Was ist so schwer daran, ein Turnier tatsächlich dann auch zu shippen?
IB: Naja, ich spiele in Wahrheit gar nicht so viele Turniere. Und in Vegas bei der World Series sind entweder die Felder immer relativ groß oder in den kleineren Events die anderen Spieler einfach sehr gut. Da gewinnt man einfach nicht so oft. Das muss man also schon relativ sehen.
Ich bin sogar der Meinung, dass meine Bilanz was Spitzenplatzierungen in Turnieren angeht sehr gut ist. An den letzten 7 oder 8 Finaltischen war ich dann immer auch ganz vorne dabei, von daher bin ich da ganz zufrieden.
HGP: Hättest du „lieber“ ein anderes Turnier, sprich eine andere Variante gewonnen?
IB: Klar, so im Nachhinein hätte ich vielleicht schon das eine oder andere Bracelet lieber gewonnen, bei dem ich kurz davor war. Wenn ich es mir aussuchen könnte, vom Prestige her natürlich in einem 10.000er-Event.
Aber ich freue mich schon sehr, dass es bei einem PLO-Event geklappt hat, da ich diese Variante schon am meisten spiele und auch in letzter Zeit wieder mehr den Fokus drauf gelegt habe. Vor allem im Vergleich zu NLH.
HGP: Zum ersten Mal seit Jahren spielst du nicht die komplette Series, bereust du diese Entscheidung jetzt? Du hättest wohl wieder einen shot auf die Player-of-the-year-Wertung (POY)…
IB: Ich habe auch in den letzten Jahren immer wieder kleinere Auszeiten während der WSOP genommen. Wenn z.B. Freunde zu Besuch kamen oder sonst irgendetwas geplant war. Und dann kann man ja schon zwei oder drei Tage vorher kein Event mehr starten und hat so dann automatisch einen gewissen Break von einer Woche oder 10 Tagen.
Der POY war für mich gar nicht im Fokus, vor allem, weil ich dieses Jahr keine 10.000er Turniere gespielt hatte. Von daher war es auch überraschend für mich, dass ich da ganz gut dabei bin. Aber es ist eigentlich kein Ziel für mich, denn auch das ist ja eher wieder etwas Symbolisches. Sprich, ich würde es schon mitnehmen, aber nicht meine Pläne dann extra dafür umstoßen.
Richtig cool an dem POY wäre natürlich das Banner im Rio, denn das würde dann dort hängen und man hätte immer eine schöne Erinnerung. Aber wer weiß, vielleicht klappt das ja noch…
HGP: Könnte es sein, dass du spontan zum Main-Event nochmal angreifst?
IB: Ich hatte es eigentlich nicht vor. Aber die Chancen sind jetzt tatsächlich gestiegen. Denn es war alles so hektisch nach meinem Sieg, dass ich weder den Cash-Out bzw. den Transfer des Geldes regeln konnte noch habe ich das Bracelet bekommen.
Darum laufen aktuell die Planungen und möglicherweise reise ich dann zum Main Event nochmal nach Vegas spiele dann die Turniere, die noch auf dem Plan stehen. Und dann wäre ja theoretisch auch noch etwas in der POY-Wertung drin.
Auf jeden Fall würde ich dann meine Bracelet-Zeremonie noch bekommen!
HGP: Wie sehen deine Pläne in diesem Jahr pokertechnisch noch aus?
IB: Gute Frage. Ich lebe ja jetzt in Deutschland und habe meine Pokeraktivitäten sowieso schon etwas eingeschränkt. Vor allem auch wegen der Steuersituation ist das hier nicht mehr so einfach.
Und ich möchte mich beruflich auch in eine andere Richtung entwickeln und versuche da gerade, mir etwas aufzubauen.
Poker wird künftig also eher das zweite Standbein sein und nebenher laufen. Ich werde wohl das eine oder andere Mal nach Rozvadov fahren, wohl auch zur WSOPE. Evtl. fahre ich noch spontan nach Barcelona zur EPT, aber sonst gibt es keine festen Pläne für dieses Jahr in Sachen Poker.
Vielen Dank, Ismael für deine Zeit und das nette Gespräch.
Das Interview führte Juergen Bachmann.