Wie aussagekräftig ist die Hendon Mob All Time Money List noch?

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In den letzten Jahren wurde der Einfluss der High Roller und Super High Roller Events auf alle möglichen Poker-Ranglisten immer größer. Auch und vor allem die sogenannte All Time Money List (ATML) auf The Hendon Mob ist dadurch in eine Schieflage geraten.

Nehmen wir mal an, diese ATML besaß mal eine gewisse Aussagekraft, auch wenn darin natürlich nur die Turniergewinne „brutto“ ausgeführt sind. Buy-Ins, nicht gecashte Turniere und auch der Verkauf von Anteilen der eigenen Action sind darin nicht berücksichtigt.

Dennoch kann man natürlich eine Menge daraus lesen. Bzw. man konnte es. Denn in den letzten Jahren wurden die Buy-Ins bei den High Roller Events immer größer. €100.000 Startgeld für ein Pokerturnier sind in dieser Liga nichts Besonderes mehr. Dementsprechend riesig sind natürlich auch die Payouts. Und da die Turnierfelder doch überschaubar groß sind, gewinnt dort immer wieder eine kleine Auswahl von Spielern recht ansehnliche Preisgelder. Als Folge dessen marschieren sie in den Geld-Ranglisten unaufhaltsam nach vorne.

Es wurden sogar diverse Turnierserien extra für diesen Spielerkreis ins Leben gerufen: Aria High Roller Series, die US-Poker-Open, die British Poker Open, die Triton Poker Events, die Poker Masters, um nur die wichtigsten zu nennen.

Aber wie sehr haben sich die „High Roller“-Turniere auf die All-Time-Money-List tatsächlich ausgewirkt. Wir haben uns das mal genauer angesehen. So sieht die aktuelle Top10 der Hendon Mob All-Time-Money-List aus:

#SpielerLandPreisgeld
1stBryn KenneyUSA$ 56,403,506
2ndJustin BonomoUSA$ 49,128,107
3rdDaniel NegreanuKanada$ 42,053,307
4thErik SeidelUSA$ 37,748,126
5thDan SmithUSA$ 36,742,718
6thStephen ChidwickEngland$ 34,387,646
7thDavid PetersUSA$ 33,737,541
8thFedor HolzDeutschland$ 32,556,379
9thJason KoonUSA$ 31,101,729
10thSteve O'DwyerUSA$ 30,471,475

Aktiviert man nun ein paar Filter in der Hendon Mob-Datenbank, erhält man eine andere Rangliste. Nimmt man z.B. einfach mal die „Einladungsturniere“ aus der Wertung raus, also Events, bei denen nicht jeder Spieler teilnehmen durfte, erhält man folgendes Resultat:

#SpielerLandPreisgeld
1stJustin BonomoUSA$ 44,256,840
2ndDaniel NegreanuKanada$ 40,172,405
3rdErik SeidelUSA$ 35,880,136
4thBryn KenneyUSA$ 34,356,158
5thDavid PetersUSA$ 32,601,270
6thFedor HolzDeutschland$ 32,556,379
7thSteve O'DwyerUSA$ 30,471,475
8thJason KoonUSA$ 30,057,732
9thDaniel ColmanUSA$ 28,725,059
10thPhil IveyUSA$ 28,715,759

Dem eigentlich auf Platz 1 stehenden Bryn Kenney fehlen hier also mit einem Schlag $ 22 Millionen an Preisgeldern, er rutscht dadurch auf Rang vier ab. Stephen Chidwick und Dan Smith fliegen sogar komplett aus den Top10. Ganz vorne liegt nun der Amerikaner Justin Bonomo.

Der Unterschied wird noch frappierender, wenn man die Höhe der Buy-Ins verändert. Entfernt mal also alle Einladungsturniere und alle Super High Roller Turniere mit einem Buy-In von mehr also $50.000, dann erhält man dieses Ergebnis:

#SpielerLandPreisgeld
1stDaniel NegreanuKanada$ 20,990,715
2ndErik SeidelUSA$ 18,541,017
3rdStephen ChidwickEngland$ 18,461,576
4thJustin BonomoUSA$ 18,211,358
5thSteve O'DwyerUSA$ 17,582,806
6thDavid PetersUSA$ 16,738,262
7thPhil Hellmuth JrUSA$ 16,670,051
8thMichael MizrachiUSA$ 16,562,738
9thJake SchindlerUSA$ 15,537,008
10thJohn JuandaIndonesien$ 15,513,782

Wie wir sehen, tut sich hier eine ganze Menge. Bryn Kenney fällt ab auf den 18. Platz (mit „nur“ noch $13.767.626) und Jason Koon rutscht auf den 51. Platz ($10.051.572). Der größte „Verlierer“ ist aber Daniel Colman, der ohne seinen großen Cash beim Big One for One Drop in der All Time Money List mit nur noch $4.735.615 auf den 219. Platz zurückfällt.

Wer ist also der erfolgreichste Pokerspieler?

Niemand stellt das Können all dieser Spieler in Frage, die hier aufgeführt sind. Natürlich sind sie gute Pokerspieler und haben die Preisgelder auch zu Recht erspielt. Ihnen ist es nicht vorzuwerfen, dass die Buy-Ins immer weiter nach oben gehen. Sie sind lediglich Profiteure dieser Entwicklung.

Es zeigt sich jedoch, dass diese Liste immer weniger Aussagekraft hat. Denn während es bei einem „normalen“ Turnier mit einem Buy-In von $5.000 oder $10.000 und mehreren tausend Spielern natürlich viel unwahrscheinlicher ist, mehrere Siege in einem kurzen Zeitraum einzufahren, kann das bei kleinen Feldern viel eher klappen.

Der Kreis der Super High Roller umfasst vielleicht 100 bis 150 Spieler, und die Turniere sind dadurch naturgemäß kleiner. Wenn jemand wie Justin Bonomo dann 2018 einen Lauf hat, kann er in diesen Turnieren in sehr kurzer Zeit sehr viel Preisgeld einfahren.

Wie schwer es dagegen ist, in großen Feldern wiederholt Erfolg zu haben, sieht man an den WSOP- bzw. EPT-Turnieren. Es gibt erst zwei Spieler, nämlich Vicki Coren und Mikalai Pokal, die zwei EPT-Main Events gewinnen konnten, und dabei sprechen noch nicht einmal von Feldern mit tausenden von Spielern. Und im WSOP Main Event kam es schon einer Sensation gleich, wenn jemand wie Mark Newhouse es mehrmals an den Finaltisch schaffen konnte. Mehrfachsieger wie Johnny Chan oder Stu Ungar sind wohl nicht mehr möglich in Feldern mit über 8.000 Spielern.

Zum Vergleich, bei Stu Ungars letztem WSOP Main Event Sieg waren 312 Teilnehmer dabei, bei den ersten beiden Siegen waren es 75 bzw 73 Spieler. Johnny Chan hatte es bei seinem back-to-back-Erfolgen mit 152 (1988) und 167 Spielern ein Jahr später zu tun. Natürlich ist das immer noch ein überaus bemerkenswerter Erfolg, aber eher vergleichbar mit heutigen Super High Roller Feldern. Allerdings mit der Annahme, dass die Teilnehmer nicht so stark gewesen sein dürften.

Kann uns die All Time Money List also eine Hilfe sein, wenn man die erfolgreichsten Spieler finden möchte? Könnte man also sagen, dass Bryn Kenney „besser“ ist als beispielsweise Stu Ungar (404. Platz mit $3.677.961 Preisgeldern)? Wohl eher nicht. Diese Ranglisten sind eine schöne Spielerei und man bekommt eine Idee von einem Spieler, gerade wenn es darum geht, welche Turniere schon gespielt und gecasht hat. In welchen Regionen jemand unterwegs ist und welche Buy-Ins in seiner Liste auftauchen. Aber eine endgültige Aussagekraft ist spätestens durch die Super High Roller Turniere verloren gegangen.

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