Der britische Pokerspieler Sam „SamSquid Grafton zählt zu den klassischen Livepros in der Szene. Insgesamt hat der mittlerweile 42-Jährige über $5,7 Millionen an Preisgeldern eingespielt.
Und damit scheint der Weltenbummler ein wenig gegen den Strom zu schwimmen, denn obwohl sich PokerStars bei der Auswahl der Ambassadors in den vergangenen Jahren fast ausschließlich auf Twitch-Streamer, wie Lex Veldhuis, Ben Spragg oder auch Felix Schneiders fokussiert hat, wurde Grafton im April 2021 unter Vertrag genommen. Hauptverantwortlich dafür waren seine Einsätze als Experte bei den PokerStars Livestreams.
Wir haben Sam Grafton in Barcelona zum Interview gebeten und mit ihm unter anderem über seinen Karrierestart und seine Zeit im aktuellen Poker-Mekka Brasilien gesprochen.
Hallo Sam. Lass uns direkt loslegen. Wie war dein Sommer in Las Vegas?
Ich war diesmal nur für zweieinhalb Wochen in Vegas. Zu Beginn habe ich direkt die großen Turniere gespielt und hatte einen guten Run beim $25k. Aber abgesehen davon, bin ich einfach viel ausgegangen und habe mich mit Freunden getroffen. Es war schon etwas ungewöhnlich, nicht jeden Tag die WSOP zu spielen, aber ich habe diesmal einfach die Zeit in Vegas genossen.
Du spielst schon weit über zehn Jahre professionell Poker. Hat es dich jemals gelangweilt?
Nein, es ist so ein dynamisches Game. Jeder Tisch ist anders, jeder Gegner ist speziell. Das Spiel entwickelt sich immernoch rasant weiter und die Strategien ändern sich ständig. Außerdem kannst du in vielen verschiedenen Ländern spielen, die alle einen etwas anderen Ansatz, eine andere Pokerkultur haben. Und diese Einflüsse von einzelnen Personen und Kulturen werden auch in Zukunft dafür sorgen, dass Poker nicht langweilig wird. Ich hatte zudem viel Glück einen guten Zeitpunkt für meine Karriere erwischt zu haben und bin dafür sehr dankbar.
Erinnerst du dich noch, wie alles für dich angefangen hat?
Auf jeden Fall. Das war in einer Snookerhall, mit meinen Brüdern und vielen anderen Leuten aus meiner Heimatstadt. Ich hatte damals nicht viel Geld und eigentlich waren die Einsätze viel zu hoch für mich. Also musste ich mir einen Vorteil verschaffen, indem ich mir ein wenig Strategie angeeignet habe. Damals haben die meisten einfach gezockt, ich war dagegen etwas tighter. Das hat schon gereicht und so habe ich mich auch in den strategischen Ansatz beim Pokern verliebt.
Und um ehrlich zu sein, war ich damals immer richtig aufgekratzt, wenn ich von zuhause zur Snookerhall gegangen bin. Wenn ich heute in ein Casino gehe, um Tag 2 oder 3 bei einem Turnier zu spielen, ist das Gefühl nicht mehr vergleichbar.
Was hast du vor deiner Zeit als Pokerspieler gemacht?
Ich habe viele verschiedene Dinge gemacht, vom Assistenzlehrer bis hin zum Kassierer am Wochenende in Clubs. Aber ich habe letztlich nie den Job gefunden, bei dem es Klick gemacht hat, bis ich zum Pokern gekommen bin.
Hattest du zwischendurch jemals Zeiten gehabt, in denen du darüber nachgedachst mit Poker aufzuhören?
Ja, in den frühen Jahren gab es immer wieder schwere Zeiten, und du hast dich einfach nicht wohl gefühlt, darüber mit Außenstehenden zu reden. Aber ich hatte dann doch das nötige Vertrauen in mich, erfolgreich zu sein. Am Ende musst du dich mit dem Spiel identifizieren, aber auch mal von den Tischen wegbleiben und stattdessen mit Freunden diskutieren und studieren, Videos und Livestreams schauen, um neue Ansätze zu finden.
Und ganz wichtig, etwas niedrigere Limits spielen. Wir können Vertrauen am besten auf einem Level aufbauen, das wir schlagen, bevor es wieder aufwärts geht. Wenn es bei Highroller-Turnieren nicht läuft, dann spiele Turniere auf einem Level das ich schlagen kann, um mein Vertrauen zurückzugewinnen.
Wo wir schon beim Thema sind. Wie gehst du mit Downswings um?
Downswings gehören natürlich zum Spiel und ich habe zum Glück schon einige durchgemacht, sodass ich heute verstehe, dass es einfach ein Teil der Varianz ist. Auch die ganz großen Gewinner im Pokergame gehen immer wieder durch Downswings. Für mich persönlich ist daher ganz wichtig, in guten Zeiten Geld zurückzulegen, um die schlechten Zeiten zu überstehen. Und, auch wenn es manchmal hart ist, du darfst einfach die Leidenschaft zum Spiel nicht verlieren.
Wenn du eine Zeitlang nicht gewinnst, genieße die anderen Elemente, wie die soziale Komponente, dich mit anderen Spielern am und abseits des Tisches zu unterhalten. Die strategische Komponente, um dein Spiel trotzdem weiterzuentwickeln. Ich fokussiere mich nicht zu sehr auf die Resultate, sondern auf den Prozess. Auch wenn sich das immer nach einer Plattitüde anhört.
Du hast eine Zeit lang in Brasilien gelebt. Wie ist es dazu gekommen?
Brasilien ist ein großartiges Land mit einer reichen Kultur, toller Musik, tollem Essen und natürlich tollen Menschen. Ich bin einfach hingereist, habe dann über ein Jahr an verschiedenen Orten gelebt und es wirklich genossen. Es war für mich auch ein sehr privilegiertes Gefühl, diese Erfahrung aufgrund meiner finanziellen Freiheit machen zu können und ich werde hoffentlich eines Tages wieder dort sein.
In Brasilien gibt es seit Jahren einen echten Pokerboom. Wie war das für dich als Profispieler dort?
Brasilien hat das Game in den letzten Jahren einfach aufgesogen und mittlerweile ganz viele starke Spieler, die mit uns die Highroller-Turniere auf der ganzen Welt spielen. Auch online sind die Ergebnisse einfach phänomenal. Ich denke das liegt vor allem daran, dass Sport und Wettkampf fest in der brasilianischen Kultur verankert sind. Das sieht man ja insbesondere beim Fußball. Zusammen mit dem sozialen Aspekt passt auch Poker perfekt dahin, weil es Menschen zusammenbringt.
Ich habe nicht so viele Liveturniere in Brasilien gespielt, aber von der Lebensfreude und Leidenschaft die die Basilianer zum Poker bringen, können wir noch einiges lernen.
Was sind deine Pläne und Ziele für die Zukunft?
Persönlich möchte ich natürlich so gut Poker spielen, wie möglich, um auch in den kommenden Jahren in diesem Wettkampf mit immer neuen Spielern auf höchstem Niveau zu bestehen. Dann freue ich mich auf die nächsten Events von PokerStars, vor allem die Rückkehr der EPT nach London. Ich liebe es in London Poker zu spielen, weil die englische Pokerkultur einfach Spaß macht. Und ich freue mich darauf, den Leuten meine Stadt zu zeigen, in der ich seit 20 Jahren lebe. Die Rückkehr der EPT ist, als wenn ich meine Stadt und die Pokercommunity in London noch einmal neu erleben kann.
Vielen Dank für das Gespräch.