Haben (nicht vorhandene) Poker-Skills die Tour de France entschieden?

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Die Tour de France ist das härteste Radrennen der Welt, seit 1903 für die Männer und seit 2022 auch für die Frauen. Die Premiere der Tour de France Femmes wurde im vergangenen Jahr von der Niederländerin Annemiek van Vleuten gewonnen, die auch dieses Jahr als eine der Top-Favoritinnen an den Start ging. Auf den ersten der insgesamt 8 Etappen über 959,9 km lief es für die amtierende Weltmeisterin nicht nach Plan, für die breit aufgestellte Konkurrenz vom Team SD Worx dagegen sehr, was die Titelverteidigerin in einem Artikel von cyclingnews.com zu der Aussage brachte:
„Spielt das Spiel (Anm. d. Red.: des Radsports), aber spielt auch Poker.“

Weiß Annemiek van Vleuten, wie man (richtig) Poker spielt?

Fragt man den ehemaligen Sieger der La Vuelta a España (Spanien Rundfahrt) Chris Horner, hat er auf seinem Youtube Kanal ChrisHornerCycling, in dem Format, das er The Butterfly Effect nennt, eine klare Antwort: Annemiek van Vleuten weiß nicht wie man Poker spielt! In dem dazugehörigen Video „She Wanted to Race like a KNUCKLEHEAD“ („Sie wollte wie ein Holzkopf Rennen fahren“) zeigt er klar, wie seiner Meinung nach Poker funktioniert – und wie eben nicht.

Chris Horner in seinem typischen Youtube-Setting

Die Weltmeisterin in ihrer letzten Saison

Die komplette Radsportwelt hat dieses Jahr auf Annemiek van Vleuten geschaut. Zum einen, weil sie von den Grand Tours den Giro und die Vuelta gewonnen hat, zum anderen weil sie als Weltmeisterin (sie gewann den Titel mit gebrochenen Ellenbogen nach Sturz am Vortag) als Topfavoritin gehandelt wurde. Zudem hatte die 40-jährige aus Vleuten angekündigt, dass 2023 ihre letzte Saison werden sollte!

SD Worx und Movistar im Kampf um Etappen- und Gesamtsieg

Die Tour de France Femmes war bis zur siebten und vorletzten Etappe eine Demonstration vom Team SD Worx gewesen, das nicht nur mit Lotte Kopecky die Gesamtführende (und kommende Weltmeisterin) im gelben Trikot und im grünen Trikot (der Punktbesten) stellte und die Mannschaftswertung anführte, sondern mit Teamkapitänin Demi Vollering (ebenfalls Niederlande), die große Gegenspielerin von Annemiek van Vleuten aufzubieten hatte. Mit der besten Sprinterin (Lotte Kopecky), der besten Zeitfahrerin (Marlen Reußer) und der amtierenden Europameisterin (Lorena Wiebes) diktierte SD Worx das Rennen und gewann (mit ebendiesen Fahrerinnen) am Ende 4 von 8 Etappen. Van Vleutens Team Movistar war mit Etappensiegen von Liane Lippert und Emma Jörgensen auch erfolgreich, doch die Königinnenetappe (Etappe 7) sollte die Entscheidung im Gesamtklassement mit sich bringen. Die Ausgangssituation war abgesehen von der Leistungsdichte im gegnerischen Team SD Worx nicht schlecht für Annemiek Van Vleuten, die 12 Sekunden Vorsprung auf ihre ärgste Konkurrentin Vollering hatte.

Warum wurde die Tour de France für die Titelverteidigerin zu einem Pokerspiel?

In den großen Radrundfahrten und Radrennen geht es meist darum, die eigenen Kräfte zu konservieren und die anderen Team die Tempoarbeit und damit die kräftezehrende Arbeit im Fahrtwind zu verrichten. Da SD Worx in fast allen Kategorien führte, lastete auch die größte Arbeit auf ihnen – zumindest theoretisch. Denn van Vleuten bemängelte, dass nicht auch andere Teams angemessen auf SD Worx reagierten, bzw. sich zurückhielten und das niederländische Team SD Worx die Arbeit verrichten ließen. – Stattdessen würden andere Teams der Mannschaft von Danny Stam und Anna van der Breggen immer wieder helfen zu gewinnen (siehe Eingangszitat).

Für Chris Horner ist Annemiek van Vleuten ganz klar ein weiteres „Knucklehead“-Beispiel!

Für Chris Horner, den ehemaligen Radioshack-Kapitän, ist das Statement der Zeitfahr-Olympiasiegerin von 2020 ein gefundenes Fressen. In seinen, oft polemischen, Rennanalysen nimmt er niemals ein Blatt vor den Mund – da bildet die Tour de France Femmes keine Ausnahme. Im „The Butterfly Effect“ geht er nach den Rennen, die er sich von seinem Chesterfield Sofa mit seinem Verwandten Garrett Horner aus anschaut, stets auf die Rennstrategien der Fahrer*innen und  Teams, sowie konkrete Radrenn-Taktik ein. Sieht er unkluge Radsport Taktik vom Director Sportif oder dessen Fahrer*innen, vergibt er inflationär gern das Prädikat Knucklehead – was übersetzt ungefähr soviel wie „Holzkopf“ bedeutet. Da ihm van Vleutens Interview nach dem Rennen mit der Aussage, sie habe an dem Tag keinen guten Beine gehabt, aber versucht das Rennen mit dem Herzen zu fahren, ziemlich unklug vorkam, sparte er ihr gegenüber nicht mit der Bezeichnung als Knucklehead.

Wo hat sich Annemiek van Vleuten verpokert?

Laut Horner herrscht immer wenn er Frauen Radsport einschaltet „totales Chaos“ und niemand würde dort das „(Radsport-) Spiel richtig spielen“, was die 4-fache Weltmeisterin ja eingefordert hatte. Vor allem war sich der 51-jährige gegenüber der Europameisterin von 2020 sicher: „Vor allem DU weißt nicht wie man Poker spielt!“

Denn laut Horner, der mit 41 Jahren ältester Grand Tour Sieger aller Zeiten wurde, hätte die 40-Jährige die Tour de France Femmes auch mit schweren Beinen gewinnen können, wenn man intelligente Radsport Taktik anwendet und SD Worx vorne im Wind arbeiten und damit müde werden lässt. Stattdessen machte Annemiek van Vleuten mit 3 Fahrerinnen aus ihrem Movistar-Team die komplette Tempoarbeit an der Spitze im Anstieg zum Col d’Aspin, dem vorletzten Berg. An der Bergwertung kam sie mit Demi Vollering an ihrem Hinterrad (in der Gesamtwertung 12 Sekunden hinter ihr) und Kasia Niewiadoma (bis dato zeitgleich) vom Team Canyon//SRAM Racing an, wobei sich die Polin in der Abfahrt von den beiden Niederländerinnen absetzen konnte. – Hier hätte das Pokerspiel von van Vleuten aufgehen können, doch sie tat genau das, was sie im Interview kritisiert hatte: Sie arbeitete (und das mit schweren Beinen) mit Demi Vollering von SD Worx zusammen. Was sie damit für Chris Horner war, sollte inzwischen klar sein: Ein Knucklehead!

Juliette Labous … weiß auch nicht wie man Poker spielt!

Die nächste im Bunde, die Team SD Worx half, das mit 3 Fahrerinnen (Vollering, Kopecki, Reußer) vorne vertreten war, war Juliette Labous vom Team DSM Firmenich. Sie macht fast 8 km die Tempoarbeit im Anstieg zur Zielankunft am Col du Tourmalet – was für Chris Horner nur eins bedeuten kann: Auch sie weiß nicht wie man Poker spielt!

Dami Vollering bedankt sich mit Etappen- und Gesamtsieg bei den Pokernoobs!

Nachdem sie so die beiden entscheidenden Anstiege größtenteils hoch-chauffiert wurde, konnte Demi Vollering im Finale am Tourmalet angreifen und nicht nur den Tagessieg einfahren, sondern ihrer ärgsten Widersacherin Annemiek van Vleuten 2:28 Minuten abnehmen, die ihrerseits nicht mehr an Niewiadoma herankam.

Wenn zwei sich streiten … freut sich Lotte Kopecky!

Tragisch für van Vleuten, war nicht nur, dass sie damit den Tour de France Gesamtsieg an ihre Landsfrau abtreten musste, sondern darüber hinaus, dass sie auf der letzten Etappe, einem 22,6 km langen Einzelzeitfahren, nur so wenig Vorsprung auf Lotte Kopecky herausgefahren hatte, dass die Belgierin sie am Schlusstag ihrer letzten Tour de France noch vom Podium stieß.

Tour de France Femmes auf GCN+

Wer eine Zusammenfassung der Königinnenetappe der diesjährigen Tour de France Femmes sehen möchte, kann das auf dem Youtube-Kanal von GCN Racing auf Deutsch tun:

Was meint ihr? Lacht ihr euch ebenso wie Chris Horner über Annemiek van Vleutens Poker Kommentar kaputt – oder hätte ihre Poker Strategie auch aufgehen können?

Das Podium der Tour de France Femmes: (v.l.n.r.) Lotte Kopecky (BEL, 2.), Demi Vollering (NED, 1.), Kasia Niewiadoma (POL, 3.)

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