Exklusiv-Interview: bwin-Direktor Jörg Wacker über Spielsucht, Prävention und Scheinheiligkeit (Teil 1)

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Jörg Wacker gehört zu den wichtigen Köpfen der Gaming-Branche. Als Direktor des Online-Sportwettenanbieters bwin-Deutschland nimmt er Einfluss auf das Business. Wacker, früher Sportjournalist und ein paar Jahre Programmdirektor bei Bild T-Online, ist bei bwin für die Kommunikation und Lobbyarbeit auf politischer und gesellschaftlicher Ebene zuständig. Die Diskussion um die Spielsucht des Ex-Fußballprofis René Schnitzler ist ihm nicht entgangen. Hochgepokert sprach mit Jörg Wacker über die Scheinheiligkeit bei der Debatte über Spielsuchtprävention, die Bedeutung des Spielerschutzes im Internet und wie Spielsucht beim Online-Gaming überhaupt entdeckt werden kann.

Hochgepokert: Herr Wacker, der Bestechungs- und Wettskandal um Ex-Fußballprofi René Schnitzler hat auch die Problematik der Spielsucht ins Blickfeld gerückt. Schnitzler hat sich selbst als spielsüchtig bezeichnet und offenbar Haus und Hof verzockt. Wie bewerten Sie die Problematik Spielsucht aus unternehmerischer Sicht?

Jörg Wacker: Wir nehmen das Thema Spielsucht sehr ernst. Spielsucht ist eine psychische Erkrankung. Neben der Zusammenarbeit mit Hilfseinrichtungen ist es deshalb unser Ziel, die Entstehung von Spielsucht durch individuelle und frühestmögliche Interventionen zu verhindern. bwin will mit den Problemen von Menschen kein Geld verdienen. Wir versprechen unseren Kunden eine sichere Unterhaltung. Aber man muss die Kirche auch im Dorf lassen. Gerade bei der Sportwette ist die Zahl der Betroffenen im Gegensatz zum Automatenspiel sehr gering und insgesamt handelt es sich beim pathologischen Spielverhalten glücklicherweise um eine seltene Erkrankung. Nichtsdestotrotz investiert bwin seit Jahren intensiv in ihre Erforschung, Prävention und Behandlung.

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Hochgepokert: Schädigt eine offene Diskussion über das Thema Spielsucht die Branche?

Jörg Wacker: Im Gegenteil, diese Diskussion ist sehr wichtig und bwin hat sich von Anfang an für einen offenen Dialog mit Forschung und Hilfseinrichtungen eingesetzt und diesen auch transparent geführt. So stellen wir interessierten Forschern umfangreiche Daten zur Verfügung, um die Spielsuchtproblematik weiter zu erforschen und wirksamere Methoden des Spielerschutzes zu entwickeln. Diese Daten stehen im Internet im Rahmen des Transparency Projects der Harvard Medical School (Anm.: Link zur  Homepage) unter anderem auch deutschen Forschern zur Verfügung. Man kann deshalb mit Fug und Recht sagen, dass bwin nicht nur Weltmarktführer bei Internet-Sportwetten, sondern auch in der Förderung der Spielsuchtforschung ist. Und nur durch den offenen Austausch internationaler Spitzenwissenschaftler sind hier Erfolge möglich. Eine transparente wissenschaftliche und gesellschaftliche Diskussion über das Problem Spielsucht ist aber auch deshalb außerordentlich wichtig, weil nur so sichergestellt werden kann, dass diese Thematik nicht weiterhin als Vorwand missbraucht wird, um rein wirtschaftlich motivierte Monopole zu schützen.

Hochgepokert: Was heißt das?

Jörg Wacker: Dass der Monopolstaatsvertrag unter dem Aspekt Spielsuchtprävention ein Eigentor war. Das zeigen eindrucksvoll die entsprechenden Zahlen. In nur zwei Jahren Glücksspielstaatsvertrag hat sich die Zahl der pathologischen Glücksspieler in der deutschen Bevölkerung laut Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung von 0,19 Prozent in 2007 auf 0,45 Prozent in 2009 mehr als verdoppelt.

Hochgepokert: Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Jörg Wacker: Der Grund dafür ist die sehr uneinheitliche Regulierung, die manche Bereiche wie das Internet stark überreguliert, sodass Spieler gezwungen sind, zu illegalen Angeboten im Schwarzmarkt abzuwandern, wo es zumeist keinerlei Spielerschutz gibt. Gleichzeitig werden andere Bereiche völlig unzureichend reguliert. Beides ist nicht im Sinne der Suchtprävention. Eine offene Diskussion wird hoffentlich zu einer Versachlichung führen und die Inkohärenz der derzeitigen Gesetzgebung ausräumen.

Hochgepokert: Was kritisieren Sie an dem aktuellen Umgang mit dem Thema?

Jörg Wacker: Es kann nicht sein, dass mit dem Argument Spielsuchtprävention ein Monopol befördert wird, dass empirisch belegt gerade das Gegenteil dessen erreicht, was erreicht werden soll. Da herrscht in Deutschland eine Scheinheiligkeit, der gerade mit einer öffentlichen Diskussion auf Basis wissenschaftlicher Fakten schnell jede Grundlage entzogen werden kann. Die Politik muss deshalb einen regulatorischen Rahmen schaffen, in dem jedem Spieler ein attraktives legales Spielangebot zur Verfügung steht, aber gleichzeitig jeder Anbieter seine Spielerschutzmaßnahmen kontinuierlich überprüft und in Zusammenarbeit mit der Suchtforschung verbessert. Dieser Optimierungsprozess wäre der Regulierungsbehörde dann transparent in einem Spielerschutzkonzept darzulegen und sollte Voraussetzung für eine Zulassung sein. Nur wenn die Politik diesen Weg geht, kann sie ihre Glaubwürdigkeit in diesem Thema behalten.

Hochgepokert: Staatliche Land Base Casinos haben die Möglichkeit auffällige Spieler oder offenkundig spielabhängige Personen zu sperren. Welche Optionen hat ein Online-Anbieter?

Jörg Wacker: Wo immer sich ein Spieler identifizieren muss, um spielen zu können, kann man ihn auch sperren, wenn die Gefahr besteht, dass er keine Kontrolle mehr über sein Spielverhalten hat. Das ist in einer Spielbank möglich, wo sich der Spieler beim Einlass per Lichtbildausweis identifizieren muss und es ist bei verantwortungsbewussten Online-Anbietern wie bwin möglich, die zusätzlich zu elektronischen Methoden der Identifikation ebenfalls eine Identifikation per eingescannten Lichtbildausweis verlangen. Nicht möglich hingegen ist die Spielsperre bei Automatenhallen, da hier anonym gespielt wird, ebenso wie im Schwarzmarkt der unlizenzierten Glücksspielanbieter, in dem oft jeglicher Spielerschutz fehlt. Die Spielsperre sollte aber nur die letzte Maßnahme sein.

Hochgepokert: Schön und gut, aber was tut bwin, um zu verhindern, dass sich ein Kunde um Kopf und Kragen spielt?

Jörg Wacker: Ein hochwertiger Spielerschutz wie bei bwin verfügt über eine Vielzahl von Maßnahmen die darauf ausgerichtet sind, schon die Entwicklung von Spielproblemen zu verhindern. Daher finden sich auf der Responsible Gaming Website von bwin eine Vielzahl von Informations- und Aufklärungsmaterialien. Ebenso ein Selbsttest der WHO und ein von der Division on Addictions der Harvard Medical School entwickeltes Selbsthilfe Toolkit. Zusätzlich bietet bwin dem Spieler die Möglichkeit, seine monatlichen Einsätze zu limitieren. Dadurch kann er nicht mehr ausgeben, als er am Monatsanfang festgelegt hat. Dieses Niveau des Spielerschutzes ist in einer Spielbank oder bei der staatlichen Sportwette Oddset beispielsweise nicht möglich. Die Spielerschutzmaßnahmen bei bwin werden wissenschaftlich auf ihre Wirksamkeit evaluiert. Hierzu arbeiten wir mit führenden Forschungsinstituten, allen voran der Division on Addictions der Harvard Medical School, zusammen.

Lesen Sie morgen auf Hochgepokert den zweiten Teil des Exklusiv-Interviews mit bwin-Direktor Jörg Wacker.

Zur Person: Jörg Wacker studierte nach dem Abitur an der Universität Karlsruhe Literaturwissenschaften und Sport. Als freier Journalist arbeitete er Ende der 1990er Jahre für den Sport-Informations-Dienst. Wacker war in Berlin von 2001 bis 2003 als Programmdirektor für Bild T-Online tätig, ging 2004 als Geschäftsführer zur Sport1 GmbH und übernahm schließlich 2006 die Position des Direktors bwin-Deutschland. Der 43-Jährige ist bei dem Sportwettenanbieter verantwortlich für die Kommunikation am deutschen Markt und für die Lobbyarbeit auf politischer und gesellschaftlicher Ebene.

Lesen Sie hier den zweiten Teil des Interviews mit Jörg Wacker …

Lesen Sie hier den Kommentar von Götz Schrage …

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