Das deutsche Dilemma – Das Unverständnis der SPD – Die ungeliebte Rotlicht-Analogie

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Schleswig-Holstein ist verdammt weit weg und die Materie ist verdammt kompliziert. Die schlausten der schlauen Hochgepokert.com-Leser haben da wahrscheinlich gerade mal den Durchblick. Abgesehen von Pokeranwalt Axel Mittig natürlich, der selbst Fragen beantworten könnte in der Sache, bevor sie überhaupt gestellt werden. Mir als altgedienten Studienabbrecher der juristischen Fakultät erschließt sich die Materie nur schemenhaft. Die abgewählte schwarzgelbe Regierung hatte seinerzeit einen liberalen Alleingang gewagt und seit der Wahl von Mai versuchen nun die Sozialisten um Ralf Stegner das zu tun, was sie für ihre moralische Verpflichtung halten. Schleswig-Holstein muss zurück auf Linie. Föderalismus und der Mut zum eigenen Weg darf sozialistische Grundwerte nicht in Frage stellen. Der Linke an sich hat zwar zur Thematik Poker stets eine glasklare Meinung, aber in der Regel nicht einmal den Hauch einer Ahnung. Der moralische Zeigefinger alleine reicht ihm. Über das definitiv Böse brauche ich kein spezifisches Wissen, es muss genügen, wenn ich es bekämpfe. Der mir sonst wenig bekannte Ralf Stegner ist keineswegs besonders verbohrt oder besonders intolerant. Er ist was er ist. Ein hochrangiger SPD-Politiker. Als stolzes und aktives Mitglied der Sozialistischen Partei Österreichs muss ich schweren Herzens zugeben, wenn es um Glücksspiel, Poker und Nachtgeschäft geht, sind wir Roten ein Garant für die dümmstmöglichen Gesetze und Regulierungen und das wird sich auch solange nicht ändern, bis ich Bundeskanzler werde. Und genau das habe ich ganz bestimmt nicht vor. 

Es war sicher alles sehr geschickt eingefädelt. Die Lobbyisten, Manager und Anwälte haben zur Zeit der schwarzgelben Koalition gute Arbeit geleistet. Beginnen wir die deutsche Pokerrevolution von Schleswig-Holstein aus und alles wird gut. Bürgerliche und Liberale sind mit Argumenten wie: Wettbewerbsvorteil, Wirtschaftskraft und Investitionsvolumen traditionell gut zu überzeugen und wäre die Wahl im Mai 2012 anders ausgegangen, als sie ausgegangen ist, dann hätte man womöglich oder vielleicht, oder wahrscheinlich den eingeschlagenen Weg bis zum Ende durchgezogen. Oder zumindest bis zum nächsten Urnengang. Niemals würde ich den Lobbyisten, Anwälten und Managern der Online-Anbieter im Poker und Sportwettenbereich da einen Vorwurf machen. Warum soll man Zeit und Ressourcen verschwenden, um gegen eine Wand der Ablehnung und Verständnislosigkeit zu laufen. Allerdings zeigt doch die politische Realität gerade jetzt mal wieder in Deutschland, dass es so keinen Sinn macht. Die SPD und die Grünen sind zwar eine harte Nuss, aber man darf sie im doppelten Wortsinn, keinesfalls links liegen lassen. Um es mit Che Guevara zu erklären, ein guter Revolutionär kämpft auch, wenn er weiß, dass er verliert. Demzufolge lobbyiert ein guter Lobbyist auch bei der SPD Schleswig-Holstein, weil es eine nachhaltige Lösung ohne linkes Verständnis im Bereich Glücksspiel nicht geben kann und geben wird. 

Mein Boss ist zwar in der Regel nicht begeistert von meinen Rotlicht-Analogien. Allerdings so viele Branchen gibt es auch wieder nicht, von denen ich halbwegs etwas verstehe. Kürzlich hatte ich ein Gespräch mit einer jungen engagierten Genossin. Deren Bild vom ältesten Gewerbe der Welt war glasklar und bitterböse. Bulgarische Mädchen eingepfercht in billige Wiener Absteigen. Gefügig gemacht von gewalttätigen Menschenhändlern, um 24 Stunden am Tag von ekeligen AO-Fickern missbraucht zu werden.  – So eine Szene gibt es tatsächlich und ebenso tatsächlich, sollte man alles, was Exekutive und Gesetzgeber an Möglichkeiten haben einsetzen, um dieses Unrecht abzustellen. Soweit waren wir uns  einig. Allerdings wäre das meiner jungen Kollegin bei weitem nicht genug. Das ganze Geschäft mit der käuflichen Liebe sollte überhaupt verboten werden. Alle einschlägigen Lokale geschlossen, jeder Freier am besten verhaftet und mit Foto und Namen ins Netz gestellt. Unterschiede zwischen diesen Zuhältern des Elends und etwa dem Besitzer einer Bar, oder dem Betreiber eines Saunaclubs wurden nicht gemacht. Weg mit dem ganzen Dreck. In einen Sack stopfen in der Donau versenken, weil man eben im Reich des Bösen schon durch differenziertes Denken quasi zum Komplizen wird. Deswegen diese absurde Gleichmacherei und das mit reinem Herz, aber eben ohne den in der Sache notwendigen Verstand. 

Solange es Männer und Frauen geben wird und solange Geld die Welt regiert, wird es immer ein Milieu und ein Nachtgeschäft geben. Wer da etwas regulieren, oder zum Besseren wenden möchte, muss eben genau die Existenz dieser Welt einmal prinzipiell akzeptieren. Wer glaubt, dass selbstgerechte Aufgeregtheit reicht, um probate Gesetze und Verordnung zu erlassen. Anlassgesetzgebung wie der Paragraph gegen sexuelle Arbeitsausbeutung führen dann dazu, dass Nervensägen wie Jean Pütz knapp daran vorbei schrammen, weil sie dem Wollersheim – vielleicht durchaus in guter Absicht  – ein Mädchen empfohlen haben. Hätte der Jean Pütz  die junge Dame noch mit dem Auto persönlich vorbei gebracht, wäre er nicht weit von der Verurteilung entfernt. Nicht auszudenken, die freundliche Onkel von der „Hobbythek“ als „Menschenhändler“ und auf einmal verliert dieser zu Recht verabscheute Berufsstand sein  zu Recht verabscheuungswürdiges Gesicht. 

Im Pokerbereich passiert ähnliches. Die  tatsächliche Verelendung der Automatenspieler, die stereotypen Fantasien uninformierter Politiker und die Unfähigkeit der Pokerspieler sich selbstorganisiert darzustellen, verhindert ein besseres „standing“ und ist dafür verantwortlich, dass es linke Lager leicht hat, nicht zu erfahren, was es ohnedies nicht wissen will. Man kann eben nicht alles über den selben moralischen Kamm scheren und der kleine Pokerklub in Castrop-Rauxel könnte sein €15 Omaha-Turnier mit einem Re-Entry ruhig veranstalten, ohne dass die Beschaffungskriminalität im Ruhrgebiet entscheidend nach oben schnellt. Es ist alles viel komplizierter und die simple linke Sichtweise wird den Realitäten einfach nicht gerecht. Es werden Illegalität gefördert, die sich ganz entspannt vermeiden lassen würden. Moralische Entrüstung kann penible Recherche und Differenzierung niemals ersetzen, auch wenn das Herz rein und das Parteibuch rot ist. – Es wird von der Pokerindustrie wieder versucht werden eine Regulierung des deutschen Glücksspielmarktes voranzutreiben. Damit das auch in seiner Nachhaltigkeit seine Chance hat, muss auch im linken Lager Überzeugungsarbeit geleistet werden. Leicht wird das ganz sicher nicht, aber vielleicht halten sich die Bürgerlichen ausnahmsweise mal am alten Che Guevara fest und kämpfen. Ebenso ausnahmsweise wünsche ich ihnen bei diesem Kampf aufrichtig alles Pokerglück dieser Erde. – Sie werden es brauchen.

Götz Schrage 

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